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30. September 2014; Erkundungstag im Tankwa Karoo NP

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Was für eine, im wahrsten Sinne des Wortes, erfrischende Nacht! Dennoch, oder eher gerade deswegen, haben wir hervorragend geschlafen, fest eingemümmelt in unsere Decken, und erwachen nun voller Tatendrang. Bei einem Frühstück, während dessen wir langsam von den ersten Strahlen der Sonne erwärmt werden, beraten wir über die Pläne des Tages. Schnell werden wir uns einig: wir alle möchten gerne die nähere Umgebung des Camps ausführlich zu Fuß erkunden, die heißen Mittagsstunden untätig genießen und dann, am Nachmittag, zu einer Auto-Runde durch den Park aufbrechen. Gesagt, getan. Während Annette, Jochen, Heinz und ich allerdings recht langsam in die Gänge kommen und die Sache gemütlich angehen, ist Ute schon wie ein Pfeil verschwunden. Ein paar Mal noch sehen wir ihre blaue Weste in immer weiterer Ferne aufblitzen, dann ist sie endgültig außer Sicht, wohingegen wir soeben erst unseren Platz verlassen. Hui, die gute Ute, die hat echt Hummeln im Hintern! Unser Insektenbefall im Darm beschränkt sich da wohl auf eher harmlose Schwebfliegen, doch uns läuft ja nichts davon.

Crassula tomentosa
Crassula muscosa
Crassula deltoidae










Crassula barbata
Tylecodon reticulatus
Gethyllis villosa










Tylecodon wallichii
Monsonia sp.
Euphorbia hamata










Annette und Jochen flanieren also gemächlich hinter ins Bachtal, Heinz und ich hingegen erklettern gespannt die verheißungsvollen Geröllaufschüttungen am Fuße der Berge, wo wir aber nicht weit kommen. Was für ein Sukkulenten-Eldorado! Tylecodons, Cotyledons, Euphorbien, Crassulen; in jeder noch so kleinen Felsritze wächst was Bekanntes, was Neues, was Blühendes, was Keimendes, was Knorriges! Wir klettern und krabbeln im Zeitlupentempo den Steinwall rauf und runter und kommen aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Stundenlang delektieren wir uns an unseren kleinen, sehr zahlreich wachsenden Bodenschätzchen, bis es schließlich so heiß geworden ist, dass sogar das langsame Robben über die Felsen zu anstrengend und schweißtreibend wird. Durstig und nassgeschwitzt streben wir Richtung Camp und schütten uns dort kurz Wasser in die trockenen Kehlen, als schon das nächste Highlight winkt. Nein, es winkt nicht, es klettert vielmehr geschickt durch die Bäume: „es“ ist ein ganzer Schwarm munterer Mausvögel, der sich, nach Futter suchend, an den Ästen der Buscholivenbäume entlanghangelt. Die grauen Vögel mit den kecken Federschöpfchen sehen aus wie kleine, langschwänzige Papageien mit Kakadu-Häubchen und bewegen sich auch ähnlich, gehören aber einer ganz anderen Ordnung an.

Weißrückenmausvogel oder...
... Colius colius ...
... beim Dösen










Doch ihre Geschicklichkeit steht der ihrer Vogelverwandten in nichts nach. Mit ihren gebogenen, sehr kräftigen Schnäbeln werden sie fast jeder Frucht Herr und, um der Beute erst mal habhaft zu werden, hängen sie sich ohne Zögern auch kopfunter in die Büsche. Entzückt stehen Heinz und ich im Schatten der dicht belaubten wilden Oliven und genießen die akrobatischen Verrenkungen der kleinen Mausvögel, bis diese genug von uns und den Bäumen haben und sich aus dem Staub machen. Aber schön, dass wir die fliegenden Mäuse eine Weile bei ihrem Treiben beobachten durften! Und mittlerweile haben wir uns sogar wieder etwas regeneriert, dem Schatten sei Dank, und überlegen, was wir jetzt anstellen könnten. Heinz hat eine Idee: er hat heuer gleich zwei Wildkameras dabei und die will er nun installieren, irgendwo da draußen im Busch. Wir marschieren gerade los, als uns Jochen und Annette entgegenkommen, ebenfalls völlig verschwitzt und ermattet. Als die beiden von unserem Vorhaben hören, haben sie aber gleich einen guten Tipp parat. Weiter hinten im Tal hatten sie auf ihrem Spaziergang eine lichte Stelle im Gebüsch entdeckt, durch die man relativ problemlos zum Hoenderhoek gelangen kann - und der hätte sogar etwas Wasser. Ja, wenn das mal nicht der perfekte Ort für unsere Selbstschusskameras ist!

Der Hoenderhoek
Sutherlandia frutescens
Emberzia capensis










Wir flitzen sofort los und erreichen nach zirka drei Kilometern die beschriebene Stelle, wo wir uns, von ein paar Kratzern abgesehen, tatsächlich unbeschadet durch das dichte Buschwerk zwängen können. Wenig später stehen wir dann vor dem kleinen Bach, der zwar kaum eine nennenswerte Fließbewegung zeigt, aber trotzdem genug Wasser führt, um in dieser trockenen Gegend Tiere anzulocken. Vorsichtig klettern wir die steile Böschung nach unten, um die beste Stelle auszukundschaften. Doch warum lange suchen? Genau da, wo wir herabgeklettert sind, ist der ideale Platz! Davon künden zahlreiche Köttel und und weiße Vogelkot-Sprutzer auf den Felsen. Heinz macht sich stante pede an die Montage der ersten Kamera, während ich ein wenig die Vegetation des Bachbetts erkunde. Doch bis auf ein paar Blümchen und eine kleine Sutherlandia mit prallen Schoten gedeiht hier wenig. So kehre ich bald wieder um und komme gerade rechtzeitig, um Heinz beim Testen der Kamera beobachten zu können. Ein Bild für Götter! Er hält sich beide Hände wie Ohren an den Kopf und hüpft mit känguruhartigen Sprüngen in das Erfassungsfeld der Bewegungssensoren. Jawoll, ausgelöst! Ich freue mich schon sehr auf die Bilder - auf die von Heinz... Der wiederum ist sehr zufrieden mit der Wahl des Ortes, möchte aber die zweite Kamera gerne anderswo installieren. Also winden wir uns wieder aus dem Gebüsch und machen uns auf die Suche nach einer weiteren Stelle in anderem Gelände. Nicht weit neben dem Fahrweg wird Heinz bald fündig, befestigt sein Starenkästchen und wir traben zurück ins Camp, wo es sich unsere Reisegenossen im Schatten der Bäume gemütlich gemacht haben.

Tal des Hoenderhoek
Unsere Campsite
Der Sukkulenten-Wall










Auch Ute ist wieder da und erzählt von ihrer kilometerweiten Wanderung durch die östlichen Weiten des Tankwa Karoo NPs. Dabei fällt uns auf, dass sie sich, ihren Bewegungsdrang auslebend, offenbar außerordentlich für Landschaften begeistert. Das ein oder andere Tier, hier und da auch eine besonders auffällige Pflanze, erschienen ihr natürlich ebenfalls interessant, im Vordergrund ihrer Erzählungen aber stehen deutlich die körperliche Betätigung und das Erkunden spezieller Landschaften. Das bestätigt sich nochmals, als sie von ihrer Oman-Reise berichtet und wir im Laufe des Gesprächs sogar noch auf ein gemeinsames Traumziel stoßen: Sokotra, eine kleine, entlegene Insel, die zum Jemen gehört und sowohl pflanzentechnisch als auch landschaftlich einiges zu bieten hat. Natürlich würden wir einen Besuch Sokotras unter völlig unterschiedlichen Gesichtspunkten planen, weil unser jeweiliger Fokus eben auf verschiedenen Dingen liegt, wer aber solche Ziele ansteuert, aus welchen Gründen auch immer, liegt definitiv irgendwie auf einer Wellenlänge. Im Klartext: Ute wird uns immer sympathischer, sie ist eine weitgereiste, selbstsichere, unabhängige, entspannte Frau, die ihr Ding macht, während wir das unsere durchziehen. Keiner stört sich an den besonderen Interessen des anderen, jeder kann das genießen, was ihn glücklich macht und danach sitzt man zusammen und berichtet sich gegenseitig, was man erlebt hat. Das ist eine schöne Bereicherung, bei der jeder was vom anderen lernen kann. Dergestalt quatschen wir uns nun durch die heißeste Zeit des Tages, erholen und erfrischen uns, bevor wir wieder aufbrechen.

Kuhantilopen
Unterwegs im Tankwa
Wir nähern uns Leeuberg










Diesmal jedoch tun wir das alle zusammen, schlichten uns in die beiden Autos und fahren Richtung Westen. Immer wieder halten wir an, um eine besonders schöne Aussicht zu genießen, eine pflanzenreiche Ebene zu erkunden, oder einfach nur, um uns die Füße zu vertreten. Wie losgelöst bewegen wir uns vorwärts, doch Heinz und ich haben dabei trotzdem ein ganz spezielles Ziel: eine Ebene am südlichen Fuße des Leeubergs, eine Ebene, auf der wir letztes Jahr die endemische Tanquana prismatica gefunden hatten. Und wie ferngesteuert finden wir wieder dort hin - ohne Navi, ohne GPS - punktgenau! Angesichts der seltenen und äußerst farbenfrohen Pflanzen macht sich große Wiedersehensfreude in uns breit und begeistert schwärmen wir aus. Meine Güte, ist das schön! Letztes Jahr hatten wir die Tanquanas durch Zufall entdeckt und waren entsprechend geplättet von unserem Fund. Beinahe atemlos mäanderten wir vor achtzehn Monaten zwischen den Pflanzen umher, konnten unser Glück kaum fassen. Heuer hingegen wissen wir, was auf uns zukommt und können deshalb umso bewusster auf Erkundungstour gehen. Die fassungslose Begeisterung von damals wandelt sich deshalb gerade in nicht minder begeisterte Freude, unser Blick jedoch kann jetzt auch noch anderes wahrnehmen, wo uns unser unvorbereitetes Entzücken des letztes Jahres tatsächlich Scheuklappen angelegt hatte.

Tanquana prismatica:
Vielfalt in Farben ...
... und Formen










Heinz beim „Robben“
Tanquana prismatica - Kapseln
Tanquanas und Cephalophyllum










Bah, welch herrliche Sicht auf die Berge, welch Wolken-Schattenspiele, welch einzigartig geformte, bunt gefärbte Kieselsteine! Heinz und ich fühlen uns wie berauscht, robben auf allen Vieren, auf dem Bauch, über die Tanquana-Ebene, fotografieren uns die Finger wund, sehen uns die Augen rot und schweben dabei im siebten Himmel. Annette und Jochen halten wacker mit, angesteckt von unserer Freude, Ute hingegen, so nehme ich plötzlich aus dem Augenwinkel wahr, hat sich ausgeklinkt und sitzt, in einem Buch lesend, leicht genervt auf dem Boden. Ich wollte ja eigentlich kein schlechtes Gewissen haben, doch genau das empfinde ich jetzt... „Ute, was ist los?“ „Ach, hätte ich gewusst, dass das hier so lange dauert, wäre ich doch schon zweimal auf den Berg da drüben geklettert!“, beschwert sie sich, halb im Spaß, halb im Ernst. Das tut mir echt leid. Aber offenbar müssen wir unsere Bedürfnisse doch noch deutlicher formulieren und Ute die Chance geben, sich in unseren, für sie nicht ganz nachvollziehbaren Krabbel-Phasen, zeitig zu verdünnisieren, ihr vorab einen verfügbaren Zeitrahmen nennen, innerhalb dessen sie nach Lust und Laune rumsausen kann. Das nehme ich mir auf jeden Fall fest vor. Heinz jedoch, der Utes Langeweile durchaus ebenfalls wahrgenommen hatte, darauf aber nicht reagieren wollte, sagt zu mir: „Soll sie doch lesen, ist ja auch ’ne schöne Beschäftigung! Ich will deswegen aber kein schlechtes Gewissen haben und das hab ich a ned. Wir haben klar gesagt, was wir wollen und damit hat sie sich abzufinden. Basta!“ Sprichts und krabbelt weiter in der Gegend herum. Hoppala! Mit einer derart eindeutigen Reaktion von meinem ansonsten so friedliebenden Schneck hätte ich nicht gerechnet. Doch er hat recht. Allerdings wird nix so heiß gegessen wie es gekocht wird und Ute hat ja zudem nicht genölt. Sie konnte sich wahrscheinlich nur nicht vorstellen, dass man wegen ein paar kleiner Pflanzen so lange rumkriechen und sich so ausdauernd begeistern kann. Doch jetzt hat sie es live erlebt und kann sich darauf einstellen, wie auch wir auf ihre Bedürfnisse. Doch Annettes und Jochens Geduld wollen wir natürlich ebenfalls nicht überstrapazieren, weswegen wir nach einer ausgiebigen Verabschiedung von den Tanquanas unseren Ausflug in diese einmalige Sukkulentenebene für beendet erklären.

Kapseln nass machen und warten
Nach einer Minute
Nach zwei Minuten










Tanquana-Landschaft
Beim Bestimmen
Wolkenstimmung

Glücklich und zufrieden klettern wir alle wieder in die Autos, um unsere Rundfahrt fortzusetzen. Und jetzt, in der schräg stehenden Nachmittagssonne beginnen dieser Park, diese Landschaft, ihren einzigartigen Zauber zu entwickeln; eine Kombination aus Licht und Schatten, aus Struktur und Samtigkeit, aus komplementären Farbtönen, aus Wolken und Bergen, aus karger Vegetation und üppigem Leuchten. Wir sind mal wieder hingerissen und kosten diese gewaltige Stimmung in vollen Zügen aus, indem wir den langen Weg Richtung Camp einschlagen und dabei immer wieder anhalten. Bei einer Kulisse aus schroffen Gebirgsketten, die sich in eindringlichen Blau- und Violetttönen hintereinanderstaffeln; bei sanften Hügeln, die sich wie blasses Gelbgold von schweren, dunkel blauschwarzen Wolken abheben; bei einer grasigen Ebene, aus deren samtig wogendem Bewuchs ein abgestorbener Baum seine toten Äste anklagend in den wolkenwabernden Himmel reckt; bei einer verlassenen Steinhütte, die mit morbidem Charme dem kalten Abendwind trotzt; bei einem Wolkenloch, durch das sich die untergehende Sonne goldfingerig in ein Feld trockenen Grases ergießt... Schließlich sind wir fast wieder „zuhause“ angelangt, postieren uns aber, keine Sekunde dieser Lichtstimmungen verpassen wollend, mit einem Sundowner vor dem Eingang zu unserem Tal und werden nochmals belohnt: dunkle Wolken dräuen über den Bergen, die im güldenen Licht der untergehenden Sonne beinahe überirdisch glühen. Mann, ist das schön! Allerdings kühlt es rapide ab und wir, luftig angetan mit dünnen Hosen und Jacken, beginnen sofort zu frösteln. Aber wir harren natürlich bis zum Ende aus. Als der letzte Sonnenstrahl verschwunden ist, beeilen wir uns allerdings umso mehr, zurück ins Lager zu kommen. Dort nämlich warten Anoraks und Mützen, mit denen wir uns sofort für den Abend rüsten, der sich eindeutig anschickt, dem gestrigen Konkurrenz zu machen. Und tatsächlich. Als wir mit dem Essen fertig sind, zeigt das Thermometer wieder null Grad. Doch ins Bett gehen wir heute noch nicht, denn Annette und Jochen haben etwas zu feiern - ihren Hochzeitstag. Die beiden sind sich zwar nicht ganz einig, ob es der achtundzwanzigste, der neunundzwanzigste, oder doch gar schon der dreißigste ist, aber der extra für diesen Freudentag reservierte Sekt schmeckt so oder so hervorragend. Obwohl ein Grog oder Glühwein bei diesen Temperaturen sicher passender gewesen wäre…


Weitere Impressionen des Tages:


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Tylecodon-Nachwuchs
Tylecodon reticulatus
Tylecodon paniculatus










Samenstände Hoodia sp.
Monsonia sp.
Crassula deltoidae










Blüten Tylecodon paniculatus
Tylecodon paniculatus
Cephalophyllum sp.










Tanquana prismatica
Drosanthemum sp.
Flechten










Tanquana prismatica
Tanquana prismatica
Tanquana prismatica










Wir können leider...
... nicht immer alles ...
... identifizieren.










Es folgt:
Grandiose Landschaft ...
... zum drin Versinken!











































































Colius colius
Cordylus sp.
Potjiekos ...










Es wird kalt im Lager
Prost zum Hochzeitstag ...
... mit kaltem Sekt!










Colius colius

Kameramontage
Tyl. wallichii

1. Oktober 2014; Tankwa Karoo NP > Vanrhynsdorp; Caravan Park

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Auch heute Nacht war es wieder zapfig kalt. Doch wir lagen fest eingemummt in unseren Zelten und haben sehr gut geschlafen. Eigentlich. Denn ein paar Mal wurde unsere Ruhe durch ein extrem seltsames, durchdringendes Geräusch gestört: in meinen Ohren klang es wie das schneidend-vibrierende Summen eines langen Glasfaserkabels, das durch die Luft sirrt und, wie beim bayrischen Goaßlschnalzen, ein abruptes Ende findet, allerdings ohne den charakteristisch schnalzenden Knall. Gestern Nacht hatte ich dieses eigenartige, fremd anmutende Geräusch auch schon vernommen, und beim Frühstück davon erzählt. Keiner wußte, was ich meinte. Heute Nacht aber haben wir alle es gehört! Was könnte das gewesen sein? Am wahrscheinlichsten ist wohl ein Vogel, eine Nachtschwalbe. Klären werden wir das nicht können, doch der sirrende Ton hallt uns lange in den Ohren nach und macht die vergangene Nacht zu einer besonders mystischen: wenn man durch ein derartiges Geräusch aus tiefem Schlaf erwacht, nimmt man es in völlig anderer Art und Weise wahr, als man das in hellwachem Zustand tun würde. Es bettet sich in Träume ein, gleichzeitig ranken sich Träume um das Geräusch und man ist völlig weggetreten, obwohl man sich bei vollem Bewusstsein wähnt. Ein spannender Zustand, ein abenteuerliches Erleben!

Spannend jedoch ist auch, was sich nächtens wirklich getan hat, was unsere Kameras aufgezeichnet haben. Heinz schält sich aus seinem Schlafsack und spurtet voller Erwartung sofort los, während wir anderen inzwischen den Frühstückstisch decken und versuchen, die ersten Sonnenstrahlen einzufangen, die zögerliche Wärme zu tanken. Immer noch reichlich verfroren sitzen wir bereits am Tisch und schlürfen heißen Kaffee, als Heinz wiederkehrt und, durch den ausgiebigen Marsch schön aufgewärmt, die Kameras mitbringt. Beide haben mehrmals ausgelöst! Aufgeregt durchforstet Heinz die aufgezeichneten Bildsequenzen und ist begeistert: zum ersten Mal - seit drei Jahren - ist da was Erkennbares drauf! Ein paar Vögel, eine Fuchsmanguste, ein Böckchen, ein schwirrendes Insekt, das im Licht der LEDs einen gefächerten, gleißend-hellen Lichtbogen hinterlassen hat. Wahrlich nichts Spektakuläres - aber dennoch endlich - ETWAS! Heinz vergisst vor lauter Begeisterung fast zu frühstücken, und auch wir sind fasziniert von den Bildern. Was sich da alles tut, um uns herum, wenn wir schlafen! Jeder ahnt es, jeder weiß es, keiner sieht es. Doch heute Nacht konnten wir zumindest ein paar Eindrücke einfangen und uns nun daran erfreuen. Und unser Urlaub hat ja auch gerade erst richtig angefangen - es besteht also durchaus Hoffnung auf mehr!

Einsame Oryx
Tylecodon paniculatus
Tylecodon wallichii










Im Tylecodon-Tal
Wohin das Auge blickt:
spannende Pflanzen










In diesem spannenden Bewusstsein beenden wir unser Frühstück, packen, verschließen sorgfältig alle Türen und liefern zu guter Letzt unseren Schlüssel im Büro ab, bevor wir zu neuen, alten Zielen aufbrechen. Als erstes ist der Tylecodon-Wald an der Reihe, der am Fuße des Gannaga-Passes liegt. Wir informieren Ute, dass es etwas länger dauern könnte und schwärmen aus. Ute schraubt sich sofort bergauf, während wir, wie sollte es auch anders sein, bereits nach wenigen Schritten in die Hocke gehen. Die Vegetation ist zwar weit vom einem „Blütenmeer“ entfernt, zeigt sich aber trotzdem um vieles üppiger als letztes Jahr. Es grünt und blüht, die Tylecodons leuchten in der Sonne und wir entdecken permanent etwas Neues, aber auch Bekanntes, was wir in einem derart grünen Zustand noch nie gesehen haben. Nicht alles sind hierbei Sukkulenten, doch das tut unserer Freude keinen Abbruch. In dieser Freude verlieren sich Heinz, Annette und Jochen allmählich und schwelgend im Gelände, ich hingegen spurte kurz noch mal zum Auto, weil ich vergessen hatte, meine Knieschoner anzulegen. Gerade klette ich die Polster fest und will wieder losstürmen, als ein Auto neben mir hält. Der Fahrer, ein älterer, recht kerniger Herr, erkundigt sich besorgt, ob alles in Ordnung sei. Ja, Dank der Nachfrage! Wirklich? Mit scheelem Blick beäugt er meine Knieschoner. Erst, als ich ihm hoch und heilig schwöre, dass alles Okay sei und erkläre, warum ich diese seltamen Kniedinger trage, ist er beruhigt. „Ah, Sie haben Interesse an Pflanzen! Ich bin Farmer und kann Ihnen da einiges zeigen!“ Spricht’s und springt aus dem Wagen. „Folgen Sie mir!“ Er steuert ins Gelände und hebt mit seinen Erklärungen an, die mich fast zum Kichern bringen, weil sie so anders sind, als ich erwartet hätte. Er kennt zwar wirklich viele Gewächse, kann aber kein einziges bei seinem wirklichen Namen nennen, sondern hat nur Schimpfworte parat. Formulierungen wie Unkraut und Gestrüpp sind hierbei noch die freundlichsten, Pferdemörder und Schwiegermuttergift die weniger charmanten. In seinen Farmersaugen ist einfach alles, was hier wächst, unnütz und eine Plage.

Eriocephalus microphyllus
Pteronia divaricata
Phyllobolus nitidus










Eine Weile höre ich mir sein schimpfendes Dozieren an, dann aber versuche ich ihn über meine Sichtweise aufzuklären. Das kommt gar nicht gut an. „Sie kennen auch noch die Namen von dem ganzen Zeug?! Dabei muss man doch nur wissen, wie man es los wird!“ Verständnis- bis fassungslos mustert er mich von oben bis unten, lüftet kurz seinen Hut und hat es plötzlich verdächtig eilig. Amüsiert sehe ich der Staubwolke hinterher, die er bei seinem Kavaliersstart hinterlässt und staune kopfschüttelnd, wie unterschiedlich Menschen Dinge sehen können. Natürlich kann ich seine landwirtschaftlich geprägte Kategorisierung in Ansätzen nachvollziehen, trotzdem aber finde ich es extrem schade, dass er so gar keinen Draht zur wundervollen Vegetation seines Landes hat. Auch meine Freunde, denen ich bei ihrer Rückkehr von meiner Begegnung erzähle, staunen nicht schlecht über die rigorose Sicht des Farmers, noch mehr aber über seine Unhöflichkeit, mich grußlos und alleine inmitten des wuchernden „Unkrauts“ stehen zu lassen. Tja, so etwas ist mir im südlichen Afrika auch noch nicht passiert! Höchstens mal, in ähnlicher Form, bei einer heißen Diskussion mit einem unbelehrbaren Großwildjäger in Tansania...

Stachys aurea
Microloma sagittatum
Aptosimum indivisum










Uns wundernd, klettern wir in unsere Autos und fangen dann Ute weit, weit oben wieder ein. Bald jedoch müssen wir erneut anhalten, um die Aussicht vom Gannaga-Pass zu genießen, kurz darauf abermals, weil plötzlich ein ganzes Feld roter Gladiolen vor uns liegt und drei Kilometer später schon wieder, da Heinz eine besondere Aloe erspäht hat. Dabei passieren wir, ganz nebenbei, das schreckliche Lodge-Gebäude, das mich auf der letzten Tour so unangenehm berührt hatte. Heuer finde ich es zwar immer noch nicht sonderlich einladend, doch lange nicht mehr so abstoßend - was sicher der reichlich blühenden Pflanzenwelt zuzuschreiben ist. Und die ist heuer so üppig, dass ich auf der weiteren Strecke nicht mal die altbekannten Probleme mit dem nicht endenwollenden Hochplateau bekomme! Alle naslang taucht ein neues Pölsterchen, ein neues Pflänzchen vor uns auf, und Heinz und ich würden am liebsten zu Fuß weitergehen, um nur ja nichts zu verpassen.

Blick vom Gannaga-Pass
Farbmalereien
Blick vom Gannaga-Pass










Doch das geht natürlich nicht, denn es liegt erstens noch einiges an Tagesstrecke vor uns und, zweitens, dürfen wir die Geduld unserer Mitreisenden nicht überstrapazieren, so schwer es auch fällt. Den einen oder anderen Blumenstopp aber schinden wir schon noch raus. Zum Beispiel da, wo die R354 auf die R355 trifft. Dort, am Fuße der Hantamberge, die für ihren Reichtum an Zwiebelgewächsen bekannt sind, werden wir auch direkt neben der Straße fündig! Verführt durch üppig und in allen Rosa-Violett-Tönen blühende Mittagsblumenpolster, leiern wir unseren Mitreisenden, die sich dem Geblühe ebenfalls nicht abgeneigt zeigen, einen weiteren Halt aus den Rippen, schwärmen aus und entdecken dabei pflanzliche Kleinodien im Bankett, die man hier, im Kiesstreifen einer Verkehrsstraße, eher nicht vermuten würde: zum Beispiel eine Lachenalia zebrina forma zebrina!

Drosanthemum sp.
Aridaria noctiflora
Ornithogalum conicum
ssp. strictum










Aloe variegata
Lachenalia zebrina
forma zebrina


Sutherlandia
frutescens
Lachenalia zebrina
forma zebrina
















Manch ein Zwiebelliebhaber sucht sein Leben lang nach einem wild wachsenden Exemplar und wird nicht fündig - neben uns, direkt zu unseren Füßen jedoch, gedeihen mehrere stattliche Exemplare dieses aufregenden Hyazinthengewächses. Natürlich erregt das wieder mal niemanden außer uns... Aber schee sans, so schee scho, de Pflanzl - wie der Bayer sagt; ein schwungvoll gebogenes Blatt in undefinierbarem Grün, auf dem sich ziegel- bis burgunderrote Muster in einer eigenen Kreationsmischung aus Zebra- und Tigerstreifen darbieten. Auch die Blütenstände, die mit ihren blass grüngelben oder rosa überhauchten Glöckchen beinahe gegen die spektakulären Blätter abkacken, gefallen Heinz und mir ausnehmend gut. Doch die Lachenalias sind nicht die einzigen Pflanzen, die hier gedeihen. Überall wuchern Mittagsblumen mit Blüten in allen Farbabstufungen zwischen weiß und violett, dazwischen recken Gazanien ihre gelbbraunen Köpfchen plakativ gen Himmel und so manch andere Asterngewächse sind ebenfalls zu finden. Entzückt sausen wir herum, honigsammelnden Bienen gleich, von einer Pflanze zur anderen. Nebenbei pflücke ich noch hier und da eine Samenkapsel von den diversen Mesembs ab, in der Hoffnung, sie heute Abend genauer unter die Lupe nehmen zu können.

Formschöne Berge
Wir nähern uns
den Hantam-Bergen
Marlboro Country










Nach einer sehr interessanten halben Stunde schließlich setzen wir unseren Weg fort, biegen auf die R355 Richtung Calvinia ab - und kommen nicht mal fünf Kilometer weit, als wir schon wieder halten müssen. Eine riesige, armdicke Puffotter liegt mitten auf der Straße! Jochen fährt einen eleganten, reifenquietschenden Bogen um das Reptil, sucht nach einer passenden Gelegenheit zum Wenden, während ich per Walkietalkie die weit hinter uns fahrenden Annette und Ute anfunke. „Was? Ne Puffotter? Wo? Wir sehen nix!“ Wir drehen, fahren zurück, begegnen den beiden ratlosen Frauen - und sehen auch nichts mehr. Schade! Aber gut für die Giftschlange: wir hatten gedacht, sie sei angefahren worden und tot oder zumindest schwer verletzt. Doch offenbar wollte sie, quicklebendig, lediglich die Teerstraße überqueren und hat sich mittlerweile völlig unversehrt aus dem Staub gemacht. Wir freuen uns für das Riesenreptil, obwohl wir es natürlich gerne von Nahem gesehen hätten.

Doch Entschädigung für die entgangene Sichtung naht: kaum sind wir wieder losgefahren, legt Jochen die nächste Vollbremsung hin, denn er hat einen kleinen Schwarm auffällig gefärbter Vögel entdeckt. Männliche Oryxweber in vollem Balz-Ornat! Normalerweise gleichen diese Vögel normalen Haussperlingen, aber zur Balzzeit wechseln die Männchen ihr Erscheinungsbild, und aus den eher unscheinbaren Tieren werden leuchtend orangerote Federbälle mit tiefschwarzer Brust und Gesichtsmaske. Jochen und Heinz sind ganz aufgeregt - die Oryxweber allerdings auch. Unruhig flattern sie von Zaunpfahl zu Zaunpfahl, immer weiter weg von uns, der Reichweite unserer Zooms und der Ferngläser. Dennoch können wir sie eine ganze Weile recht gut beobachten und freuen uns über diese schöne Sichtung. Annette jedoch entwickelt allmählich eine ähnliche Unruhe wie die Weber - besser gesagt, sie wird ungeduldig. „Was ist denn jetzt schon wieder?“, quäkt es entnervt aus dem Walkietalkie. „Oryxweber!“ „Meine Güte! Ich fahre jetzt mal vor und wir treffen uns in Calvinia. Herrschaften, wir müssen noch einkaufen!“ Ja, ist ja gut! Aber die bunten Weber sind nun ohnehin entschwunden, also klettern wir wieder ins Auto, holen Annette und Ute rasch ein, überholen sie und trudeln bald darauf in Calvinia ein. Zielstrebig kurven wir zum (einzigen) Supermarkt, den wir ja schon von unserer letzten Tour her kennen und nehmen die übliche Aufgabenverteilung vor. Annette und Jochen gehen einkaufen und wir bewachen die Autos. Bah, dieses Gebettel vor dem Laden ist echt nervig! Noch nerviger aber ist, dass wir die beiden Wagen auf allen Seiten im Auge behalten müssen, denn es passiert immer wieder, dass abgewiesene Bettler ihren Frust mit einem Messer an den Reifen der reichen weißen Geizkrägen auslassen. Nein, das ist nicht überall so, aber gerade in kleineren Städten, die weit und breit die einzige Einkaufsmöglichkeit bieten, leider nicht unüblich. Also patroullieren wir um unsere Land Rover herum und lassen sie nicht aus den Augen. Gottseidank geben Annette und Jochen beim Einkaufen Gas und wir müssen nur eine dreiviertel Stunde einen auf Wachhund machen - eine Aufgabe, die ich wahrlich nicht sonderlich mag. Aber immer noch besser, als selbst einkaufen zu müssen...

Als unsere Freunde nun schwer beladen aus den Tiefen des Supermarkts wieder auftauchen, muss alles im Laderaum verstaut werden. Alle packen mit an - nur ich mache mich kurz aus dem Staub: mich nervt nämlich das Chaos im Auto, speziell hinten, auf dem freien Platz auf dem Rücksitz. Alles wird nur nach hinten gepfeffert, wandert dann beim Fahren und verschwindet unter den Vordersitzen oder fällt beim Türöffnen aus dem Wagen. Das muss anders werden! Zu diesem Behufe organisiere ich jetzt im Supermarkt einen geeigneten Pappkarton, der genau auf den Rücksitz passt, deshalb auch nicht rutschen kann, und instruiere meine „Nach-hinten-Pfefferer“ über unseren neuen Mitreisenden. Jochen ist von derartigen Maßnahmen in der Regel wenig begeistert, aber im Laufe unserer Tour freundet er sich sehr eng mit dem Karton, das Büro genannt, an. Fragen der oft und gern gestellten Art „Wo iss’n..“" oder „Hast du das und das irgendwo gesehen?“ werden fortan prompt und wahrheitsgemäß von mir, der Herrin des Kartons, beantwortet: „Im Büro!“ Geht doch!

Das hätten wir also. Jetzt aber stehen weitere Pflichten an, zu deren Erledigung wir uns kurz aufteilen: Annette und Ute fahren Getränke kaufen, während Jochen, Heinz und ich die nächste Tankstelle ansteuern, um unseren Wassertank im Landy aufzufüllen. Letztes Jahr nämlich hatte sich Jochen verweigert, rechtzeitig Wasser aufzunehmen, sodass wir schließlich genötigt waren, am Gate des Namaqua NPs mit natronhaltiger Brühe nachzufüllen. Bäh, damit war der Morgenkaffee alles andere als ein Genuss! Einer Wiederholung dieses Zustandes beugen wir nun vor - darauf hatte ich bestanden, und war erstaunlicherweise nicht auf Gegenwehr gestoßen... Anschließend warten wir auf Annette und Ute, deren Auto auch noch befüllt wird, während ich die Scheiben unserer Gefährte auf Hochglanz bringe. So, alles erledigt, wir können endlich weiter! Weiter Richtung Vanrhynsdorp, wo wir unser heutiges Nachtquartier aufschlagen werden.

Blick vom Van Rhyns Pass
Blick vom Van Rhyns Pass
Die Passstraße










Es geht hinunter über den Van Rhyns Pass, von dem wir heuer eine ungetrübte und großartige Aussicht auf die weiten, darunterliegenden Ebenen haben und dann ist es nicht mehr weit. Am späten Nachmittag treffen wir im Caravan Park ein, werden, wie auch letztes Jahr schon, von freundlichen Hunden empfangen und checken ein. Aber, holla die Waldfee, wir dürfen diesmal auf das offizielle Campinggelände, müssen uns nicht auf dubioses Nebenterrain quetschen und auch nicht mit der retardierten Schnapsdrossel von 2013 rumschlagen. Zufrieden kurven wir auf den uns gezeigten Platz, grüßen dabei diverse neugierig schauende, ebenfalls campende Einheimische und lassen uns mitsamt unserem Krempel am östlichen Ende des Areals nieder. Mhm, ein wenig merkwürdig mutet dieser Caravanpark trotz fehlender Schnapsdrossel und offiziellem Stellplatz auch diesmal an - fast, als würde man als Fremder auf einer Dauercampe am Rheinufer einlaufen... Doch von Flussufer ist hier weit und breit nichts zu sehen - was also tun die alle hier?! Egal, Hauptsache wir haben ein Plätzchen für die Nacht und können uns wohl und sicher fühlen! Vertrauensvoll akkomodieren wir uns und nutzen dann den Rest des Tages zum Rumlungern, Waschen, Duschen, Kochen, Trinken, Lesen, Schauen und was man halt sonst noch tun möchte. Während Heinz zum Beispiel einigen nestbauenden Webervögeln auf der Spur ist, packe ich meine prä-calvinianischen Mittagsblumenkapseln aus und schreite zu deren Bestimmung.

Im Camp
Maskenweber beim Nestbau
Stolzer Hausbesitzer










Zuerst lege ich die Kapseln auf dem Tisch aus, stelle ein Schüsselchen Wasser dazu und zücke dann mein selbst gemachtes Mesemb-Buch, das sich jetzt erstmals in der Praxis bewähren muss. Mann, bin ich gespannt! Zur Erklärung: letztes Jahr hatte Heinz ein 400 Seiten starkes Mittagsblumen-Buch gekauft, das mich zunächst sehr begeisterte. Im Zuge meiner Bestimmungsarbeiten aber entdeckte ich diverse Schwächen in puncto Aufmachung und Übersichtlichkeit. Diese wollte ich ausmerzen, indem ich begleitende Tabellen vorbereitete, die Aufschluss über Verbreitungsgebiete und Kammernanzahl der Kapseln geben sollten. Ach, und Blütenfarbe und Blütezeit wären auch noch wichtig... Mhm, was will ich im Feld mit Kulturhinweisen? Je tiefer ich in das Buch einstieg, desto unpraktischer fand ich es. Das Ende vom Lied war, dass ich das gesamte Werk scannte, alle Texte nach meinem Gusto editierte, ein neues Layout strickte, so weit wie möglich eigene Bilder einband und ein Farb- und Symbol-Leitsystem integrierte, das auf den ersten Blick zeigte, wann, wo und in welchen Farben eine bestimmte Pflanze blüht und wie viele Kammern die jeweilige Samenkapsel hat. Diese wichtigen Informationen erfasste ich anschließend auch in tabellarischer Form und sortierte diese nach unterschiedlichen Kriterien: Kammernanzahl, Verbreitungsgebiet, Gruppenzugehörigkeit. Im Appendix noch ein botanisches Wörterbuch „Englisch-Deutsch“ zur Erklärung der unzähligen, recht kryptischen Fachbegriffe - und fertig war meine eigene, semi-legale, 200-seitige Mesemb-Bibel, die nun meine Recherche-Arbeit erleichtern soll. Also los!

Ich öffne also die entsprechende Verbreitungstabelle, zähle Kammern, schlage im Beschreibungsteil nach und grenze so meine Funde bestimmungstechnisch rasch ein. Geil, es funktioniert hervorragend! Nun geht es an die Feinbestimmung, deren Schlüssel die Konstruktion der einzelnen Kapseln ist. Die aber sieht man nur, wenn sie sich bei Befeuchtung öffnen. Deshalb das Wasserschüsselchen. Also tunke ich eifrig und warte gespannt. Doch jetzt geschieht etwas, womit ich nicht gerechnet hatte - nämlich nix! Keine der Kapseln öffnet sich, nicht eine einzige. Shit! Offenbar sind wir zur falschen Zeit hier: die Samenstände der letzten Saison sind schon zu alt und die neuen noch nicht reif genug. Schade, schade, schade! Dennoch bin ich hochzufrieden mit der Funktionalität meines Buches, lege es stolz und glücklich zur Seite, entsorge die widerspenstigen Samenstände und lehne mich entspannt zurück. Die doch nicht ganz unbeträchtliche Arbeit für das Buch hat sich wirklich gelohnt! Inzwischen ist übrigens auch Ute auf mein Werk aufmerksam geworden und blättert es interessiert durch. „Das hast du selbst gemacht? Wahnsinn! Ein irrer Aufwand und sehr professionell! Unglaublich!“ Ich freue mich sehr über ihre Komplimente, noch mehr aber darüber, dass für Ute nun wieder ein Mosaiksteinchen hinzugekommen ist, das ihr zeigt, wie ernst es uns mit dieser Thematik ist, wie heftig wir unser Herz an sukkulente Pflanzen verloren haben. Und das kann nicht schaden, gerade im Hinblick darauf, dass wir morgen einen ausgedehnten Ausflug in die Knersvlakte vorhaben - botanisches Hard-Core-Gebiet vom Feinsten! In diesem vorfreudigen Bewusstsein verfliegt im Nu ein vergnüglicher, entspannter Nachmittag und wir genießen im Anschluss daran einen Abend in zivilisiertem Campingplatz-Ambiente, frisch geduscht, sattgegessen und flankiert von einigen Hunden, die uns und unseren Essensresten äußerst zugetan sind...



Weitere Impressionen des Tages:

Im Tylecodon-Tal
Grüner Hüpfer
Euphorbiental im Tankwa










Eriocephalus microphyllus
Sutherlandia frutescens
Aridaria noctiflora










Aridaria noctiflora
Phyllobolus nitidus
Malephora crassa










Crassula tomentosa
Antimima hantamensis











Antimima hantamensis

Anisodontea bryoniifolia











Phyllobolus nitidus
Prenia pallens
Malephora sp.










Crassula expansa
Anisodontea anomala
Anisodontea bryoniifolia










Albuca longipes
Ornithogalum conicum
ssp. strictum
Moraea minimata










Felicia dregei
Leysera gnaphalodes
Ursinia pilifera










Gazania sp.
Gazania sp.
Arctotheca calendula










Gazania sp.
Felicia sp.
Gazania sp.










Fahrt übers Land
Van Rhyns Pass
Maskenweber










Calvinia
Calvinia
Es blüht am Straßenrand!










Tylecodon
paniculatus
Aridaria
noctiflora
Stachys aurea
Lachenalia zebrina
forma zebrina

2. Oktober 2014; Vanrhynsdorp > Knersvlakte > Namaqua Nationalpark, Koringkorrel Baai

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Knersvlakte, wir kommen! Nach dem Aufstehen, Frühstücken und Packen geht es los, 20 Kilometer in nördliche Richtung. Eine halbe Stunde später kommen wir an der Knersvlakte Spens an und stehen, wie letztes Jahr auch schon, mal wieder vor verschlossenen Toren. Doch man hat uns vorfahren gehört: eine Dame eilt aus dem Haus, nimmt unsere Anwesenheit zur Kenntnis und unser Eintrittsgeld entgegen. Und nein, ihr Mann, Buys Wiese, sei nicht zuhause. Das ist schade, denn ich hätte noch einige Fragen bezüglich der Knersvlakte und deren Schutz beziehungsweise der Finanzierung des Schutzgebietes an ihn gehabt und mich auch, einfach nur so, gerne mit dem netten Herrn unterhalten. Seine Gattin hingegen ist derart kurz angebunden, dass ich meine Fragen gleich wieder runterschlucke. Na ja, die Quarzebenen lassen sich auch ohne diese Informationen hervorragend erkunden. Rasch verabschieden wir uns deshalb von Frau Wiese und holpern den kurzen Feldweg bis zum Eingang zur Knersvlakte, wo wir dann voller Vorfreude losstürmen.

Typische Quarzfläche
Die Ebenen der Knersvlakte
Beim Botanisieren










Mei, ist das schön, all die alten Bekannten, sprich Pflanzen, wiederzusehen. Leider ist zwar auch heuer kein Blütenmeer in Sicht, dafür sind wir einfach zu spät dran, aber trotzdem gibt es viel zu entdecken. Viele Pflanzen, die letztes Jahr schon „geschlafen“ hatten, also bis auf kaum sichtbare Reste auf Bodenniveau eingeschrumpelt waren, strotzen heuer prall, frisch und in den schönsten Farben. Da ist zum Beispiel Oophytum nanum, dessen zweigeteilte Blätter in allen Rottönen leuchten, winzige Tylecodons mit braunroter Belaubung, Argyroderma delaetii in pastelligem Mintgrün und appetitlichem Apricot und etwas, was wir auf unserer letzten Tour gar nicht gesehen hatten: Dactylopsis digitata. Diese Mittagsblumengewächse, die etwa zehn bis fünfzehn Zentimeter hoch werden und, by the way, gerade auch nur vereinzelt blühen, haben fingerförmige, zweigeteilte Blätter, die sich wie dicke grüne Würmer gen Himmel recken. Und diese Blätter haben ihnen auch ihren Trivialnamen eingebracht: Dead Man Fingers Plants oder Tote Finger-Pflanzen.

Dactylopsis digitata
... oder Dead Man Finger Plant
... oder Buabaschwänzle...










Wir entdecken ganz viele dieser Dactylopsis-Polster, und jedes wartet erstaunlicherweise mit einer anderen Blattform auf. Da sind Spinnenfinger, Wurstfinger, Gichtfinger und Pianistenfinger, aber auch welche, man verzeihe mir diesen Ausdruck, die eher an einen Knabenpenis mit den dazugehörigen „Klötchen“ erinnern. Natürlich kann ich mir einen pädophilen Griff ans pflanzliche Gemächt nicht verkneifen: ein quiekender Schrei, schwankend zwischen ertapptem Erschrecken und überraschtem Entzücken, entfährt mir. Die Finger, die so prall aussehen, fühlen sich tatsächlich an wie des Mannes bestes Stück in erschlafftem Zustand. Wie kommt man denn da auf Dead Man Fingers? Von Leichenstarre keine Spur, knochig ist auch nichts und Gelenke sind erst recht nicht zu ertasten. Doch vor dem einzig wirklich beschreibenden Namen schreckt in diesem Falle wohl sogar der abgebrühteste Trivialbotaniker zurück - Buabaschwänzle. Aber in der wissenschaftlichen Fraktion könnte man wenigstens was tun. Wie wäre es denn zum Beispiel mit einer Umbenennung auf Priapophyllus puttoensis? Nein, pfui, Frau Schneider, du schweifst schon wieder ab...

Monilaria moniliformis
Argyroderma delaetii
Conophytum calculus










Conophytum sp.
Conophytum subfenestratum
Oophytum oviforme










Ich klopfe mir auf meine durchaus lebendigen Finger, reiße mich von den Knabengemächten los und durchstreife mit Heinz weiter das Gelände, das immer wieder Neues zu bieten hat. Dabei stellen wir fest, dass wir unsere Freunde eine ganze Weile schon nicht mehr gesehen haben. Ein Blick in die Runde bestätigt unsere geheimen Befürchtungen: die Drei sind bereits wieder auf dem Rückweg. Doch solange uns keiner zurückpfeift, kosten wir die sich darbietenden Schätze dieser einzigartigen Quarzebenen in vollen Zügen aus, schlagen dabei jedoch vorsichtshalber ebenfalls den Weg zurück zum Parkplatz ein - natürlich großzügig zickzackend und mäandernd. Vielleicht etwas zu großzügig. Denn als wir uns, zumindest in der Luftlinie, dem Gate bereits auf fünfhundert Meter genähert haben, kommt uns Jochen ungeduldig entgegengesprungen. Mit einem Blick auf seine imaginäre Armbanduhr fordert er uns mehr als eindeutig zur Beeilung auf. Halbherzig nicken wir ihm zu und er dreht daraufhin zufrieden ab. Wir aber sinken, kaum dass er uns den Rücken zugewendet hat, wieder auf die Knie, denn da sitzt eine wunderschöne, bunte Heuschrecke auf dem Weg. Und, ach ja, da hinten, da hatten wir doch vorhin noch etwas Rotes leuchten sehen. Es ist zum Verrücktwerden - für beide Seiten. Heinz und ich können uns einfach nicht sattsehen, die anderen hingegen drehen am Rad, weil wir beide kein Ende finden. Als wir nach insgesamt vier Stunden schließlich doch am Parkplatz eintrudeln, herrscht leicht genervte Stimmung, die Heinz und ich aber nonchalant beiseite ignorieren und uns stattdessen ablenkend nach den Erlebnissen unserer Freunde erkundigen. Nun, der Bär hat unterhaltungstechnisch wohl nicht gesteppt, doch Annette und Ute hatten zumindest ein Event der dritten Art: sie suchten die Toilette beim Schattendach auf, Ute drin, Annette noch draußen, als auf einmal gruselige Grunz- und Keuchgeräusche aus den Tiefen der Grube ertönten. Ute zog sich die Hose ganz schnell wieder hoch und die beiden ergriffen unverrichteter Dinge die Flucht. Na ja, immerhin hat sich nicht nur für unser Empfinden etwas Spannendes ereignet...

Gut getarnt ...
... und kaum zu sehen!
Das Gegenteil - Prachtfarben










Jetzt aber sind wir alle wieder im selben Interessen-Slot vereinigt; wir packen uns in die Autos und machen uns auf zum Namaqua NP - altbekannter Weg, neues Glück! Kurz nach Bitterfontein verlassen wir die N7, biegen ab Richtung Westen, durchfahren staubiges Farmland, durchqueren das Tal des Groen River, machen kurz Pause und tuckern weiter; nicht gerade prickelnd. Doch: das Meer ist schon fast in Sicht, als sich zu unserer Linken plötzlich ein Raubvogel herabstürzt, nach Beute greifend, und sich mit einer Schlange in den Fängen wieder in die Lüfte erhebt. Das Reptil allerdings windet und wehrt sich so heftig, dass es dem Greif wieder entgleitet und er ohne Beute weiterschwebt. Wie gebannt beobachten wir das Geschehen und hoffen auf eine Rückkehr des Adlers. Aber der entschwindet, ohne sich noch einmal umzusehen, weder nach der Schlange, noch nach uns. Blöder Vogel! So aber kommen wir wenigstens wieder ein Stück vorwärts und erreichen eine halbe Stunde später das Gate des Namaqua NP. Und bis auf Ute stürmen wir alle das Office, denn wir möchten natürlich wissen, was aus dem Kapfuchs geworden ist, von dem uns die Rangerin letztes Jahr erzählt hatte. Wir haben Glück: die betreffende Dame steht wie auf Bestellung hinter der Empfangstheke und informiert uns sofort umfassend in Wort und Bild. Jakkals, der Kapfuchs, den sie mit der Hand aufgezogen hatte und der ihr auch als fast Erwachsener noch regelmäßig Besuche abstattete, ist mittlerweile in einer festen Partnerschaft mit einer wilden Füchsin, lässt sich jedoch immer noch sporadisch blicken. Das freut uns sehr! Auch dass wir die ganzen Bilder nochmal anschauen dürfen, auf denen die Entwicklung des kleinen Pelzwuschels liebevoll dokumentiert wurde. Ach, ist das herzig - und eine echte Erfolgsgeschichte für eine gelungene Auswilderung. Kaum zu glauben, wenn man den kleinen Jakkals auf dem Sofa, eingepackt in eine Fleecedecke, den Kopf auf dem Oberschenkel der Rangerin, so kuscheln sieht! Erfreut räumen wir das Office, um den nötigen Anmeldeformalitäten, die Annette ja trotz aller Wiedersehensfreude noch tätigen muss, nicht länger im Wege zu stehen und sehen uns stattdessen draußen um. Heinz entdeckt dabei ein paar Prachtfinken und jagt den scheuen Vögeln hinterher, ich hingegen inspiziere die Botanik und Jochen kümmert sich währenddessen um den Luftdruck unserer Reifen - Tiefsand voraus!

Vergehende Blütenpracht
Der Greif mit seiner Beute
Am Gate zum NNP










Nach einer kurzweiligen halben Stunde ist alles gesehen und erledigt und wir nehmen nun die Strecke zu unserer gebuchten Campsite in Angriff, die zwar definitiv sandig ist, heuer aber keinerlei Tiefsandpassagen bereithält. Das ermöglicht uns, jederzeit und überall problemlos anhalten zu können; ein Umstand, von dem wir regen Gebrauch machen. Schließlich müssen wir all unsere pflanzlichen Bekannten begrüßen und gründlich unter die Lupe nehmen. Und sie sind alle da! Heinz und ich haben nichts vergessen, finden wie ferngesteuert zu den besonderen Plätzen, die uns letztes Jahr so begeistert hatten und uns auch heuer nicht enttäuschen: hier das Killerflechtenfeld in orangefarbener Pracht, da die üppigen Crassula-barklyi-Pölsterchen, dort die ehemals fluffigen Pteronias, die heuer gerade am Abblühen sind, da drüben - uih, was ist das? Ein knallrot-wogendes Blütenfeld schiebt sich in unser Blickfeld: Babianas! Diese augenfällig blühenden Schwertliliengewächse hatten sich letztes Jahr in dieser Form nicht gezeigt. Wieder halten wir an, um die Babianas zu bewundern und entdecken dabei noch ganz andere Blühgewächse, die man vom Auto aus nicht mal erahnen konnte: zartblaue Moraeas, elfenbeinfarbene Conicosias und fragile Dischimas mit winzigen, orchideenartigen Blüten. Leider können wir uns den bunten Schönheiten nicht in aller Ausgiebigkeit widmen, denn unsere Freunde legen schon wieder eine gewisse Ungeduld an den Tag. Jaja, ist ja gut, wir kommen!

Erster Blick aufs Meer
Babiana hirsuta
Sukkulentenidyll mit Ozean










Heinz und ich sind zwar nicht gerade begeistert, können die anderen aber durchaus verstehen: sie wollen einfach endlich das Meer, sprich unsere Campsite, erreichen und in maritimer Umgebung ihre Seele baumeln lassen. Meer, Strand und Wasser an den Füßen punkten leider mal wieder mehr als windig-trockene Ebenen mit schnöden Pflanzen - und Sand im Gesicht. Seufz! Doch es ist ja nicht aller Tage Abend und morgen haben wir sicher mehr Zeit und Muße, die örtliche Botanik in Augenschein zu nehmen. Gönnen wir also unseren strandaffinen Mitreisenden ihr Meeresglück! Brav steigen wir wieder ins Auto und juckeln weiter Richtung Campsite. Doch bereits nach wenigen Kilometern müssen wir erneut stoppen. Schuld sind diesmal nicht Heinz und ich, sondern eine stattliche Puffotter, die vor unserem Wagen die Pad überquert! Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen - eine leibhaftige Puffotter in Aktion und aus der Nähe! Wir verlassen die Autos und folgen der Schlange, selbstverständlich in gebührlichem Abstand. Sie ist eine echte Schönheit: makellose Schuppen zeichnen ein hübsches Muster in unterschiedlichen Brauntönen, unter dem sich mächtige Muskelstränge präzise bewegen, der Kopf ist ziemlich massig, die Augen blitzen lebendig und sehen doch irgendwie tot aus, die schmale, gespaltene Zunge züngelt eifrig und der armdicke Körper windet sich fast lautlos über den dicht bewachsenen Boden. Wir sind fasziniert und beobachten das beeindruckende Reptil, bis es in einem filzigen Gestrüpp verschwindet und wir es aus den Augen verlieren. Nun ist es wohl besser, wieder in die schützenden Autos zu klettern, denn eine Schlange, die man nicht mehr orten kann, ist uns nicht geheuer. Vorsichtig staksen wir also zum Fahrweg zurück, starten erneut und erreichen bald darauf ohne weitere Zwischenfälle die so schmerzlich herbeigesehnte Campsite nebst pittoreskem Ozean und ohrenschmeichelnder Brandung.

Puffotter
Unsere Campsite
Koringkorrel Baai










Wie auch schon letztes Jahr sind wir heuer wieder die einzigen Camper an der Koringkorrel Baai, was uns zutiefst erfreut. Dennoch wurde uns natürlich eine bestimmte Site zugewiesen (unser Wunschplatz direkt oberhalb des Strandes) und dort lassen wir uns jetzt häuslich nieder. Der Platz ist großzügig geschnitten, jeder findet sein Plätzchen, wenngleich Ute sich etwas benachteiligt sieht: Annette und Jochen schlagen ihr Zelt wie selbstverständlich da auf, wo es schon letztes Jahr stand, Heinz und ich okkupieren ebenfalls unseren „alten“ Platz und Ute hat, in ihren Augen, die Nachsicht. Bah, ist das kompliziert - und das mit nur einer Person mehr an Bord: keiner mag, bei diesem Platzangebot, zu nahe bei den anderen sein Zelt errichten, der eine hat einen leichten Schlaf, der andere schnarcht wie blöd, dem nächsten ist alles egal und zu allerletzt steht dann der steinig-felsige Boden den finalen Verteilungswünschen im Wege. Doch wir helfen alle zusammen und finden schließlich auch für Ute einen Standplatz, mit dem sie gut leben kann. Dann endlich kann das Beach-Life beginnen: ein schnelles Käffchen nach dem Aufbau - und jeder tut das, was er am liebsten möchte. Ute hechtet zu Fuß von dannen, den kilometerlangen, weißen Sandstrand gen Norden, Annette und Jochen machen einen auf Strandurlauber und Heinz und ich entscheiden uns für den Mittelweg - einen ausgiebigen Strandspaziergang ohne Hast und Eile. Und wieder nehmen wir alte und neue Bekannte in Augenschein, planschen mit den Füßen im eiskalten Meer, spielen mit den Kelpstängeln, untersuchen Felsritzen und sandige Böschungen, genießen die salzige Luft, unser Alleinsein und die Tatsache, dass wir niemanden mit unserer botanischen Erkundungsfreude langweilen oder gar nerven.

Conophytum minutum var. minutum
Crassula barklyi
Hübscher schillernder Käfer










Mehrere Stunden verbringen wir so an dieser wunderschönen Riesenbucht und kehren erst in der beginnenden Dämmerung zur Campsite zurück. Gleich aber müssen wir nochmal los, denn zu Beginn unserer Fußtour hatten wir zwei nahegelegene Plätze ausgewählt, an denen wir nun die beiden Kameras anbringen. Ein Unterfangen, das gar nicht so einfach ist, denn es gibt kaum geeignetes Material, um die Starenkästchen richtig zu befestigen. Während Heinz versucht, einigermaßen stabile Äste oder Felsbrocken zu finden, schleppe ich alles an losem Gestein herbei, was ich tragen kann. Nach einer schweißtreibenden halben Stunde sind die Kameras schließlich zu unserer Zufriedenheit installiert und wegschlepp-sicher beschwert; das einzige, was uns jetzt noch Sorgen macht, ist die steife Brise, die alles in mehr oder minder heftiges Wogen versetzt - die Bewegungssensoren werden sicher darauf reagieren und uns die Speicherkarten mit Videos von wackelndem Gras und Sandwolken vollballern. Aber was soll's; einen Versuch ist es allemal wert. So kommen wir im letzten Dämmerlicht zur Campsite zurück und nehmen mit unseren bereits gemütlich hinter der Windschutzmauer sitzenden Freunden einen gepflegten Sundowner zu uns – begleitet von einem, na ja, eher flauen Sonnenuntergang…

Zeitgleich mit der versinkenden Sonne bettet sich der frische und recht heftige Wind zur Ruhe, es wird angenehm kühl, ohne Gänsepickel zu erzeugen und wir werden tätig: unsere Dinnervorbereitungen sind zu erledigen. In besinnlicher Ruhe, begleitet von gleichmäßigem Brandungsrauschen und klarem Sternenhimmel, beginnen wir zu schälen und zu schnibbeln, zu würzen und zu braten. Dabei umrunde ich immer wieder das Lagerfeuer, auf dem bereits seit längerer Zeit ein Topf vor sich hin brodelt - meine Nasenflügel beben nervös, denn unter dem Deckel entweichen kleine Dampfwölkchen, die verdächtig nach Seafood riechen. Und das kann nur eines bedeuten: Jochen hat Muscheln aufgesetzt! Muscheln, wie das Meer sie anliefert - köstlichen Geschmacks, aber leider auch voller Sand. „Jochen, hast wieder Muscheln gesammelt?“ „Ja klar, als Vorspeise! Die waren so lecker letztes Jahr!“ „Mhm, sicher!“ „Hast a Problem damit?“ „Hast du sie entsandet?“ „Nö, warum?“ „Dann hab ich ein Problem!“ „Musst ja nix essen, bleibt für uns mehr!“ Tja, so kann man das natürlich auch sehen... Schade, denn die Muscheln waren letztes Jahr wirklich äußerst deliziös und ich hätte diesmal gerne wieder ein paar verkostet, der Sandgehalt aber ist mir einfach deutlich zu hoch. Auch Heinz sieht das so und verzichtet seinerseits auf die ihm zugedachte Portion. Doch verhungern müssen natürlich trotzdem wir nicht: bald darauf gibt es Bobotie, einen sehr schmackhaften Hackfleischauflauf, der zu unser aller Lieblingsspeisen zählt. Genüsslich schlagen wir uns die Bäuche voll und lassen anschließend diesen ereignisreichen Tag bei Meeresrauschen, Sternenhimmel und dem einen oder anderen Bierchen gemütlich ausklingen, bevor wir uns wohlig in unsere Schlafsäcke kuscheln und von dem regelmäßigen Wogen der Brandung in den Schlaf singen lassen.


Weitere Schätze und Impressionen des Tages:

Crassula columnaris
Argyroderma fissum
Oophytum nanum










Dactylopsis digitata
Anacampseros retusa
Crassula columella ssp. thyrsiflora










Argyroderma delaetii
Argyroderma delaetii
Argyroderma delaetii










Euphorbia muricata
Euphorbia sp.
D. digitata, A. fissum
Tylecodon pygmaeus
Tylecodon pygmaeus
Conophytum subfenestratum










Zygophyllum teretifolium
C. columnaris, Conophytum sp.
Oophytum nanum










Conophytum calculus
A. delaetii, C. columnaris
Argyroderma fissum










Conophytum sp.
Bulbine sp.
Oophytum sp.










Aizoaceae
Euphorbia sp.
Monsonia sp.










Tylecodon reticulatus
Othonna intermedia
Aizoaceae
























Conophytum calculus
Conophytum calculus











Bulbine sp.
Tylecodon pygmaeus










Oophytum sp.
Oophytum sp.
Oophytum sp.










A. fissum, Oophytum sp.

Oophytum sp., A. delaetii










Malephora crocea-purpurea
Oophytum sp.













Tylecodon pygmaeus










Tylecodon reticulatus
Dimorphoteca sinuata
Conophytum calculus










Aizoaceae
Aizoaceae
Aizoaceae










Aizoaceae
Aizoaceae
Argyroderma fissum










E. muricata, C. columella
Oophytum sp., A. delaetii
Aizoaceae










Oophytum sp., A. delaetii
Euphorbia sp.
Zygophyllum teretifolium























Puffotter
Prachtfink











Asteraceae
C. minutum, C. elegans
Aizoaceae










Pelargonium sp.
C. minutum, C. elegans











E. muricata
Dactylopsis digitata
Crassula muscosa
Oophytum sp.
















Tylecodon pygmaeus
Tylecodon reticulatus
Tylecodon reticulatus
Crassula sp.
















Argyroderma fissum
Argyroderma delaetii
Argyroderma delaetii
Crassula columnaris
















Tylecodon sp.
Malephora
crocea-purpurea

3. Oktober 2014, Erkundungstag im Namaqua NP

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Im ersten Morgenlicht krabbeln wir aus den Zelten und genießen das Erwachen des Tages am Meer. Noch ist es fast windstill, die zaghaften Strahlen der Sonne aber wärmen bereits angenehm und vertreiben die Kühle und Feuchtigkeit der Nacht. Das bereitet nicht nur uns großes Wohlbehagen: mit dem Kaffeebecher in der Hand beobachten wir eine kleine Gruppe von Klippschliefern, die sich auf einem nahen Felsen in der Sonne wärmen. Die erwachsenen Tiere liegen dabei regungslos und mit ausgestreckten Pfoten da, rekeln sich nur hin und wieder und zucken ab und zu mit ihren winzigen Ohren. Ihre Sprösslinge hingegen tollen wild umher, quieken aufgekratzt und jagen sich gegenseitig in spielerischem Ernst über die Steinplatten. Ein Bild des Friedens und der überbordenden Lebensfreude zugleich! Hingerissen beobachten wir Treiben der niedlichen Dassies.

Koringkorrel im Morgenlicht
Die beiden genießen die Wärme
... und die beiden auch!










Doch plötzlich nehmen wir eine Bewegung in einem kleinen Busch direkt vor uns wahr und entdecken zwei äußerst putzige Mäuse, die sich liebevoll aneinander kuscheln und mit geschlossenen Augen die Morgensonne auf den geplusterten Pelz scheinen lassen. Sie wirken völlig entrückt, weshalb ich es wage, mich vorsichtig näher zu schleichen. Ein winziges Zweiglein knackt dabei unter meinen Füßen, etwas Granitabrieb knirscht leise und - schwupp - schon sind die beiden Nager wie der Blitz verschwunden. Ich lasse mich einen halben Meter vor ihrem Kuschelbusch nieder und verharre regungslos. Zehn Minuten später wagen sich die zwei Fellbälle tatsächlich wieder hervor und nehmen ihre alte Schmuseposition ein. Ihre schwarzen Knopfäuglein schließen sich, ihre Atmung wird ruhiger und ich versinke in diesem Anblick. Das sind Momente, die mir durch und durch gehen, die ich nie vergessen werde, Momente, die eigentlich völlig unspektakulär, aber umso spannender sind, Momente, die zu den Highlights meines Urlaubs zählen. Meditative Momente, die in diesem Falle jedoch leider nur von kurzer Dauer sind, die ein jähes Ende finden, als Annette heftig niesen muss... Die Mäuslein fahren zusammen, flitzen in das schützende Innere des Busches und kommen leider auch nicht wieder. Na ja, nicht so schlimm, wir hatten ja unsere Zeit miteinander, die Mäuse und ich!

Puffotter voraus
Das Meer von nahem
Das Meer aus der Ferne










Seufzend reiße ich mich los und setze mich zu den anderen an den Frühstückstisch, der bereits reich gedeckt ist - auch mit kalten Sand-Muscheln vom Vortag... Doch wie sagte Jochen so charmant? „Musst ja nix davon essen, bleibt mehr für uns!“ Daran halten uns Heinz und ich auch heute Morgen, greifen aber dennoch bei den anderen Köstlichkeiten zu, um uns für einen langen und hoffentlich spannenden Erkundungstag zu stärken. Und der beginnt eine Stunde später: kaum haben wir die Campsite verlassen und die ersten Kilometer auf der Hauptpad zurückgelegt, kreuzt schon wieder eine Puffotter unseren Weg! Sie ist deutlich kleiner als die gestrige, dafür aber noch flotter unterwegs. Annette und Ute, die ein Stück hinter uns fahren, bekommen diesmal nur noch die im Gebüsch verschwindende Schwanzspitze zu sehen. Die beiden sind darob etwas enttäuscht, Heinz hingegen macht sich allmählich wirklich Sorgen: es ist meine einundzwanzigste Afrika-Tour und ich kann meine früheren Schlangensichtungen locker an einer Hand abzählen, seit er jedoch mit von der Partie ist, häufen sich diese Begegnungen - zwei Hände reichen nun nicht mehr! Heinz aber festigt unbeirrbar seinen Ruf als Snake Man und das, obwohl ihm die Viecher alles andere als geheuer sind. Armer Schneck! Und noch ahnt er nicht, dass sehr bald schon sogar noch eine hinzukommen wird...

Dünenlandschaft
Moraea fugax
Babiana hirsuta









Wir setzen also unseren Weg fort und genießen die Ausblicke: das türkis-blaue Meer, zu dessen intensiver Farbe immer wieder die Reste verblühender Blumenwiesen reizvolle Kontraste bilden. Hier ein Streifen ferner, gelber Asterngewächse, dort ein Fleck blutroter Babianas, da ein kleines Tal voller zartblauer Moraeas. Es ist herrlich und viel farbenfroher als letztes Jahr und sogar die Tiere lassen sich diesmal nicht lumpen. Zahlreiche Echsen sonnen sich am Wegesrand, darunter auch kompakte, grasgrüne Minidrachen, die wir hier noch nie gesehen haben. Und plötzlich bricht sogar eine Straußenfamilie aus dem Gestrüpp und rennt eine ganze Weile vor und her - Mama, Papa und fünfzehn Küken, die mit ihren Eltern kaum Schritt halten können. Wir bleiben etwas zurück, um den Laufvögeln eine faire Chance zum Verschwinden zu geben und nehmen dann Kurs auf die Küste und die dort lebende Robbenkolonie. Halt, stopp, was war das gerade?

Meroles cuneirostris
Kleiner grüner Drache
Unbekannte Schlange











Aus dem Augenwinkel haben wir im Vorbeifahren eine blitzschnelle Bewegung neben der Fahrspur wahrgenommen, etwas, das verdächtig nach Schlange aussah. Wir setzen zurück und scannen den Busch - da! Eine pechschwarze, schlanke, etwa zweieinhalb Meter lange Schlange, irre flink und deswegen auch schwer zu identifizieren. „Ach nöööö!“, seufzt Heinz, „Ned scho wieder!“. „Schee!“, seufzen wir und beobachten begeistert das Reptil. Leider ist der Kopf nur selten ganz zu sehen, aber ich meine, für den Bruchteil einer Sekunde einen leicht gepreizten Nackenschild und die typische Schädelform einer Kobra erkannt zu haben. Ute will’s  genau wissen und nähert sich der Schlange in großem, vorsichtigen Bogen. Jochen ist von dieser, in seinen Augen, gewagten Aktion Utes völlig schockiert und pfeift sie rüde zurück, Ute fühlt sich brüskiert, die Schlange hingegen kümmert’s wenig und sie verschwindet im dichten Gebüsch. Gerade wollen wir, von unterschiedlichen Gefühlslagen behaftet, wieder in die Autos klettern und unser Bildmaterial sichten, als Heinz aufquiekt. „Da hinten! Ein Kapfuchs!“. Tatsächlich! Für wenige Augenblicke sehen wir alle das zierliche Tier mit dem flauschigen Schwanz flinker Pfoten durchs Gestrüpp schnüren, dann ist auch der Fuchs verschwunden. Hah, hier geht's ja zu wie auf dem Oktoberfest!

Kapfuchs
Ausschwärmen...
... wegen dieser Blütenkissen!










Motiviert schlichten wir uns in unsere Fahrzeuge und möchten nun endlich nonstop zur Robbenbucht, als schon wieder etwas dazwischenkommt - wir kurven gerade runter zur Küste, als sich ein unvergleichlicher Anblick vor uns auftut: türkises Meer und graugrünes Buschland, das über und über von quadratmetergroßen Kissen blühender Mittagsblumen durchsetzt ist. Rosa, pink, magenta, weiß, in allen Abstufungen! Dicht an dicht stehen die Kissen, genauso dicht aber auch die Blüten. Das entdecken wir, als wir die bunten Polster aus der Nähe inspizieren. Unglaublich!!! Die Blüten wuchern so eng aneinandergedrängt, dass man vom eigentlichen Strauch und seinen Blättern nichts, aber auch gar nichts mehr sieht. Nach dem Abklingen des ersten, ungläubigen Augenflashs - die üppigen Farbpolster inmitten dieser Meereskulisse haut uns wirklich vom Hocker - beginne ich natürlich doch, ins Innere der Blütenkissen zu spähen, um einige Identifikationsmarker zu erhalten.

Lampranthusblüten in weiß,
... rosa ...
... und magenta










Schließlich muss ich ganz genau wissen, was unsere Augen in diesem Maße erfreut! Meine Ausbeute allerdings ist letztendlich spärlich, obwohl ich mich mehrmals vorsichtig mit beiden Armen bis zu Taille in die Materie einwühle: die Pflanzen haben all ihre Kraft in das Mega-Geblühe gelegt, sodass kaum noch hinweisgebende Blätter vorhanden sind und auch die wenigen Samenkapseln vom Vorjahr sind extrem verwittert. Doch mein Buch der Marke Eigenbau tut erneut gute Dienste und ich kann diese Blütenkissen relativ eindeutig bestimmen - es handelt sich um eine Lampranthus-Art, wahrscheinlich suavissimus. Es könnte aber auch vernalis oder haworthii sein, das vermag ich trotz aller (auch späteren) Recherchen nicht sicher zu sagen. Die Gattung Lampranthus nämlich umfasst 227 Spezies und 13 Varietäten - da ist eine Eingrenzung auf drei Spezies schon eine recht gute Bestimmungsquote für einen Sukkulenten-Anfänger wie mich, oder? Ich bin auf jeden Fall mehr als glücklich; sowohl mit meinem Rechercheergebnis als auch mit diesem wundervollen Anblick!

Ein Nickerchen zu zweit
Macht auch alleine Spaß
Bestandteil des Lebens










Annettes Herz schlägt ebenfalls höher, denn ihre Hoffnungen auf eine Erfüllung des Tourmottos „Blütenmeere“ keimen abermals auf. Dennoch drängt sie auf eine baldige Weiterfahrt, denn sie will endlich zu den Robben – Tiere stehen für sie halt doch immer an erster Stelle. Nun, wir sperren uns nicht dagegen, denn auch wir freuen uns auf die Robbenbucht - und deren sukkulente Umgebung... Eine halbe Stunde später sind wir tatsächlich da und klettern zu einem strategisch günstig gelegenen Aussichtsfelsen, wo wir die Tiere hervorragend im Blick haben, ohne sie zu stören. Und sie sind alle versammelt: die sich Sonnenden, die stillenden Mütter, die virilen Bullen und die Kleinen, die vergnügt in flachen Pools am Rande des Ozeans planschen und spielen. Eine ganze Weile beobachten wir voller Freude die munteren Tiere, bevor wir - zumindest Heinz und ich - unsere Aufmerksamkeit anderen Lebewesen zuteil werden lassen. Rechts von uns hat sich zum Beispiel eine kleine Kormoran-Kolonie etabliert, an die wir uns jetzt anschleichen.

Weißbrustkormorane oder ...
... Phalacrocorax lucidus ...
mit meeresblauen Augen!










Die hübschen Tiere, die letztes Jahr mit Absenz glänzten, sitzen in ihren Nestern, drängen sich aneinander oder gehen anderen kormorantypischen Tätigkeiten nach: Hälse recken, sich gegenseitig ankreischen, mit ausgebreiteten Flügeln das Gefieder trocknen, sich die Kopffedern von der steifen Meeresbrise zu einem kecken Schöpfchen aufbauschen lassen oder einfach vor sich hindösen. Bei Letzterem schließen sie zumeist die Augen; ein Umstand, den ich übrigens äußerst bedauerlich finde, denn die Meeresraben besitzen eine frappierend blaue Iris, die vom selben Farbton wie die seichteren, türkisen Stellen des sie umgebenden Gewässers ist. Sieht man die offenäugigen Vögel nun im richtigen Winkel im Profil, so wirkt das Auge fast wie ein Loch im Kopf, eine Durchsicht zum Meer, ja,wie ein kleines Fenster zum Ozean. Das ist zwar kein weltbewegender Anblick, aber eben ein kleines Detail, an dem ich meine ganz besondere persönliche Freude habe.

Drosanthemum hispidum
Euphorbia burmannii
Adromischus
montium-klinghardtii










Trotz dieser Freude jedoch wenden Heinz und ich uns bald darauf den hier wachsenden Pflanzen zu - natürlich nicht ohne zuvor einen abcheckenden Blick auf unsere Freunde geworfen zu haben. Die aber sind noch voll und ganz in die Beobachtung der Robben versunken und sehen nicht nach Aufbruch aus. Sehr gut! Also stapfen Heinz und ich los und vergessen bald darauf alle Robben und Kormorane. Denn was in dem Grünsaum der Bucht gedeiht, ist schier unfassbar: unzählige verschiedene Mittagsblumen, durchsetzt von einem Crassulaceen-Potpourri! Zentimeterweise robben wir durch die Pflanzen und entdecken ständig etwas Neues, was wir letztes Jahr an der selben Stelle noch nicht gesehen hatten. Der Unterschied zwischen den Jahreszeiten ist, zumindest in unseren Augen, eklatant. Wer braucht da schon Blütenmeere, wenn er DAS haben kann?! Gut, der Großteil der Touristen besucht das Namaqualand vorwiegend zur Blütezeit, was mit Sicherheit ein großartiges Erlebnis ist. Es gibt sogar ein Internetportal, den Namaqua Flower Report, auf dem in den entsprechenden Wochen detailliert veröffentlich wird, wo genau was blüht. In dieser Zeit glüht das ansonsten karge Land in unglaublichen Farbnuancen zwischen weiß, gelb und orange. Aber dann, und das ist der Nachteil, sind auch Heerscharen von Reiseveranstaltern mit ihren blütengeilen Klienten unterwegs, überfluten das Namaqualand und bevölkern auf irritierendste Weise die ansonsten eher menschenleere Gegend.

Crassula elegans ssp. elegans
Crassula plegmatoides
Crassula barklyi










Die Vor- und Nachteile gegeneinander abwägend sind Heinz und ich so schon lange zu dem Ergebnis gekommen, dass es uns viel wichtiger ist, unsere Runden in der Einsamkeit zu ziehen und dabei viele Sukkulenten - auch nicht blühende - zu entdecken, als uns mit anderen am Rande der Blütenwiesen zu drängen. Wogende Blüten, die uns die Sicht auf unsere geliebten Bodenschätzchen verdecken; geht gar nicht! Also sind wir goldrichtig hier, sowohl was den Zeitpunkt anbelangt als auch die gewünschte Artenvielfalt und die Dosierung der Touristenmenge.

Pteronia divaricata
Mesembryanthemum dinteri
Antimima perforata










Allerdings, und das dürfen wir nicht vergessen, haben wir ja auch noch drei „Touristen“ mit an Bord, die wir mit unserer Leidenschaft nicht überstrapazieren dürfen. So äugen wir immer wieder mal prüfend zu unseren Mitreisenden hinüber und behalten dabei deren Robbenfaszination im Blick. Diese hält erfreulicherweise sehr lange an, lange genug für uns beide, um uns alles ganz ausgiebig zu Gemüte zu führen. So kommt es auch, dass wir uns von diesem wundervollen Platz ohne jegliche Wehmut trennen können, als sich unsere Reisegenossen an den Robben sattgesehen haben und zum Aufbruch drängen. Unser nächstes Ziel ist nun die Höhle bei der Mündung des Spoeg River. Ein relativ weiter Weg, ein langes Geöttel durch dichtes Buschland und tief ausgefahrene Sandpisten. Führe man diese Strecke in einem Stück durch, wäre das sicher ziemlich ermüdend. Doch hierbei können wir uns voll und ganz auf Annette und Jochen verlassen: jeder der beiden hat so seine Leidenschaften und entdeckt dem entsprechend etwas Interessantes - ein Vögelchen, eine Echse, eine besonders hübsche Aussicht...

Spoeg Rivier Grotte

Sicht aus der Grotte










Und so juckeln wir gemütlich, unterbrochen von mehreren Stopps, zu besagter Höhle und fühlen uns blendend unterhalten. Als wir an jedoch an der Mündung einlaufen, nimmt der Spaßfaktor rapide ab: das Mini-Delta, das sich letztes Jahr so farbenfroh präsentierte, sieht heuer recht unbunt aus und auch an der Höhle, wo ich wieder auf zahlreich strotzende Sarcocornias gehofft hatte, herrscht tote Hose. Nun ja, ein paar Schwalben sind unterwegs, ein Greifvogel zieht seine Kreise hoch über uns, das war’s aber dann auch. Der Zauber von damals will sich bei mir so einfach nicht mehr einstellen. Ist aber auch nicht so schlimm, denn wenigstens haben wir nun eine gute Gelegenheit, uns gründlich die Füße zu vertreten und für den langen Rückweg zu lockern. Was auch wirklich nötig ist, denn es ist schon fortgeschrittener Nachmittag und wir müssen uns ranhalten, vor Einbruch der Dunkelheit wieder in Koringkorrel zu sein - und das ein oder andere wird uns dabei sicher noch in die Quere kommen.

Conicosia pugioniformis
Conicosia-Frucht
Küstenlandschaft










Tatsächlich! Nicht lange und schon ist der nächste Stopp angesagt: wir überqueren gerade ein paar wellige Dünen, als wir auf ein ganzes Feld blühender Conicosias stoßen. Diese Mittagsblumen sind auf den ersten Blick alles andere spektakulär und fallen mit ihren elfenbeinfarbenen Blüten im Graugrün und Sandgelb der Landschaft kaum auf. Aber aus der Nähe betrachtet sind sie wahre Schönheiten: unzählige lange, schmale, cremeweiße Sepalen umkränzen den Blütenboden und fächern sich am äußeren Rand wächsern-durchscheinend, ja fast transparent, zu einem sonnengleichen, zarten Stern auf, bei dessen Anblick man sich wundert, wie so etwas Fragiles den harschen Bedingungen des Namaqualandes standhalten kann. Doch die Conicosia ist hitzeresistenter und sonnenaffiner, als man ihr ansieht. Sie öffnet ihre Blüten, wie diverse andere Mittagsblumen auch, erst um die Mittagszeit (daher der Name); das aber auch ausschließlich an sonnigen Tagen. Außerdem, und das macht sie zu etwas wirlich Besonderem innerhalb der Familie der Mesembs, sind ihre Samenkapseln xerochastisch, was bedeutet, dass sich diese nur öffnen, wenn es absolut trocken ist - ein deutliches Indiz, wie gut dieses Gewächs an seine unwirtliche Umgebung angepasst ist und sich damit eine Vermehrungsnische erschlossen hat, die andere Mittagsblumen mit ihren vorwiegend hygrochastischen Samenkapseln nicht nutzen (können).

Jordaaniella spongiosa
Frucht einer Jordaaniella
Malephora crocea










Die Conicosia stand ja schon länger auf der Liste meiner Sichtungswünsche und gestern, als wir ein paar einzelne Exemplare davon entdeckt hatten, war ich bereits ganz glücklich. Dass sich uns heute jedoch eine ganze Wiese darbietet, übersteigt meine Erwartungen bei weitem und macht mich umso glücklicher. Ein Umstand, den keiner in unserer Truppe so recht nachvollziehen kann, fürchte ich... Dafür aber räume ich wenig später mit meiner nächsten Sichtung wieder die volle Punktezahl ab - auf einer weiten Ebene erstrahlen auffällige, tief magentafarbene Farbkleckse mit gelbem Zentrum. Es sind nur wenige, verstreute Blüten, dafür aber sind sie mehr als handtellergroß und überaus beeindruckend. Auch für meine Reisegenossen, die mich natürlich sofort fragen, worum es sich hierbei handelt. Jordaaniella spongiosa oder Namaqua Giant Sour Fig. Meine Antwort kommt prompt. Natürlich musste ich dafür erst mal klammheimlich in meiner selbstgemachten Mesemb-Bibel nachschlagen, die mal wieder hervorragende Dienste geleistet hat. Die anderen sind schwer beeindruckt - nicht nur von meiner „Sachkenntnis“, sondern auch von der Schönheit und Größe der Jordaaniella-Blüten, die ihresgleichen suchen. Eine ganze Weile schwärmen wir über die Ebene und entdecken dabei ein immer noch perfekteres, riesigeres Exemplar. Wir können uns kaum von diesen Turbo-Blumen losreißen. Doch trotz aller Entdecker- und Rekordfreude sollten wir uns dennoch allmählich mal wieder auf den Weg machen und alle weiteren Stopps auf morgen vertagen. Aber da wir uns ohnehin auf dem Streckenabschnitt befinden, den wir morgen erneut befahren werden, um nach Skilpad zu kommen, ist das nicht so schlimm. Wir sagen uns also für heute von der faszinierenden Vegetation des Namaqua-Küstenstreifens los und erreichen im abnehmenden Licht des frühen Abends unser Camp an der Koringkorrel Bay.

Euphorbia caput-medusae
Euphorbia caput-medusae
Euphorbia caput-medusae










Hui, hier unten weht aber eine steife Brise! Dankbar verschanzen wir uns hinter unserer Windschutzmauer, entfachen das Lagerfeuer und läuten einen gemütlichen Abend ein. Jochen wagt sich sogar nochmal runter an den Strand um - was wohl? - neue Muscheln zu sammeln, während wir anderen einfach nur den Ausblick aufs Meer und dessen Brandungsrauschen genießen. Rüde jedoch wird unser Idyll gestört, als eine südafrikanische Großfamilie mit lautem Trara auf dem Platz einkurvt und sich in unserem Sichtfeld niederlässt - direkt am Strand, da, wo der Wind am heftigsten weht... Solche Menschen werden mir auf ewig ein Rätsel bleiben; diese Spezies, die sich partout stets vordrängen muss, die, koste es was es wolle, zwanghaft immer den „besten“ Platz einnehmen muss - sei es in der Warteschlange an der Supermarktkasse, beim Einsteigen in die U-Bahn oder eben auf einem windgebeutelten Campingplatz an der südafrikanischen Westküste. Doch die Herrschaften sorgen, das muss man ihnen wirklich lassen, für große Erheiterung unsererseits, denn die Errichtung ihrer Zelte ist ein einziger Kampf, den nur einer verliert - nämlich diese grußlos herbeigekommenen Erste-Reihe-Geier - denen wir, der Höflichkeit halber - sogar noch unsere Hilfe anbieten. Nö, wir werden weiter ignoriert und können so den Fight der Naturgewalt Wind mit der Drei-Generationen-Familie, die sich auch gegenseitig nicht hilft, ohne schlechtes Gewissen weiter beobachten, während unser Abendessen auf dem Grill verheißungsvoll vor sich hinbrutzelt. Gnädig senkt sich dann die Dunkelheit über den Kampfplatz und wir hören nur noch die im Wind knatternden Zeltplanen und hin und wieder lautes, deftiges Fluchen... Trotzdem können wir uns, etwas schadenfroh grinsend, voll und ganz auf unser ebenfalls deftiges Dinner konzentrieren, es hinlänglich genießen und den Tag im warmen Schein unserer Tischbeleuchtung gemütlich ausklingen lassen.


Weitere Impressionen des Tages:

Blinzeln in die Morgensonne
Koringkorrel Bay
Familie Strauß war fleißig!










Koringkorrel Bay
Inmitten der Kissen
Blütenkissen mit Meer











Hallianthus planus
Drosanthemum hispidum










Drosanthemum schoenlandianum
Adromischus
montium-klinghardtii
Othonna sedifolia










Euphorbia burmannii
Euphorbia caput-medusae
Crassula tomentosa
var. tomentosa










Crassula barklyi
Crassula plegmatoides
Crassula elegans ssp. elegans










Crassula elegans ssp. elegans
Hallianthus planus
Crassula plegmatoides










Crassula barklyi
Crassula barklyi
Crassula expansa ssp. expansa










Crassula plegmatoides
Cephalophyllum sp.
Aizoaceae










Drosanthemum hispidum
Asteraceae
Gazania sp.










Pelargonium sp.

Manochlamys albicans










Frankenia repens
Heliophila lactea
Oncosiphon sabulosus










Arctotheca calendula
Arctotis decurrens
Zaluzianskya affinis










Didelta carnosa
Asteraceae
verblühende Pracht










Im Naturpool
Millipeden-Skelett
Kakerlaken










Dominikanermöwe
Kaptriel
Webernest










Grüner Drache in braun
Blaue Agame vor blauem Himmel
Kapfuchs










Dischisma
struthioloides
Dischisma
struthioloides
Dischisma
struthioloides
Lampranthus sp.
















Oncosiphon
suffruticosus
Crassula plegmatoides

4. Oktober 2014, Fahrt nach Skilpad via Riethuis

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Schon wieder dämmert ein aufregender Tag am Horizont! Na ja, zumindest aufregend für Heinz und mich, denn heute geht es nach Skilpad - und dieser Weg führt über ein Gebiet, das inmitten verheißungsvoller Quarzhügel liegt – Riethuis. Bereits letztes Jahr waren wir hier fasziniert herumgeklettert und hatten uns aufgrund der vorgefundenen Artenvielfalt geschworen, heuer noch viel ausführlicher zu botanisieren. Selbstverständlich haben wir diesen Wunsch unseren Mitreisenden rechtzeitig kundgetan und wurden großzügig erhört: dieser Tag gehört euch und euren Quarzhügeln, unter der Voraussetzung, wir alle kommen nicht allzu spät in Skilpad an. Im Stillen danken wir den stilvoll-lauschigen Unterkünften im Nordosten des Parks, die offenbar so große Anziehungskraft ausüben, dass man uns ohne Zögern ein extensives Sukkulenten-Gekrabbel zugesteht. Auch Heinz und ich freuen uns natürlich auf die luxuriösen Bungalows, auf die komfortablen Betten, das gepflegte Sanitärgemach, die Terrasse mit dem großartigen Ausblick, auf zwei Tage in einer festen Unterkunft, wie sie einladender nicht sein könnte - aber viel wichtiger sind uns selbstverständlich zunächst mal unsere geliebten Bodenschätzchen, deren Rufe bereits sirenenhaft locken.

Crassula elegans ssp. elegans
Cono. minutum var. minutum

Aizoaceae
Pelargonium fulgidum










Doch bevor wir aufbrechen, wird erst mal ausgiebig gefrühstückt und danach der Abbau des Lagers abgewickelt. Heinz eilt noch zu seinen Kameras, dann geht es los. Wir schrauben uns nach oben auf den Hauptweg und zuckeln danach gemächlich, unterbrochen von zahlreichen Stopps, Richtung Norden. Stopps, bei denen jeder von uns auf seine Kosten kommt. Und das ist das Schöne an unserer Truppe: jeder interessiert sich mit mehr oder allenfalls etwas weniger Inbrunst für alles, was dem Auge dargeboten wird, jeder von uns hat einen speziellen Fokus, einen speziellen Blick für Details und Besonderheiten, jeder von uns entdeckt immer wieder etwas, was unser aller Herzen erfreut. Für vieles davon halten wir natürlich an und stoßen dabei oft erneut auf etwas anderes, dessen man nur gewahr wird, wenn man aus dem Auto steigt und sich Zeit nimmt, alles auf sich wirken zu lassen. Dass Heinz und ich fast jeden Stopp für unsere botanischen Kernzwecke nutzen, versteht sich dabei von selbst... So gestaltet sich die recht lange Strecke Richtung Skilpad extrem abwechlungsreich und kurzweilig und bevor wir uns versehen, erreichen wir die ersten Ausläufer des Riethuis-Wallekral-Quarzhügelgebiets.

Euphorbia caput-medusae
Tylecodon racemosus
Alles auf einem Quadratmeter!










Heinz und ich gucken uns im Folgenden den vielversprechendsten Haltepunkt aus, landen schließlich wieder da, wo wir auch letztes Jahr schon gestoppt hatten und stürzen uns voller Freude in die Botanik. Ute ergreift ihrerseits die Chance zu körperlicher Betätigung und düst ebenfalls los, Jochen und Annette hingegen nutzen unsere Exkursion, um den für die Sandstrecke abgelassenen Reifen zweier Autos wieder richtig Druck zu verpassen - ein zeitaufwändiges Unterfangen, wenn man nur einen kleinen Kompressor zur Verfügung hat. Doch für diesen Zweck ist er durchaus ausreichend, und, nebenbei bemerkt, je länger es heute dauert, desto lieber ist es uns beiden Bodenschatz-Suchern natürlich! In aller Gründlichkeit also arbeiten wir uns den ersten Hügel nach oben und sind, mal wieder, vollends begeistert von der vielfältigen sukkulenten Vegetation, die hier gedeiht. Die meisten Pflanzen hatten wir letztes Jahr schon gesehen, aber, und das ist faszinierend, eben in einem ganz anderen Zustand.

Crassula columnaris
ssp. prolifera
Monsonia ciliata
Conophytum bilobum










Quarzhügel bei Riethuis
Riethuis-Wallekral-Gebiet
Heinz ist fasziniert










Crassula alstonii
Crassula brevifolia
ssp. psammophila
Crassula muscosa var. muscosa










Was vor achtzehn Monaten noch unscheinbar, verschrumpelt und meist ziemlich unansehnlich gewesen war, strotzt heute vor Saft und Kraft, erstrahlt in den schönsten Farben, zeigt junge Triebe und Blätter. Und hin und wieder entdecken wir sogar ein Gewächs, das sich auf unserer letzten Tour vor uns versteckt hatte - nahezu unsichtbar unter der Boden-Oberfläche verborgen, in der beginnenden Winterruhe. Voller Freude umrunden wir den Hügel in immer enger werdenden Spiralen und delektieren uns an der immensen Vielfalt, die auf so engem Raum gedeiht. Heinz’ Blick schweift dabei immer wieder sehnsüchtig zu den benachbarten Quarzkuppen, denn die hatten wir uns ja ebenfalls zur Erkundung vorgemerkt. Meine anfangs ebenfalls noch vorhandene Sehnsucht jedoch beginnt nach eineinhalb Stunden des Botanisierens in glühender Hitze zu bröckeln, ganz allmählich, dafür aber umso deutlicher: mich schwummert. Obwohl wir uns nur etwa dreißig Höhenmeter über der Fahrspur befinden, so ist es hier viel windiger und gleißender. Die Hitze greift nach mir, ein Wind, der nicht kühlt, fönt mich pergamentig und raubt mir alle Kraft, meine Augen wollen nicht mehr scharfstellen, weil sie trocken sind, brennen und sich gegen das von den Quarzsteinen reflektierte Sonnenlicht wehren. Ich habe das Gefühl, ausgesaugt zu werden und gleich umzukippen. Aber ich Depp bin ja selbst schuld: ich habe keinen Hut auf und sträflicherweise auch kein Wasser mitgenommen. Kein Wunder also, dass mein Kreislauf nicht gerade mit dem Pudelwohl-Modus zu reagieren gewillt ist. Da hilft nur eines - ich muss in den Schatten und erst mal Wasser tanken!

Aloe krapohliana
Haworthia arachnoidea
Albuca spiralis










Heinz hingegen fühlt sich erstaunlicherweise immer noch topfit und würde mit Sicherheit gerne noch den einen oder anderen Hügel erklettern, begleitet mich aber langsam nach unten. Die Betonung liegt auf „langsam“, denn so alle bin ich noch nicht, dass ich nicht immer noch Freude empfinden würde, wenn ein besonderes Gewächs zu sehen ist. Und da gibt es viele... So also schrauben wir uns ganz allmählich nach unten, Schritt für Schritt, immer schön aufpassend, um nur ja keine Pflanze zu übersehen und auch, um nicht über meine eigenen Füße zu fallen. Am Auto angekommen, sinke ich ermattet in den schmalen Mittagsschatten und litere mir eine Flasche lauwarmes Wasser auf ex rein. Es zischt fast hörbar, dauert aber annähernd eine halbe Stunde, bis ich wieder einigermaßen brauchbar bin. Das war wohl „just in time“ - in zweierlei Hinsicht. Denn nicht nur mein Kreislauf war offensichtlich kurz vor knapp, sondern auch unsere Mitreisenden: die Reifen waren bei unserer Rückkehr schon länger wieder prall gefüllt und eine gewisse Ungeduld machte sich daraufhin breit, wurde jedoch unterdrückt, um uns die Quarzhügel, wie versprochen, gebührlich genießen zu lassen. Zur Kompensation dieser lästigen Wartezeit wurde wohl kurzerhand ein Mittagssnack ausgepackt, dessen letzter Bissen gerade geschluckt wird, als ich mich wieder in der Lage sehe, aufzustehen und aus dem Schatten des Autos - und meinem eigenen - zu treten.

Alter Friedhof ...
... zwischen Riethuis ...
... und Soebatsfontein










Gut gelaufen! Na ja, semigut. Denn während wir nun weiterfahren, mache ich mir mannigfaltige Gedanken und auch Sorgen. Heinz und ich haben diesen Urlaub unter der expliziten Prämisse angetreten, genügend Zeit für unsere Exkursionen zugestanden zu bekommen. Das aber scheint ein echtes Definitionsproblem zu sein. Was ist „genügend“ Zeit? Heinz und ich verstehen darunter offensichtlich etwas völlig anderes als unsere Mitreisenden, trotz aller gegenseitigen Kompromissbereitschaft. Dass es schwierig werden könnte, war Heinz und mir von Anfang an bewusst. Wir versuchten deshalb stets Rücksicht zu nehmen, wollten uns jedoch auch nicht gehetzt fühlen. Doch das tun wir. Besonders ich. Warum nur? Kontemplation ist angesagt! Der erhellende Moment überkommt mich, als wir einen uralten Friedhof erreichen, zu dessen Besichtigung alle aussteigen - nur ich nicht, ich grüble stattdessen weiter. Und komme zu einem Ergebnis, das sich aus mehreren Erkenntnissen zusammensetzt. Erstens: ich fühle mich gehetzt, weil ich nicht möchte, dass Heinz sich unter Zeitdruck sieht. Das tut er zwar, aber er reagiert darauf wesentlich unerregter und gelassener als ich. Zweitens: vor ein paar Stunden noch fand ich unsere Truppe super, weil wir alle einen Blick für Kleinigkeiten haben und deshalb oft anhalten. Heinz und ich freuen uns ebenfalls über derartige Sichtungen, nutzen diese Stopps jedoch meist für unsere ureigenen Zwecke und erkunden „konfliktfrei“ die Pflanzenwelt, während sich unsere Freunde an etwas anderem erfreuen. Heinz genießt diese Chancen mit fast diebischer Freude, ich hingegen empfinde das als Ausbüxen, als den anderen etwas abtrotzen - und das ist kein besonders angenehmes Gefühl. Und drittens: der Grund, warum das alles gerade jetzt in mir hochwallt, ist Angst. Eine Angst, die nur mittelbar mit unserem Hetz-Dilemma zu tun hat, die aber so konkret ist, dass ich sie in einer Art Verdrängungtaktik in Unzufriedenheit ummünze und mich deshalb momentan doppelt gehetzt fühle. Meine Angst allerdings bezieht sich auf etwas anderes: in ein paar Tagen werden wir im Richtersveld sein, einem absoluten Sukkulenten-Eldorado, das uns auf der letzten Tour völlig in seinen Bann gezogen hatte. Aufgrund dessen hatten wir mit Annette und Jochen im Vorfeld ausgemacht, dass sie uns zu einem bestimmten Ort bringen und uns dort für ein paar Stunden „aussetzen“, damit wir in aller Ausgiebigkeit unserer Passion nachgehen können, ohne unsere Mitreisenden zu langweilen. Nun aber hat mir die Hitze auf dem kleinen Quarzhügel bei Riethuis so zugesetzt, dass ich bei dem Gedanken, stundenlang im klimatisch noch erbarmungsloseren Richtersveld unterwegs zu sein, ohne ein rettendes Auto im Hintergrund zu haben, blanke Angst verspüre.

Wir verlassen Riethuis
Verfallenes Farmhaus
Rauf zum Soebatsfontein Pass










Mann, ist die Psyche was kompliziertes! Doch jetzt, da ich der Hauptursache meiner Nöligkeit auf die Spur gekommen bin, fühle ich mich gleich wieder besser. Also - alles halb so schlimm -, und das mit unserer Exkursion im Richtersveld wird schon irgendwie werden. Ich atme auf, genieße das wieder auflebende Gefühl von Freude und Zufriedenheit und strahle meine Freunde glücklich an, als sie von ihrem kleinen Friedhofsausflug zurückkommen. Jetzt kann es weitergehen, hinauf zu unseren Traumbungalows in der Skilpad-Sektion des Namaqua Nationalparks. Wohlgemut kurven wir weiter, verlassen kurzfristig den Park, um den Weg abzukürzen, passieren das recht trostlose Örtchen Soebatsfontein, entern den Park erneut und schrauben uns dann den steilen, kurvigen Soebatsfontein-Pass nach oben, an dessen höchster Stelle sich eine weite Ebene eröffnet, von der aus wir schon einen ersten Blick auf unsere Nachtquartiere erhaschen können. Die flache Hochebene gestattet jedoch nicht nur den Blick auf die vier wunderschön gelegenen Bungalows, sondern zeigt uns heuer auch, was wir verpasst haben: ein Hauch von Orange bedeckt die Wiesen um das Headquarter von Skilpad und lässt erahnen, wie es hier noch vor wenigen Wochen ausgesehen haben muss - ein wogendes Blütenmeer, bestehend aus Abertausenden von Namaqua-Daisies. Annette seufzt vernehmlich. Tja, das war die letzte Chance auf die Erfüllung unseres Tour-Mottos. Doch auch die verblühenden Überreste sind schön anzusehen - Heinz und mir genügt das jedenfalls vollkommen...

Der Kapweber: Hausbau ...
... Balz ...
... und Familiengründung
in Sicht!










Minuten später treffen wir dann am Headquarter ein, parken unsere Autos und tun, was wir tun müssen - uns anmelden. Doch wie gut, dass Annette das alles allein im Griff hat und wir nicht vonnöten sind, denn es gibt schon wieder so viel anderes zu tun und zu sehen. Heinz und ich checken zunächst die drei Schaubeete, die letztes Jahr vergleichsweise kümmerlich ausgesehen hatten. Heuer hingegen sprießt hier um einiges mehr und so manches Pflanzen-Namensschildchen, das auf der letzten Tour noch scheinbar herrenlos im Boden steckte, prangt heute stolz neben dem dazugehörigen, damals unsichtbaren weil ruhendem Gewächs. Eifrig umrunden wir die Hochbeete und gleichen unsere eigenen Sichtungen mit den „amtlich“ beschrifteten ab. Hey, wir sind echt gut! Alles, was hier zu Schauzwecken angepflanzt wurde, konnten wir bereits „in situ“, in der freien Wildbahn selbst entdecken - das und sogar noch vieles mehr - und haben auch durchgehend richtig bestimmt. Ein erhebendes Gefühl. Apropos erheben: hoch über uns tut sich das nächste Highlight auf. Im Innenhof des Headquarters stehen einige Eukalyptusbäume, in deren äußeren Ästen ein geschäftiges Treiben herrscht, begleitet von lautem Geschnarre, Getschilpe und Gezwietsche. Hier sind unzählige Kapweber zugange. Die meisten sind männlich, präsentieren sich im schönsten Federkleid und mit maximaler Aktivität - Nestbau und Balz. Wir wechseln von Beet zu Baum, renken uns die Hälse aus, bis unsere Nacken schmerzen und erfreuen uns an den geschäftigen Vögeln, denen wir stundenlang zusehen könnten. Könnten, wenn wir Zeit hätten... Mehr als eine halbe Stunde aber ist leider nicht drin, denn wir müssen ja unbedingt noch ins Office, das einen kleinen Shop beherbergt - und da könnte es unter Umständen spannende Fachliteratur geben. Also verabschieden wir uns von den Webern und eilen in den Laden, wo wir auf Annette und Jochen stoßen, die gerade in ein Gespräch mit einem älteren Herrn vertieft sind. Nach einem kurzen Blick in die Regale, die jedoch leider so gar nichts nach unserem Gusto enthalten, schließen wir uns deshalb der Gesprächsrunde an - wir hatten das Wort „Richtersveld“ aufgeschnappt und alles, was unseren Lieblingspark betrifft, interessiert uns natürlich brennend. Und wir kommen gerade rechtzeitig, um informative News zu erfahren. Der ältere Herr ist südafrikanischer Ehrenranger, deshalb immer auf dem Laufenden, was die diversen Parks anbelangt und referiert gerade über den Zustand der Passstraßen im Richtersveld. Uns wird ganz flau im Magen, als wir hören, dass vor ein paar Monaten starke Regenfälle sämtlichen Pässen bis hin zu deren Unbefahrbarkeit zugesetzt hatten. Der Domorough und der Helskloof hätten besonders schwer gelitten und seien längere Zeit gesperrt gewesen. Nein, nein, bitte nicht! Ist doch der Helskloof Pass das Ziel, an dem wir uns aussetzen lassen wollten - ein absoluter Hotspot für Sukkulenten. Doch der kundige Südafrikaner gibt Entwarnung: der Helskloof sei weitestgehend wiederhergestellt und problemlos zu befahren, lediglich der Domorough hielte noch die ein oder andere schwierige Passage bereit. Puh, Glück gehabt! Das hätte uns jetzt echt den ganzen Urlaub versauen können! Der Helskloof Pass nämlich ist für uns eines der Highlights, wenn nicht gar DAS Highlight dieser Tour und wäre er nun in unerreichbare Ferne gerückt, so würde das einen kaum zu verkraftenden Verlust für uns bedeutet haben. Gott sei Dank ist dem nicht so und wir können unsere unbändige Vorfreude auf die herbeigesehnten, einsamen Stunden mit den sukkulenten Bodenschätzchen weiter pflegen. Ein paar Tage noch, dann ist es so weit!

Nach Erhalt dieser beglückenden Information plaudern wir noch eine ganze Weile sehr entspannt mit dem älteren Herrn, bevor dieser sich verabschiedet und, wie auch wir, seiner eigenen Wege geht. Unser Weg führt uns sofort und stehenden Fußes zu den bezaubernden Bungalows, von denen wir bereits vor Monaten zwei fest gebucht hatten - unabdingbar bei lediglich insgesamt vier verfügbaren Häuschen. Allerdings erfolgte die Buchung lange bevor sich Ute in unsere Tour einklinkte und jetzt, da wir eine Person mehr sind, als ursprünglich vorgesehen, ergibt sich daraus ein kleines Verteilungsproblem. Lösung: Heinz und ich, die wir ja von Anfang an eingeplant waren, bekommen unseren eigenen, privaten Bungalow, während sich Annette und Jochen mit Ute den anderen teilen. Bedauerlicherweise gibt es in jedem der Häuschen aber nur ein Schlafzimmer mit Doppelbett. Als zahlendem Gast wird dieses höflichkeitshalber Ute zugestanden, während Jochen und Annette mit der großzügigen Ausziehcouch im Wohnzimmer vorlieb nehmen, wenn auch mit leicht gezügelter Vorfreude. Klar, jeder von uns hatte sich auf zwei Nächte in einem veritablen, linnenbespannten Bett gefreut, und ich kann Jochens und Annettes dergestalt gemindertes Hochgefühl durchaus nachvollziehen, doch es gibt halt nur zwei Bungalows mit je einem Doppelbett und da müssen wir uns eben arrangieren; wir, die Gäste, und unsere beiden Freunde als Veranstalter der Tour. So, wie es nun ist, ist es in meinen Augen gerecht - und es gibt sicher Schlimmeres, als auf einer breiten Ausziehcouch zu nächtigen. Zumal ja alle anderen Annehmlichkeiten dieser vergleichsweise luxuriös-heimeligen Behausungen jedem von uns gleichermaßen zur Verfügung stehen. Zum Beispiel die spaziösen Duschen, die zutiefst gepflegten Klos, die hervorragend ausgestatteten Küchen, die gemütlichen Wintergärten mit der phantastischen Aussicht und nicht zuletzt die einladenden Braai-Plätze neben jedem der Bungalows.

Thermophilum decemguttatum
Anthia maxillosa
Sonnenuntergang,
Klappe, Ende...










Und zum jetzigen Zeitpunkt steht ein Zubettgehen ohnehin noch nicht zur Diskussion. Die nachmittägliche Sonne nämlich leuchtet freundlich vom Himmel und lädt bei mittlerweile erträglichen Temperaturen zum Genuss eines Sundowners auf der Terrasse ein. Mhm, das Bier zischt, das Panorama begeistert und die Ruhe ist einlullend. So lange, bis mich eine rasche Bewegung, die ich nur kurz aus einem Augenwinkel wahrnehme, aus dieser Ruhe reißt. Was war das? Ha, ein wunderschöner schwarzer Laufkäfer von beachtlicher Größe, mit dekorativen weißen Punkten - und extrem guten Augen. Sobald er wahrnimmt, dass ich mich von der gemütlichen Holzbank erhoben habe, flieht er hurtig ins nahe Gebüsch. Aber den krieg ich! Rasch mache ich meine Kamera schussbereit und lauere dem flinken Insekt auf. Es dauert nicht lange, der Käfer taucht erneut auf und flitzt an mir vorbei. Er sieht mich definitiv, denn er macht einen großzügigen Bogen um mich herum und gibt extra Gas, um sich in die Kehlung der Hausmauer zu retten. Doch dort trifft er auf das nächste Ungemach - einen Artgenossen, der noch um einiges größer ist, als er selbst. Jetzt befindet er sich in der Bredouille - rechts hinten das große, bedrohliche Wesen namens Mensch, links vorne der riesige Konkurrent, und der einzige Fluchtweg unverrückbar verstellt durch die verdammte Hausmauer. Im Bruchteil einer Sekunde bremst der Käfer aus vollem Lauf ab, öffnet todesmutig seine beachtlichen Kieferzangen und richtet sich, noch todesmutiger, zum Angriff auf. Der Konkurrent aber walzt unbeirrt weiter, mit ebenfalls geöffneten Kieferzangen. Doch gegen diesen riesigen Nebenbuhler, das weiß der gepunktete Sechsbeiner wohl instinktiv, hätte er keine Chance. Deshalb nimmt er den Weg des geringeren Übels und flitzt mir bei seinem windeseiligen Rückzug beinahe über die Füße - mitten hinein ins nächste Unglück: ein artfremder Laufkäfer, ungleich größer, komplett schwarz, mit bulligem Nackenschild und furchterregenden Kieferzangen verstellt dem Gepunkteten mit einem Mal den Weg. Der schlägt einen Haken, rennt zurück zur plötzlich willkommenen Deckung meiner Sandalen und ehe ich mich versehe, umrunden die beiden mehrmals meine Füße. Nach dem vierten Kreisel endlich gelingt dem gepunkteten Laufkäfer die Flucht - er bricht aus und verschwindet ungesehen im Gebüsch hinter mir. Der schwarze Feind hingegen benötigt noch eine ganze Runde, um zu realisieren, dass sein Opfer erfolgreich die Biege gemacht hat. Siegesstolz, aber auch leicht verunsichert verlässt er daraufhin die Kreisbahn, schlägt den Weg Richtung Hausmauer ein - und trifft dort seinerseits auf einen Artgenossen, der sich sofort kampfbereit macht. Und ich stehe mittendrin in diesem aufregenden Geschehen und kann mein Glück kaum fassen: es ist wie in einer Kino-Mischung aus „Krieg der Sterne“ und „Gladiator“, alles live! Gespannt folge ich den beiden Kontrahenten auf ihrem Weg des Kräftemessens, umrunde dabei die Hausecke unseres Bungalows und sehe erst jetzt, was hier alles blüht: die kampfeslustigen Käfer haben ganz unvermittelt direkten Chitinkontakt, weil dem rücklings Fliehenden ein Pflanzenbüschel im Wege steht, in dem er sich fast verheddert. Während er sich verzweifelt freikämpft und die beiden Insekten darauf ihre Verfolgungsjagd fortsetzen, widme ich dem „Bremsklotz“ einen näheren Blick, der sich durchaus lohnt! Nichts Sukkulentes, aber etwas hübsch Blühendes - und es ist nicht alleine. Allerdings werde auch ich jetzt etwas ausgebremst; die rasch einfallende Dämmerung lässt mich meine Floral-Inspektionen auf morgen verschieben - da haben wir den ganzen Tag zur Verfügung - und zu meinen Freunden zurückkehren, die mittlerweile vom Bier zum Rotwein übergegangen sind. Das Abendessen brutzelt schon auf dem Grill und in der Pfanne und wir machen uns einen gemütlichen Abend in der eigenen Behausung auf Zeit - und freuen uns auf morgen, einen Tag, an dem wir nicht einen einzigen Kilometer fahren werden. Tut auch mal gut...


Weitere Impressionen des Tages:

Letzte Blicke auf die Küste
Conophytum minutum
var. minutum
Conophytum minutum
var. minutum










Agama atra
Cordylus polyzonus
Trachylepis sp. (?)










Dümpelnde Dominikanermöwe
Sagittarius serpentarius
Mal wieder Oryxe










Bei Riethuis
Eintracht im Winde...
Tylecodonracemosus










Crassula grisea
Eberlanzia dichotoma
Crassula elegans ssp. elegans










Aizoaceae
Tylecodon reticulatus
Cheiridopsis sp.










Cheiridopsis robusta
Aizoaceae
Euphorbia sp.










Adromischus sp.
Haworthia arachnoidea
Conophytum bilobum










Crassula columnaris
ssp. prolifera
Crassula brevifolia
ssp. psammophila
Crassula alstonii










Cheiridopsis robusta
Conophytum bilobum
Tylecodon reticulatus











Cheiridopsis robusta
Crassula alstonii










Monsonia ciliata
Monsonia ciliata
Aizoaceae










Crassula brevifolia
ssp. psammophila
Monsonia ciliata
Crassula muscosa var. muscosa










Haworthia arachnoidea

C. grisea, C. alstonii










Adromischus sp.
Cheiridopsis robusta
Euphorbia sp.























Man wartet auf uns...
Soebatsfontein Pass
Blick vom Pass










Ebene des Headquarters
Ebene des Headquarters
Abendliche Besucher










Aridaria sp. (?)
Crassula alstonii
Conophytum
minusculum
Aloe krapohliana
















Conophytum bilobum
Conophytum bilobum
Crassula columnaris
ssp. prolifera
Aloe dichotoma

5. Oktober 2014; Ruhetag in Skilpad

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Hach, war das eine kuschelige Nacht! Obwohl wir totale Zelt- und Buschfans sind, verachten wir dennoch eine Zwischenübernachtung in einer komfortablen Unterkunft nicht wirklich: abends in ein Bett zu krabbeln, das genehme Sitzhöhe hat und mit frischem Linnen bezogen ist, das Bewusstsein, bei einem nächtlichen Bedürfnis niemanden mit dem lauten Öffnen einen Reißverschlusses zu stören und anschließend barfuß und sandfrei aufs Klo tappern zu können, um sich gleich darauf wieder in die Traumoase zu schmiegen - das hat schon was! Nur die typischen Geräusche einer Nacht im Busch, die ich so sehr liebe, fehlen natürlich. Aber da ich ja ohnehin die meisten Nachtevents gerne verschlafe, schlägt dieser Negativpunkt nicht so schwer zu Buche...

Kurz und bündig: die Nacht war höchst kommod! Tiefenentspannt und ausgeschlafen klettern Heinz und ich aus unserer Matratzeninsel, machen uns frisch und gehen ein paar Meter - rüber zu unseren Freunden im Nachbarbungalow, wo die Drei schon mit einem gedeckten Frühstückstisch auf uns warten. Deren Ruhestunden allerdings waren, zumindest für zwei der Drei, weniger geruhsam als die unsrigen. Die daraus resultierende Knatschigkeit macht sich nun, speziell bei Annette und Jochen, in Form einer gewissen Unleidigkeit und fast greifbaren Spannungen bemerkbar: die beiden haben auf der ausziehbaren Wohnzimmercouch denkbar schlecht geschlafen, weil sich allerlei Ungemach in Gestalt von harten Querstreben und durchgelegenen Polstern unter ihnen breitgemacht hatte und ihnen so den erwarteten, erholsamen Schlaf raubte. Ute hingegen, die als Einzelperson im Doppelbett nächtigen durfte, ist ebenso entspannt wie auch Heinz und ich. Der Hund der angespannten Stimmung liegt wohl genau in dieser Tatsache begraben... Aber die Drei sind erwachsen genug, um das unter sich zu regeln - da wollen Heinz und ich uns partout nicht einmischen. Die spannungsgeladene Stimmung deshalb völlig ignorierend, nehmen wir beide am gedeckten Tisch im Wintergarten Platz, erfreuen uns der kredenzten Köstlichkeiten und fragen nebenbei und genießend nach den Plänen des Tages der anderen. „Wir gehen einfach mal los“", ist die übereinstimmende Antwort. Und so geschieht es auch, nachdem das Frühstück verzehrt, das Geschirr gespült ist und der Tag offen vor uns liegt. Ute ist, wie immer, natürlich als erste „wech“. Wir anderen trödeln, auch wie immer, noch rum, machen uns dann aber ebenfalls allmählich auf: Annette und Jochen verschwinden im Nirgendwo, Heinz schreitet erwartungsvoll hügelaufwärts, nur ich bleibe in der Nähe und erkunde den vergleichsweise kleinen Radius rund um unseren Bungalow, der sich gestern so verheißungsvoll im Dämmerlicht präsentiert hatte.

Lyperia tristis
Pelargonium triste
Lapeirousia fabricii









Und heute, bei vollem Tageslicht, darf ich feststellen, dass es noch viel mehr zu entdecken gibt, als ich gestern erahnt hatte! Zarte Moraeas, fragile Lyperias, keck-bunte Pelargonien, stachelige Acanthusgewächse, üppig blühendes Buschwerk und, ja, sogar Kostbarkeiten wie eine (nicht blühende) Aasblume und knallrot-samtige Hyobanchen sind dabei - und das alles in unmittelbarer Umgebung unseres Bungalows! Das empfinde ich als ganz besonderes Geschenk - den Komfort des nahen Heims, gepaart mit dieser so speziellen Flora. Und ich nutze beides gleichermaßen: aufgrund der bereits wieder spürbaren, bulligen Hitze suche ich zwischendrin öfter den Schatten unserer Veranda auf, schlage etwas Gesehenes in einem unserer zahlreichen Bücher nach, gönne mir einen Schluck Wasser und trabe dann erneut los - ohne dauernd etwas mit mir rumschleppen zu müssen. Was für ein Luxus!

Lobostemon fruticosus
Scabiosa columbaria
Trachyandra falcata










Luxus ist auch, dass ich, obwohl ich mich niemals recht viel weiter als einen halben Kilometer von unserer Behausung entferne, sogar in diesem begrenzten Umfeld wieder einige mir noch unbekannte beziehungsweise bis dato nie gesehene Pflanzen entdecke und erneut viel dazulerne. Zum Beispiel, dass es sich bei der wunderschönen Hyobanche aus der Familie der Sommerwurzgewächse (Orobanchaceae) um einen Vollparasiten handelt, dem jegliche Fähigkeit zur Photosynthese abhanden gekommen ist. Solche Holoparasiten dringen mit speziellen Saugorganen in die Leiterbahnen ihrer Wirtspflanzen ein und versorgen sich so mit allem, was sie zum Leben brauchen. Bequemes Leben! Allerdings sind die meisten Vollparasiten streng wirtsspezifisch, das heißt, sie können nur von einer ganz bestimmten Pflanze leben und, sollte hier ein Mangel bestehen, nicht auf ein anderes, verwandtes oder gar nicht-verwandtes Gewächs ausweichen. Wer im Falle meiner Hyobanche allerdings genau der arme Wirt ist, kann ich leider nicht feststellen, denn diese Parasiten docken unterirdisch an, schieben meterlange Rhizome und treiben ihren Blütenstand dann fernab der angezapften Wirtspflanze. Doch zu buddeln fange ich bei der Hitze sicher nicht an...

Samenstände einer Stapelia
Hyobanche sanguinea
Gladiolus saccatus










Stattdessen widme ich mich der nächsten, mir unbekannten Pflanze, die keine hundert Meter von unserer Veranda entfernt ihre üppig beblumten Zweige mannshoch gen Himmel reckt. Ihre Blütenfarbe changiert von Tönen zwischen schmutzigem Grüngelb über rostiges Orange und rötlichem Braun bis hin zu gedecktem Violett - und das an einer einzigen Pflanze! Seltam! Bei näherem Hinsehen allerdings stelle ich fest, dass die vermeintlichen Blüten gar keine sind. Es sind glockenförmige Gebilde, die weder Staubgefäße noch Stempel beherbergen und somit wohl eher Kelchblätter darstellen. Aber Kelchblätter welcher Blüte? Ich muss das wissen! Nach längerem Gewühle durch das umliegende Gebüsch werde ich endlich fündig: es ist eindeutig ein Lippenblütler, der von der Form her stark an Salbei erinnert, auch die Blätter riechen dementsprechend. Aber so hochwachsend und in DER Farbe??? Ich kenne Salbeigewächse mit weißen, gelben, rosa und bläulichen Blüten, nicht aber mit rostfarbenen! Hurtig befreie ich mich aus dem Gesträuch und eile mit einem Herbar-Muster zurück zum Bungalow. Lange muss ich nun suchen und blättern, doch schließlich ist auch dieses Rätsel gelöst. Es handelt sich hierbei um den sogenannten Goldsalbei (Salvia africana-lutea), der innerhalb der Salbeifamilie tatsächlich eine ungewöhnliche Stellung einnimmt - aufgrund seiner Größe, viel mehr aber noch wegen seiner ungewöhnlich gefärbten Blüten bzw. Pseudoblüten: beginnend im frühen Frühling, schiebt diese Pflanze über lange Monate hinweg immer wieder frische Blüten, die anfangs hellgelb sind, jedoch ziemlich schnell ihre Farbe verlieren und dabei einen Rostton annehmen, ohne total verwelkt auszusehen. Wenn die Blüte aber dann doch irgendwann abfällt, bleibt dieser sehr charakteristische Blütenkelch übrig, der sich farblich in einer großen Bandbreite bewegt, zudem noch wie eine Blüte aussieht - und mich so irritiert hatte. Doch jetzt hab ich ihn dingfest gemacht, diesen seltsamen Busch-Salbei!

Salvia africana-lutea ...
... mit Blüten ...
... und ohne Blüten










Zufrieden hieve ich mich aus dem gemütlichen Korbsessel unseres Wintergartens und schwärme erneut aus, um noch mehr zu entdecken; diesmal jedoch in südöstlicher Richtung statt der bisher Nordwestlichen. Und kaum bin ich ein paar hundert Meter hügelan gestiegen, springt mich schon wieder etwas an, diesmal aber wesentlich bodennäher als der hochgewachsene Salbei: es ist ein Asterngewächs mit knallorangen Blütenblättern auffälliger Zeichnung, die sich um ein dunkelbraunes Körbchen radial auffächern. Och neee, ein Asterngewächs, ein richtig plakatives noch dazu... Damit habe ich ganz besondere Identifikationsprobleme (wie mit den unscheinbaren, graubraunen kleinen Vögeln) - Dimorphotheka, Ursinia, Gazania, Gorteria, Arctotheca und Konsorten; ich werd’ noch irre! Aber hier habe ich etwas vor mir, was besonders rätselhaft aussieht: aus einigen, augenscheinlich artgleichen Pflanzen wachsen Blüten, deren Blütenblätter extrem unterschiedlich aussehen. Die meisten präsentieren sich in einem prägnanten Müllmann-Orange und haben da, wo sie aus dem schokoladenfarbenen Körbchen sprießen, zumindest einen oder auch mehrere gezackte, ebenfalls schokobraune Flecken, anderen Blütenblättern hingegen fehlt dieses Merkmal gänzlich. Eine Blüte aber ist dabei, welche ganz besonders auffällig ist und deshalb meine spezielle Aufmerksamkeit erregt: auch sie hat knallorange Blütenblätter und ein dunkelbraunes Körbchen, doch dort, wo das eine aus dem anderen wächst, tut sich etwas Seltsames. Es sieht aus wie ein zusätzlich aufsitzendes, dunkelbraun glänzendes Lackplättchen, pro Blütenblatt genau eines, und es verändert den „Look“ der Blüte komplett. Mit einem zahnstochergroßen Zweig lupfe ich eines dieser Lackplättchen - und sehe darunter genau das, was die anderen Blüten zeigen - nämlich samtig-braune Flecken oder eben blankes Orange. Woah, was ist das jetzt wieder? Aber ich komme der Sache auf die Spur: Es handelt sich um eine Gorteria diffusa (Nomen est omen) und diese wird unter anderem von einer Hummelfliege des schönen Namens Megapalpus nitidus bestäubt - die, man höre, den aufsitzenden Lackplättchen verblüffend ähnlich sieht! Eine Studie hat bewiesen, dass männliche Megapalpus-Fliegen geradezu magisch von diesen zusätzlichen Gorteria-Flecken angezogen werden. Als man diese Plättchen nämlich entfernte, gingen die Besuche der Wollschweber signifikant zurück.

Gorteria diffusa
ssp. calendulacea
Gazania heterochaeta
Moraea sp.










Im weiteren Verlauf der Studie wurden nun statt der Plättchen schwarze Tuschepunkte aufgemalt und zeigten ein ähnlich mageres Ergebnis: die Fliegen reagierten nicht darauf. Der nächste Schritt war folglich eine rasterelektronenmikroskopische Untersuchung der Zusatzflecken und das Ergebnis war ebenso aufschlussreich wie auch faszinierend: die aufsitzenden Plättchen bestehen aus einer ganzen Menge unterschiedlicher Zelltypen, deren UV-Reflektionseigenschaften die der Wollschweber nahezu perfekt nachahmen und somit die männlichen Fliegen anlocken, weil diese denken, hier wären Weibchen zu finden. Allerdings hatte die Entfernung der insektennachahmenden Plättchen keinen nennenswerten Einfluss auf die Samenbildung der Gorteria und das ist doppelt interessant, denn genau diese Tatsache bedeutet, dass wir Live-Zeugen eines evolutorisch bedeutenden Prozesses sind: die Gorteria vermehrt sich gut mittels der Bestäubung durch unterschiedlichste Insekten, ist aber offensichtlich gerade dabei, sich auf einen einzigen Vermehrungshelfer zu spezialisieren, nämlich die Hummelfliegen, deren Aussehen und UV-reflektorische Eigenschaften sie mit ihren Aufsatzplättchen Eins zu Eins imitiert!

Cyanella hyacinthoides

Wahlenbergia annularis










Das sind Erkenntnisse, die mich total faszinieren und immer wieder in die Mitte meiner eigenen Existenz rücken - ich bin ein winziger Teil des großen Ganzen, habe viel zu wenig Ahnung, was um mich herum wirklich passiert, bin aber so dankbar dafür, mich dergestalt einnorden zu können - und mich klein fühlen zu dürfen. Geplättet vom Informationszuwachs des heutigen, „untätigen“ Tages, sitze ich nun gerade in einem Korbsessel unserer verglasten Veranda, als Heinz plötzlich von seiner Exkursion wiederkehrt. Und er ist nicht weniger entzückt über den heutigen Tag als ich! In nördlicher Richtung oberhalb unseres Bungalows hatte er eine kleine Quelle entdeckt, an der sich zahlreiche Vögel tummelten und diese ausgiebig beobachtet. Begeistert zeigt er mir seine Fotos - lauter kleine, graubraune Vögel! Während ich mich also mit meinem „Lieblings-Spezialgebiet“ Asteraceae herumgeschlagen hatte, beobachtete Heinz das ornithologische Pendant dazu - mit dem einen Unterschied: er kennt sich mit den Graubraunen richtig gut aus! Ohne Zögern identifizierte er bei dem Vogelgewurl an der Quelle sofort zwei Girlitzarten, Kapbülbüls, ein paar Brillenvögel und eine Lerche. Mhm, bis auf die Bülbüls, die durch ihren Augenring unverkennbar sind, sehen die anderen für mich eben nur klein und graubraun aus. Aber auch das werde ich irgendwann noch lernen - vielleicht...

Damara-Alarios
Karoolerche (?)
Kap-Bülbüls










Im Gegenzug berichte ich nun natürlich auch von meinen Sichtungen. Aber bevor ich ihm die Pflanzen am Kameradisplay zeige, gehen wir lieber gemeinsam los und nehmen die Kleinodien persönlich in Augenschein. Zu zweit, untermalt von meinem neu erworbenen Wissen, macht’s einfach noch mehr Spaß. Vergnügt schlendern wir den restlichen Nachmittag durch das Gebüsch vor unserem Bungalow und genießen unser gemeinsames Interesse und die Zweisamkeit. Unaufhaltsam senkt sich jedoch die Sonne gen Horizont, und als wir die Stimmen unserer Freunde nebst dem Knacken von Feuerholz hören, trennen wir uns von unserem kleinen, artenreichen Vorgarten und ziehen um zum Nachbarbungalow, um den Tag gemütlich beim Grillen zu beschließen. Ein hübscher Sonnenuntergang und deftige Steaks geleiten uns in den Abend hinein, den wir im windgeschützten Wintergarten ausklingen lassen. Den ganzen Tag haben wir nichts getan, sind aber trotzdem sooo müde! Gähnend helfen wir noch Annette und Jochen, ihren Schlafplatz auf dem Boden des Wintergartens einzurichten - das unbequeme Sofa bekommt keine zweite Chance mehr -, dann wandern wir zurück in unser eigenes Domizil, wo wir uns bei einem After-Sundowner seelisch auf den morgigen Turbo-Fahrtag vorbereiten, vor dem uns schon richtig graut. Damit wir dafür maximal gestärkt und erholt sind, zieht es uns jedoch bald in unser luxuriöses Schlafgemach, wo wir wohlig in den leise raschelnden Kissen versinken.


Weitere Impressionen des Tages:

Lapeirousia fabricii
Microloma sagittatum











Hyobanche sanguinea
Ursinia sp.
Acanthopsis carduifolia










Wahlenbergia polyclada
Gladiolus saccatus
Ursinia sp










Gorteria diffusa
ssp.calendulacea
Wahlenbergia annularis
Lyperia tristis










Lapeirousia fabricii
Moraea sp.
Blick auf die Bungalows










Centipede
Grüner Hüpfer
Damara-Alarios
und Weißkehlgirlitze










Wintergarten des Bungalows
Gecko an der Hausmauer











Salvia africana-lutea

6. Oktober 2014; Skilpad Flower Reserve > Port Nolloth > Richtersveld NP, Potjiespram

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Nur widerwillig stemmen wir uns heute morgen aus den Betten, packen unser Zeug, duschen und traben zu einem raschen Frühstück hinüber zu unseren Freunden. Anschließend bringen wir das Küchenequipment des Bungalows wieder in seinen Urzustand, sammeln unsere Gepäckstücke, verstauen diese in den Autos und machen uns zeitig auf den unvermeidlichen Weg ins heiß herbeigesehnte Richtersveld. Mehrere hundert Kilometer öder Teerstraße und staubiger Gravelroad liegen nun vor uns, ein lästiger Großeinkauf inklusive. Aber als Belohnung winkt immerhin unser absolutes Traumziel, wenngleich wir heute nur dessen unhübschestes Camp, Potjiespram, erreichen werden. Doch gut Ding will eben Weile haben und wer ins Richtersveld will, muss leiden - das besagen schon alte, wenn auch teilweise abgewandelte Sprichwörter...

Selbstgebackenes Brot
Unsere Frühstückstafel
Letzte Meter im Park













Seufzend besteigen wir also unsere Transportkisten und ötteln los. Wir passieren Skilpad Office, durchfahren das Gate und haben bereits auf fahrschmerz-mildernden Durchzug geschaltet, als wir kurz darauf etwas tun dürfen/müssen, was in all den Jahren davor noch nie nötig gewesen war: wir sind gezwungen, einen Schildkrötenslalom zu absolvieren! Überall nämlich sind diese Reptilien plötzlich unterwegs, wie aus dem Boden gewachsen, wie auf einer Plantage. Sie überqueren die Fahrspur, bevölkern jeden umliegenden, sichtbaren Quadratmeter. Große, kleine, staubige, wie frisch gewaschen aussehende. Es ist völlig verrückt. Aber jetzt wissen wir wenigstens, dass die Skilpad Section ihren Namen zu recht trägt - Skilpad ist das afrikaanse Wort für Schildkröte. Wir alle sind völlig begeistert, allein Jochen empfindet eine kleine Restunzufriedenheit: was wir hier sehen, und zwar ausnahmlos, gehört der Spezies Afrikanische Schnabelbrustschildkröte (Chersina angulata) an, die bekannteste Schildkröte des Namaqualands ist jedoch die kleinste der Welt - die Gesägte Flachschildkröte (Homopus signatus) - deren Panzer allerhöchstens eine Länge von 11 Zentimetern erreicht. Jochen, wie sollen wir in diesem Gewimmel aus dem Auto heraus akkurat so einen von dir herbeigesehnten Winzling entdecken - das wäre wirklich purer Zufall? „Jochäään!“, quäkt es auch aus dem Walkie-Talkie, „wir müssen echt weiter!“. Annette mahnt zurecht zur Eile, doch Jochen trennt sich nur sehr zögerlich und extrem schweren Herzens von der Reptilien-Anpflanzung. Schließlich aber mäandern wir zügig zwischen den gepanzerten Tieren hindurch, bevor der Spuk kurz vor Kamieskroon ohnehin ein abruptes Ende findet. Von einem Meter auf den anderen ist die Gegend plötzlich völlig schildkrötenfrei und wir alle können endlich guten Gewissens auf den erforderlichen Fahrtag-Modus herunterfahren. So verlassen wir die Gravelroad, biegen auf die geteerte N7 und streben unser nächstes „Highlight“ des Tages an: einen Supermarktbesuch in Springbok, der Metropole des Namaqualands.

Kamieskroon
Die N7 Richtung Norden
Noch ist die Landschaft
ansprechend















Zähe Stunden später laufen wir dann auch schon in dieser Drehscheibe des Nordens ein und stellen unsere Autos auf dem gutbesuchten Parkplatz des örtlichen Supermarktes ab. Annette und Jochen erklären sich bereit, die Shoppingtour alleine zu absolvieren, worüber wohl niemand dankbarer ist als ich! Nun ja, Ute ist darüber ebenfalls nicht böse - sportlichen Schrittes saust sie sofort los. Wohin? Will sie den Hausberg Springboks, der kahl und wenig einladend aus Nordosten auf uns herabblickt, besteigen? Wir haben gar keine Chance zu fragen, so schnell ist sie weg, doch widmen uns jetzt ohnehin lieber unseren eigenen Angelegenheiten: Zunächst betreten wir zu diesem Behufe tatsächlich die Höhle des Löwen, sprich den Riesenladen, und versorgen uns dort mit Softdrinks und einem kleinen Vorrat an hitzeresistenten Süßigkeiten. Schnell sind wir jedoch wieder draußen und versuchen nun unser Telefonglück mit der Heimat , was bei dem monströsen Sendemast auf dem gegenüberliegenden Berg kein Problem sein dürfte! Tatsächlich schallen kurz darauf die kristallklaren Stimmen unserer daheim verweilenden Lieben an unsere Ohren und wir sind in der Lage, einen kurzen Statusbericht über unseren positiven Gesamtzustand zur Beruhigung aller abzugeben, bevor wir bald erneut im netztechnischen Off verschwinden. Ach, wären wir nur schon da!

Nach anderthalb Stunden langen tauchen auch endlich Annette und Jochen aus den Tiefen des Spar Markets wieder auf und rollen mit zwei übervoll bepackten Einkaufswägen auf uns zu. Oh je, das muss nun alles verstaut werden... Schwitzend klamüsern wir die erworbenen Lebensmittel nach ausgeklügelten Sortierkriterien auseinander und schlichten, logistisch möglichst sinnvoll, Stück für Stück in Kühlschränke, Kisten, Netze und Kartons. Als endlich alles drin ist, geht es ab zum Drankwinkel (Getränkeladen mit alkoholischem Sortiment), um dort die Sundownervorräte aufzustocken, für die wir wohlweislich genügend Stauraum freigelassen haben. Puh, geschafft! Wir klettern an Bord und rollen zwei Parkplätze weiter, rüber zu einem Take Away. Dort versorgen wir uns rasch mit fettig-heißen Samosas, gefüllten Teigtaschen, die trotz unterschiedlichen Inhalts allesamt relativ gleich schmecken und auch kulinarisch keine große Offenbarung darstellen. Aber was soll’s - satt machen die Dinger jedenfalls, und in Kombination mit einem extrem zuckerhaltigen Kaltgetränk sind sie auch schnell runtergespült. Der Energiehaushalt ist also wieder im Plus, der Magen beschäftigt und wir können weiter. Hurtig verlassen wir so Springbok, um unbedingt noch vor Einbruch der Dunkelheit im Richtersveld NP anzukommen.

Wir nähern uns Steinkopf
Tief religiöse Gegend ...
... mit Orthografieschwächen













Also nix wie rauf auf die N7, Richtung Norden, links abbiegen in Steinkopf, hoch auf den Anenous Pass, Pinkelpause an einem vermüllten Parkplatz, auf der anderen Seite des Passes wieder runter und dann immer geradeaus, nach Port Nolloth. Die wirklich öde Strecke, die so öde gar nicht wäre - könnte man nur die Landschaft links und rechts der Straße zu Fuß erkunden - zieht sich endlos. Eine entzückende Abwechslung allerdings bieten zahlreiche brütende Schildraben, die mit hingebungsvoll geneigten Köpfchen in ihren Nestern sitzen, die sie offenbar mit Vorliebe in den Kehlungen der Stromleitungs-Isolatoren errichten. Es rührt mich zutiefst, die neugierigen, manchmal auch streitbaren, aber stets taffen Rabenvögel so versunken und liebevoll auf ihren Nestern sitzen zu sehen. Und manchmal erspähen wir sogar schon Nachwuchs - spärlich befiederte Köpfchen mit weit aufgerissenen Schnäbeln recken sich wackelig über die Nestränder hinaus und warten auf Futter. Wie gerne würde ich jetzt aussteigen, auf so einen Mast klettern und die Vögelchen liebkosen! Aber, so fürchte ich, würde ich mich da weder bei meinen Mitreisenden noch bei den Rabeneltern sonderlich beliebt machen... Also bleibt es bei dem herzerwärmenden Gedanken, der mir jedoch die weitere Fahrt nach Port Nolloth erheblich versüßt - so vergeht die Zeit auf jeden Fall rascher und angenehmer.

Die Küstennebelwand
Altes Minengebäude
Port Nolloth im Restnebel













Als wir ungefähr noch achtzig Kilometer von dem Küstenkaff entfernt sind, reißt mich ein für diese Gegend ganz typischer Anblick plötzlich aus meinen Tagträumereien: am Horizont steht eine schmutziggraue Wolkenwand, die wenig einladend aussieht, aber umso lebensspendender ist. Es ist der berühmte Nebel der namibischen Küste, der durch die eklatanten Temperaturunterschiede zwischen dem eiskalten Ozean und dem glühendheißen Landstreifen am Meer entsteht. Oft zieht dieser Nebel mehr als hundert Kilometer landeinwärts, löst sich meist nur zögerlich oder auch gar nicht auf und verbreitet eine feucht-dumpfe Stimmung, die einem strandaffinen Menschen so gar nicht gefallen will. Doch er ist lebenswichtig für viele Tiere und Pflanzen dieser Nebelzone, die mit dem ausfallenden Wasser des Nebels ihren Flüssigkeitshaushalt im Gleichgewicht halten. Und der mitteilungsbedürftige Hobbywissenschaftler in mir würde nun auch gerne Ute, die das Phänomen wahrscheinlich nicht kennt, zumindest nicht in der von mir geplanten epischen Breite, darüber aufklären. Beherzt greife ich deshalb zum Walkie-Talkie, drücke den Sprechknopf und artikuliere deutlich: „Ute, siehst du die Wolkenwand da vorne?“ „Chhhhrrrrrrzwas? Chhhrzzzz.“ „Wol-ken-wand, du se-hen...?“ „Chrrrrzzzzz, was, chhhhrrr, Problem …?“ „Alles okay!“ „Chrrrrzzzz okay! Bald chrrrrz-da!“ Mein Gott, warum eigentlich funktionieren diese bekloppten Sprechfunkteile nie, wenn man sie mal braucht - und das ist jetzt noch nicht mal im Entferntesten ein Notfall?! Entnervt lege ich das Gerät beiseite, behalte mein Wissen schmollend für mich und ergehe mich stattdessen wieder in meinen eigenen Gedanken. Dabei entgeht mir allerdings nicht, dass die Nebelwand mit jedem Kilometer, den wir Port Nolloth näherkommen, mindestens um die fünffache Strecke Richtung Meer zurückweicht und sich schließlich ganz auflöst. Bei strahlendem Sonnenschein laufen wir schließlich in dem kleinen Küstenort ein, halten an der Tankstelle und ich werde gefragt, welches Problem wir denn gehabt hätten. Problem? Ne, ich wollte nur fragen, ob ihr die Nebelbank gesehen habt. Nebelbank? „Ach, schon gut!“, wehre ich ab, denn mein Mitteilungsbedürfnis ist gerade so gut wie nicht mehr vorhanden. Und Ute wird sicher nicht dumm sterben, wenn ich ihr das jetzt nicht reindrücke - zudem sie an dem Kommunikationsproblem von vorhin keinerlei Schuld trägt. Stattdessen wenden wir uns lieber für uns lebensnotwendigen Dingen zu und tanken unsere Autos randvoll, bevor wir ins südafrikanische Outback abtauchen - ins Richtersveld, da, wo es nichts außer großartiger Flora und unvergleichlich schöner Landschaften gibt.

Während also die Tanks unserer Kisten befüllt, die Fenster geputzt und die Ölstande geprüft werden, begeben Heinz und ich uns ein letztes Mal in die schöne Welt des Konsums: wir besichtigen den Laden, der der Tankstelle direkt angegliedert ist und zahlreiche Preziosen für den angel- und jagdaffinen Humanoiden beherbergt. Nun zählen wir so gar nicht zu dieser seltsamen Subspezies der Menschen, doch trotzdem gibt es hier auch für uns tolle Sachen. Spezielle Taschenlampen, raffinierte Outdoor-Gerätschaften, nützliche Jagd-Utensilien, die man prima für andere, wesentlich friedlichere Vorhaben zweckentfremden könnte - und jede Menge Camouflageklamotten - auch aus Fleece. Und da stehe ich persönlich ja ganz besonders drauf! Nie würde ich zwar so ein Tarn-Teil in der Öffentlichkeit, geschweige denn im Urlaub tragen (oder doch?), trotzdem aber gibt es kaum etwas Verlockenderes als ein veritables Camouflage-Fleece-Outfit, mit dem ich mich zuhause aufs Sofa fläzen, ins Bett kuscheln kann. Mit den tiefenpsychologischen Hintergründen dieser Vorliebe möchte ich mich jetzt lieber nicht auseinandersetzen - noch dazu, wo ich die Farbe Rosa in allen Schattierungen zutiefst verabscheue... Ach, und hier gäbe es Schlumperhosen, Sweat- und T-Shirts in diversen Tarnmuster-Variationen, zum Teil auch aus Fleece. Doch Heinz und ich haben uns noch lange nicht bis zur Entscheidungsreife durch den Shop gesehen und getastet, als Annette ihren Wuschelkopf zur Ladentür reinstreckt und schon wieder zur Eile mahnt - erneut zurecht. Traurig nehmen wir also, ohne etwas gekauft zu haben, Abschied von all den verlockenden Equipment-Schätzen und quälen uns seufzend und mit leeren Händen zurück auf unsere Autositze, um stante pede weiterzuötteln.

Straße nach Alexander Bay
Abraumhalde
Bald haben wir
die Minen hinter uns!















Lange Zeit führt die Straße nun schnurgerade auf einer recht öden Teerstraße, parallel zur Küste, dahin, bis sie kurz vor dem Grenzstädtchen Alexander Bay nach rechts abbiegt und bald darauf zur Gravelroad wird, die noch trostlosere Gegenden durchschneidet. Abgestorbene Eukalyptusbäume, nackte Abraumhalden, schwere Minenfahrzeuge, der örtliche Schlachthof und windgebeutelte Farmen inmitten dieser von Menschen verwüsteten Landschaft, wo man, sprich ich, nicht mal tot über den gelegentlich sehr präsenten Zäunen hängen möchte. Die von Süden kommende Zufahrt zum Richtersveld NP ist wahrlich eine an die Nieren und das Gemüt gehende Tortur! Doch schließlich haben wir auch das geschafft - die Berge des südwestlichen Richtersvelds tun sich in nachmittaglichem Dunst vor uns auf, wir biegen links davor ab, passieren noch diverse, weniger schöne Minengebiete an der Parkgrenze, bis wir bald Helskloof Gate hinter uns haben und endlich-endlich in Sendelingsdrif ankommen! Pah, ist das jedes Mal eine nervtötende Strecke...

Die letzte Mine ist geschafft!
Helskloof Gate
Oranje bei Sendelingsdrif













Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir zwar noch immer nicht am Ziel unserer Träume, doch es ist zumindest in greifbare Nähe gerückt. Rasch checken wir gegen 16 Uhr am Hauptgate ein, voller Vorfreude - sogar auf das verbuschte Potjiespram - und nehmen eine dreiviertel Stunde später, mit allen Papieren ausgestattet, die Reststrecke von knapp zehn Kilometern zum heutigen Tagesziel in Angriff. In der beginnenden Dämmerung schließlich laufen wir ein. In Potjiespram, einem zugewachsenen, nicht besonders reizvollen Camp direkt am Oranje. Man hört den Fluss rauschen, die Sanitäreinrichtungen sind gepflegt, man ist relativ einsam – wahrscheinlich aber auch nur, weil es hier so unansprechend ist… Wir können uns deshalb auch einfach und konkurrenzlos die einzig akzeptable Campsite greifen, wo wir sogar vereinzelte Vögel entdecken, nebst ein paar interessanter Insekten und zahlreicher Ziegen der Nama, die überall ihren Kot hinterlassen. Auch übergriffig-diebische Meerkatzen-Banden treiben hier, wie immer gerne ihr Unwesen – aber egal, denn wir sind im Richtersveld - und das ist das einzige, was zählt. Wir sind da - und morgen dringen wir in die wirklich interessanten Tiefen dieses einmaligen Gebietes vor. Das ist Heinz und mir Trost genug. Und auch unsere drei Freunde sind glücklich über unsere Ankunft im legendären Richtersveld, glücklich über einen verdienten Feierabend an einem rauschenden Fluss, an dem man vor lauter Dunkelheit ohnehin nichts mehr sehen kann, über unsere rasch errichteten Zelte, das gemütliche Abendessen und die einsame Nacht, deren vertraute Naturgeräusche uns sehr bald in einen wohlig-erschöpften Schlaf lullen. Was uns morgen erwartet? De Hoop, das schönste aller flussnahen Richtersveld-Camps - und der Weg da hin - so habe ich es bisher erlebt und empfunden. Was uns morgen wirklich erwartet? Wie gut, dass ich das heute Abend noch nicht im Geringsten erahne - zumindest die Situation in De Hoop...



Weitere Impressionen des langen Fahrtages:

Ortsbeschriftung am Berg

Steinkopf












Heutransport an die Küste
Nicht gerade ansprechend...
Runter vom Anenous Pass











Küstennebel
Oranje bei Sendelingsdrif












In Potjiespram
Besucher im Camp:
Anthia maxillosa

7. Oktober 2014; Richtersveld NP, Potjiespram > De Hoop

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In aller Einsamkeit und frühmorgendlicher Ruhe erwachen wir erholt in unserem  verbuschten Camp, sparen uns aber die obligatorische Morgenpirsch per pedes, denn hier braucht man eine Machete, um ans Ufer des Oranje vorzudringen - der einzigen Richtung, in der man etwas Sehenswertes entdecken könnte. Selbst die dichten Baumkronen über unseren Köpfen, meist Garanten für die Sichtung zumindest einiger Vogelarten, sind heuer fast wie leergefegt. Was allerdings im Überfluss vorhanden ist, das sind Ziegen, die überall durchs Gebüsch zockeln und einen Teppich von Kötteln hinterlassen... Ich weiß genau, warum ich Potjiespram nicht sonderlich mag; da kann auch die Tatsache, dass es sicher nie überfüllt ist, nichts daran ändern. Leider aber ist es als Erstübernachtungscamp beinahe unvermeidlich, vor allen Dingen, wenn man von weiter her, sprich von den Augrabies Falls oder, wie in unserem Fall, aus Skilpad anreist. Näher gelegene Zwischenübernachtungs-Orte, die zeitlich ein Überspringen Potjiesprams erlauben würden, sind Port Nolloth oder Alexander Bay - die jedoch stellen keine wirklich hübschere Alternative dar. Besser ist also, die irre Fahrstecke nach Potjiespram auf sich zu nehmen; dann ist man wenigstens bereits direkt vor Ort, da, wo „unser“ Richtersveld so richtig beginnt.

Noch ist es diesig
Pachypodium namaquanum
Blütenknospen
Aloe ramosissima














Und nach einem relaxten Frühstück, begleitet von der fast alltäglichen Packaktion, machen wir uns endlich auf den Weg in diese unergründlich schönen Tiefen eines Fleckchens Erde, das spezieller nicht sein könnte! Wir verlassen leichter Herzen das Oranjetal und juckeln hinauf über den Swartpoort Pass, einem „Pass“, der seinen Namen nicht wirklich zurecht trägt. Es geht halt ein bisschen bergauf, herauf vom Flusstal, in eine sandige Ebene, die aber kaum Highlights bietet. Gut, vor einigen Jahren sahen wir hier einige Hoodias in voller Blüte, doch, wie auch letztes Mal, ist hier heuer eher tote Hose angesagt. Macht aber nix, denn wir sind ja gerade erst losgefahren... Wir bringen also die relativ uninteressante Strecke hinter uns, biegen am Kreuzungspunkt R1, wo wir gestern Nachmittag nach Potjiespram runtergefahren waren, aus Westen kommend, in östliche Richtung ab und nehmen Kurs auf den Halfmens Pass. Auch der verdient die Bezeichnung Pass nicht, zumindest nicht im klassischen Sinne, dafür aber - um so mehr - seinen „Vornamen“ Halfmens, denn die steilen Hänge rechts und links der Fahrspur sind Standort eines der bekanntesten Endemiten dieser Region - des legendären Pachypodium namaquanum, das mit seiner mehr oder weniger an Menschen erinnernden Form seit jeher Stoff für Legenden liefert - und natürlich für botanisch Interessierte ein besonderes Highlight darstellt.

Ergiebige Hänge
Blick in die Berge
Crassula subacaulis ssp. erosula













Es ist schon ein besonderes Ereignis, solch seltene Pflanzen zum ersten Mal „in echt“ an ihrem natürlichen Standort zu sehen; entsprechend begeistert waren selbstverständlich auch wir bei unserem ersten Besuch im Richtersveld. Heute jedoch sind wir bereits zum wiederholten Male vor Ort, was aber nichts an unserer Begeisterung ändert, im Gegenteil. Denn es kommt noch ein ganz spezielles Gefühl dazu, das uns warm und wohlig umfängt - die Wiedersehensfreude mit alten Freunden! Strahlend klettern wir bergan und begrüßen sie, die uns wohlbekannten, skurrilen Pflanzengestalten, indem wir ihnen sanft über die gekräuselten Blattschöpfe streicheln, ihren langen, dünnen Dornen sirrende Töne entlocken oder ihnen einfach nur zunicken. Und heute krabbeln nicht nur Heinz und ich zwischen den Felsbrocken der Hänge umher, auch unsere Mitreisenden sind mit von der Partie - und das ebenfalls mit großer Freude. Sogar Ute war gespannt auf diese bizarren Hundsgiftgewächse, die als Highlight in jedem Reiseführer (sofern er das Richtersveld überhaupt beinhaltet) genannt werden. Doch die Pachypodien, so eindrucksvoll und faszinierend sie auch sind - vor allen Dingen, weil einige Exemplare gerade zu blühen anfangen - sind natürlich nicht die einzigen Pflanzen, die hier wachsen und etwas zu bieten haben.

Crassula deceptor
Crassula tomentosa
Cotyledon orbiculatus













Mit diesen jedoch verbindet nur Heinz und mich ein inniges Band der Freundschaft, unsere Freunde gehen zumeist achtlos an ihnen vorbei - den winzigen Crassulaceen, den unscheinbaren Stapelien in ihrer Ruhephase, den seltsamen Cerarias und vielen anderen, die weder mit Größe noch mit spektakulären Blüten beeindrucken können. Ganz kann ich diese, ich will es nicht wirklich Desinteresse nennen, besser ist vielleicht Leidenschaftslosigkeit oder Ungerührtheit, nicht verstehen, denn alles, was hier an Pflanzen zu sehen ist, ist so besonders, so wundervoll, so schön und zudem auch ganz einzigartig. Jochen hatte sich auf unserer letzten Tour ja mal ansatzweise beschwert, wir würden nichts über die Gewächse erzählen. Aber was sollen wir denn zum Besten geben? Mehrfach habe ich bereits versucht, die Nama-Legende bezüglich der Halfmense an den Mann zu bringen und die Überlebensstrategie der Pachypodien darzulegen, über den Cassulaceen-Säuresstoffwechsel zu referieren, mein Wissen über die Hybridisierungsfähigkeiten der drei Baumaloe-Arten des Richtersvelds zu teilen und über die wissenschaftlich bewiesene Notwendigkeit eines gewissen Weidedrucks auf dieses hochsensible Vegetationsgebiet zu erzählen, mich über die mikroklimatischen Auswirkungen von Quarzkieselansammlungen auf die Vegetation auszubreiten, über die Relevanz von Zellzusammensetzung bezüglich der evolutorisch bedeutsamen Vermehrungsstrategie gewisser Asteraceen zu berichten... Aha, ach, ok - das waren die Reaktionen. Ach Mann, was soll ich denn noch machen? Interessanter wird es nicht - kann es nicht werden, denn das ist bereits ultimativ interessant. Und ich, das bilde ich mir zumindest ein, kann ganz gut erzählen, die teils schwer verständlichen, wissenschaftlichen Berichte, die ich in großer Zahl lese, recht anschaulich übersetzen und sie einigermaßen unterhaltsam und informativ wiedergeben. Ahöm, klar, ein Löwenrudel, das dösend im Schatten liegt und dessen Mitglieder sich maximal einmal pro Stunde bewegen - Schwanzgewackel hier, Ohrengeschlackere da und, boah, einer dreht sich allen Ernstes um - ist für viele Menschen anscheinend ungleich prickelnder.

Monsonia ciliata
Stapelia similis
Kleinia longiflora













Nun ja, was das anbelangt, werden wir wohl nie ganz zusammenkommen, aber wir alle geben uns redliche Mühe, uns zumindest in der Mitte zu treffen. Und das gelingt uns ganz gut. Deshalb erklären wir uns jetzt auch ohne Murren bereit, von den Halfmens-bestückten Hängen zu klettern und den Weg fortzusetzen. Langsam juckeln wir weiter durch die abwechslungsreiche Landschaft, genießen die schönen Ausblicke und freuen uns auf den Akkedis Pass, den wir uns einige Zeit später nach oben schrauben, um auf dessen höchster Erhebung erneut anzuhalten. Und auch hier erklimmen wir selbstverständlich die umliegenden Hänge, die eine ähnlich dichte, aber deutlich andere Vegetation beherbergen. Es gibt keine Namaqua-Pachypodien, dafür aber zahlreiche Euphorbien, Cerarien, Mesembs und Crassulaceen. Dem Botanik-Laien wird dieser Unterschied kaum ins Auge stechen, doch Heinz und ich wissen um die unglaubliche Diversität und Standortabhängigkeit im Richtersveld und sind jedes Mal aufs Neue davon begeistert. Eine ganze Weile machen wir freudig Bestandsaufnahme und delektieren uns an unseren kleinen Freunden, während unsere Reisegenossen ebenfalls zwischen den Felsen umherstapfen und sich ihrerseits freuen, sich körperlich betätigen zu können. So nutzen wir alle unseren Halt für das, was uns am meisten Spaß macht, ohne uns gegenseitig zu nerven.

Tylecodon buchholzianus
Ceraria namaquensis
Euphorbia gummifera













Nichtsdestotrotz müssen wir nach einer erquicklichen Stunde langsam ans Weiterfahren denken, denn es liegt noch ordentlich Strecke vor uns. So kommt es, dass wir wenig später wieder an Bord gehen, uns vom Akkedis Pass verabschieden und talwärts ötteln, hinunter in die Koeroegab Plains, die botanisch nicht allzu viel zu bieten haben. Im Herbst wuchern hier zwar beeindruckende Mittagsblumen - Mesembryanthemum barklyi - deren Blätter über und über mit in der Sonne glitzernden, perlenförmigen Wasserbläschen bedeckt sind, die an den gekräuselten Blatträndern von sattem Grün zu einem intensiven Himbeerrot wechseln und mit diesem Farbkontrast einen wunderschönen Anblick bieten. Doch jetzt, im Frühling, ist von den krautigen Mesembs noch nicht viel zu sehen, sodass wir guten Gewissens ohne Stopp durchfahren können. Erst einige Stunden später, wir haben De Hoop schon fast erreicht, halten wir erneut an. Ein kleines Tal führt hinab zum Oranje und ist an beiden Seiten von schroffen Felsen bestanden, in deren Ritzen besondere Schätze wachsen: es sind Euphorbien, deren Wuchsform stark an Kakteen erinnert und die von vielen Touristen auch für solche gehalten werde. Doch in Afrika gibt es, bis auf eine Gattung (Rhipsalis), ursprünglich keine Kakteen. Das, was man auf dem Schwarzen Kontinent an Kakteenartigem sieht, sind also entweder eingeführte Exemplare oder aber Euphorbien.

Euphorbia virosa
Euphorbia virosa - Blüten
Euphorbia virosa













Hier, an den Rändern des Tals, handelt es sich zum Beispiel um besonders schöne Exemplare der Spezies Euphorbia virosa. Allerdings hat es das unschuldig aussehende Wolfsmilchgewächs in sich - es zählt mit zu den giftigsten Vertretern dieser Gattung, und nicht zu Unrecht ist sein afrikaanser Name „Gifboom“. Die Virosa sondert bei Verletzung, wie übrigens auch alle anderen Euphorbien, einen Milchsaft ab, im Falle der Virosa aber ist der besonders giftig. Er enthält große Mengen von krebsauslösendem und auch sonst nicht gerade bekömmlichem Phorbolester, kombiniert mit ätzender Tiglinsäure und haut- und atemwegsreizender Isobuttersäure. Der Milchsaft wurde – und wird – von den San als Pfeilgift benutzt, ruft bei Hautkontakt heftigen Ausschlag und Verätzungen hervor und kann, ins Auge gerieben, zu dauerhafter Blindheit führen. Es sind sogar Fälle bekannt, bei denen Menschen zu Tode kamen: beim Feuerholzsammeln vergriffen sie sich unwissentlich an vertrockneten Virosa-Zweigen, die beim Verbrennen dann ihren immer noch aktiven Giftcocktail freisetzten, der, über die Atemwege aufgenommen, seine tödliche Wirkung entfaltete. Ein weniger schönes Ende am abendlichen Lagerfeuer…

Vor De Hoop
Bächlein auf der Straße
Fast schon sumpfig...













Uns hält das toxische Gepflänz allerdings nicht davon ab, zwischen den Felsen herumzuklettern und eine Virosa nach der anderen ausgiebig zu bewundern. Unsere Reisekollegen hingegen halten lieber Abstand und vergnügen sich mit der harmloseren Vegetation, die an einem munter plätschernden Rinnsal am Talboden gedeiht - hübsche Grasbüschel, verschiedenste Algen und diverses Buschwerk mit ansprechenden Blüten und flauschigen Samenständen. Als wir uns schließlich alle ausreichend umgesehen haben, nehmen wir die letzten Meter nach De Hoop in Angriff, voller Vorfreude auf ein paar sonnige Musestunden am Ufer des mächtigen Oranje, auf ein Bad in dessen kühlen Fluten, auf unsere nackten Füße im Ufersand, auf einen Nachmittagskaffee und auf die Ruhe dieses Ortes, untermalt vom leisen Plätschern des Flusses... Tja, so kannten wir das und hatten uns das natürlich auch wieder so vorgestellt. Die wahre Situation jedoch präsentiert sich völlig anders, als wir um die letzte Kurve biegen - das weitläufige, sandstrandartige Areal De Hoops ist kaum wiederzuerkennen: unzählige Geländewagen, Trailer, Bush Lapas und Zelte drängen sich aneinander, dazwischen wimmeln geschäftige Menschen umher, fläzen weniger geschäftige auf Campingstühlen und auf im Sand ausgebreiteten Handtüchern herum, Kinder kreischen auf Luftmatratzen und in Gummibooten, alarmierend gut gelaunte Herren angeln laut gröhlend am Ufer und durchdringend schnatternde Damen runden das extrem abtörnende Bild schließlich schreckerregend perfekt ab! Heilige Scheiße, was ist denn hier los? Unsere wohlige Wildnis-Laune sinkt augenblicklich in den Keller, unsere entspannten Gesichtszüge entgleisen beim Anblick dieses unerwarteten Rummels und die Vorfreude sinkt in sich zusammen wie ein Soufflée, das kalte Luft abbekommen hat. Man, man, man, da haben wir wohl bei der Planung der Reise einen Ferientermin übersehen. Selbst schuld; aber da müssen wir jetzt durch, so ätzend das auch sein mag.

Zu allererst gilt nun es natürlich einen geeigneten Standplatz für unsere zwei Autos und die drei Zelte zu finden - groß genug sollte er sein und bitte nicht ganz im Zentrum des Geschehens. Das jedoch erweist sich als echt schwierig: entweder ist der Platz zu klein, zu uneben oder zu abschüssig, zu nahe an anderen Leuten oder schlichtweg unattraktiv. Wer will schon am Oranje nächtigen und dabei das Waschgebäude direkt vor der Nase haben oder gar einen riesigen Off-Road-Trailer, aus dessen Tiefen mehrere Generatoren hervorbrummen?! Wir sind genervt. Bevor unsere Stimmung jedoch in blanke Verzweiflung umschlägt, finden wir doch noch, was wir suchten. Der Platz ist mehr als ausreichend groß, befindet sich direkt am Oranje und ist eigentlich ganz lauschig, er hat nur einen Nachteil: er liegt in einem Areal, in dem die Berge besonders nahe ans Ufer vorstoßen und große Felsbrocken aus dem Sand ragen, eine natürliche Engstelle sozusagen, was zur Folge hat, dass alle Fahrzeuge, die hier durch wollen, verdammt nahe an uns vorbei müssen. Aber vielleicht haben wir ja Glück und der motorisierte Beweggungsdrang unserer südafrikanischen Ferien-Kumpels hält sich in Grenzen...

Ein Foto ohne Menschen...
... ist gar nicht so einfach!
Berge bei De Hoop













Halbwegs mit dem Schicksal versöhnt, errichten wir also hier unser Lager und genießen dann einen Nachmittagskaffee im Schatten unseres zentral platzierten Gazebos, um richtig anzukommen und auch, um ein bisschen runterzukommen. Der unerwartete Rummel in De Hoop hat uns wirklich schockiert. Doch jetzt haben wir ja zumindest einen ganz guten Platz ergattert und können von hier aus die Sache auf uns wirken lassen. Und die wirkt, dem Anschein zum Trotze, erstaunlich gut: gefühlte hundert Südafrikaner in Ferienlaune sind normalerweise alles andere als ein erfreulicher Anblick und auch die Ohren leiden oftmals erheblich. Doch wir profitieren davon, dass sich die Herrschaften noch immer im eigenen Land befinden, was offenbar einen mäßigenden Einfluss auf deren Partygebaren hat. Da habe ich, zum Beispiel in Botswana, schon ganz andere Dinge erleben dürfen. Aber gut, vielleicht ist das ja so wie mit den Deutschen auf Malle - in einem fremden Land die Sau rauslassen bis zum Fremdschämen, zuhause jedoch benimmt man sich gesitteter - könnt’ einen ja jemand sehen...

Bad im Oranje
Kormoran beim Federntrocknen
Wasserpflanze













Nach dem Kaffee und einem Bad im Oranje präsentiert sich die Sachlage also schon wieder ganz positiv, unsere Laune hebt sich deutlich und wir müssen konstatieren, dass wir es schlechter hätten treffen können. Es gelingt uns also tatsächlich, uns in diesem trubeligen Umfeld gemütlich einzurichten und zu entspannen - hauptsächlich indem wir den Rummel einfach ausblenden und so tun, als wären wir ganz alleine - und dergestalt einen vergnüglichen Nachmittag an den Gestaden des rammelvollen Oranje zu verbringen. Nun ja, zwei Wermutströpfchen wären da doch noch zu erwähnen. Das erste betrifft mich direkt und allein: seit geraumer Zeit schon verspüre ich ein Rühren im Gedärm, zuerst nur leicht, doch allmählich formiert es sich zu einem dringenden Bedürfnis. Deshalb beobachte ich von meinem Campingstuhl aus, ob das ständige Kommen und Gehen beim (einzigen) Damenklo mal kurz abreißt. Tut es aber nicht. Irgendwann hilft’s nix mehr und ich reihe mich deshalb gezwungenermaßen in die Schlange vor der Notdurftanstalt ein. Dort geht es relativ zügig voran, die Wände jedoch bestehen nun leider mal aus nicht gerade dicht geflochtenen Strohmatten, weswegen jede der wartenden Damen das Geschäft der gerade Sitzenden in allen akustischen Einzelheiten mitverfolgen kann. Ich bin echt nicht gschamig, aber so etwas finde ich extrem unangenehm. Doch wie gesagt, es hilft ja nix. Als ich nun endlich an der Reihe bin, atme ich erleichtert auf, denn es hat sich niemand mehr hinter mir angestellt! Doch mein seliges Glück dauert nicht lange: kaum habe ich die Tür hinter mir geschlossen, höre ich zwei Mädls kichern und giggeln (durch die Strohmatte kann ich sie sogar erahnen) und an der Tür rütteln. „Occupied!“, rufe ich. „Beset, beset, hihihi!“ glucksen die Zwei. Das alleine schon schmälert meine intestinale Erleichterung ungemein, als sich aber gleich darauf auch noch die Finger einer Zehnjährigen durchs Stroh wühlen und ihre blauen Augen mich neugierig begutachten, während ich gerade auf dem Thron sitze, ist es um meine Contenance geschehen und ich muss mal kurz sehr unhöflich und laut werden. Was ich sage, entspricht keiner zwischenmenschlich-höflichen Etikette, darum wiederhole ich es an dieser Stelle auch nicht, aber es wirkt! Augenblicklich verzieht sich das Gör aus dem Stroh und ich kann das zu Ende bringen, was ich angefangen habe. Natürlich ist mir bewusst, dass die beiden die ganze Zeit vor der Türe stehen, bis ich fertig bin...

Doch weil mir mein Ausbruch von eben fast schon wieder leid tut, lächle ich die beiden Verschüchterten nach Beendigung meines Geschäftes besonders freundlich an und halte ihnen einladend die Tür auf, bevor ich hoheitsvoll zum Waschbecken entschwebe, das direkt vor der Klotür platziert ist. Soll ich jetzt gemein sein und zur Rache auch mal durch das Stroh lugen? Ne, genug, muss nicht sein. Mir geht’s gut, der Abend bricht herein, bald wird es dunkel und irgendwann stellt sich schon Ruhe ein. Wohlgemut und erleichtert kehre ich zu unserem Lager zurück, schrecke jedoch gleich wieder zurück: das zweite Wermutströpfchen in Form einer völlig aufgelösten Annette, die sich tränenreich mit einem erbosten Jochen streitet! Es geht um unseren morgigen Ausflug Richtung Helskloof: Jochen würde gerne mal eine Fahrpause einlegen und wandern gehen, weswegen er Annette bittet, uns zu fahren - dazu aber ist sie offenbar partout nicht bereit. Ich halte mich wohlweislich - uihuihuih - dezent und unsichtbar im Hintergrund, denn auf der einen Seite will ich nicht in diese sehr private Situation reinplatzen, andererseits interessiert mich natürlich deren Ausgang ungemein; schließlich geht es um Heinz’ und meinen Top-Wunsch-Trip zum Helskloof-Sukkulenten-Paradies, auf den wir unter keinen Umständen verzichten wollen. Doch die schließlich zu vernehmende Einigung fällt zu unseren Gunsten aus und lautet: Jochen wird uns bringen und auch wieder holen. Heinz und ich bekommen also, was wir wollen - allein der Preis, auch wenn er innerehelich beheimatet ist, schmälert meine Vorfreude... Natürlich berichte ich Heinz von meiner unbeabsichtigten Lauschaktion und bin mal wieder echt überrascht; er ist da wesentlich pragmatischer als ich und trennt das Wohlbefinden unserer Reisegenossen in diesem recht speziellen Fall sehr deutlich von seinem eigenem bzw. dem unsrigen. „Die beiden sind sich ja jetzt offenbar einig. Und ganz ehrlich - Hauptsache, wir kommen da morgen hin, das war ausgemacht.“ Basta und recht hat er! Ich verdränge also meine unguten Gefühle und freue mich stattdessen mit meinem Schneck auf eine ungestörte Pflanzenexkursion, wenngleich ja noch immer die Angst vor der Hitze mitschwingt...

Doch heute Abend, als die Dämmerung hereinbricht, ist es sogar hier, im Dampfkessel des Oranjetals, bereits so kühl, dass ich auch diese Furcht leichter Hand beiseite schiebe und mich der Dinge erfreue, die hier vor sich gehen: leise rauscht das Schilf im vornächtlichen Wind, unsere lautstarken, einheimischen Mitcamper und deren Nachwüchse halten sich akustisch sehr zurück, eine Ruhe, bei der man fast glauben könnte, man sei wirklich allein, kehrt ein, Annette und Jochen haben ihre Auseinandersetzung offenbar verdaut, alles ist gut. Erst recht, als Jochen sich anschickt, ein gemütliches Lagerfeuer zu entfachen und Heinz etwas beisteuert, was er unterwegs gezielt aufgesammelt hatte: den trockenen, zu Boden gefallenen Zweig einer Sarcocaulon-Pflanze, die auch unter dem Namen „Bushman’s Candle“ bekannt ist. Die korkig-schilferige Borke dieses stacheligen Storchschnabel-Gewächses enthält enorm viel Harz und brennt wie Zunder - dagegen nimmt sich jeder chemische Grillanzünder fast schwachbrüstig aus. Feuer-Chef Jochen kannte diesen Effekt erstaunlicherweise noch nicht, freut sich aber jetzt wie ein kleiner Junge und pyromant uns ein Lagerfeuer, das seinesgleichen sucht. Und an dieser anheimelnd prasselnden Feuerstatt lassen wir nun einen Tag ausklingen, der so seine Höhen und Tiefen hatte und freuen uns auf den morgigen, der für uns alle ein besonders entspannter werden soll. Na ja, nur Jochen dürfte dabei ein wenig zu kurz kommen...


Weitere Impressionen des Tages:

Crassula deceptor
Pachypodium namaquanum
Blüten
Crassula subacaulis
ssp. erosula











Crassula macowaniana
Kleinia longiflora
Monsonia ciliata











Crassula tomentosa
Aloe ramosissima
Junge Aloe ramosissima











Eberlanzia schneideriana
Aizoaceae
Brownanthus nucifer











Stapelia similis
Ceraria namaquensis
Cotyledon sp.











Euphorbia gummifera
Euphorbia gariepina
Euphorbia sp.











Monsonia ciliata
Hoodia gordonii - Samenstände
Hoodia gordonii











Prenia sladeniana
Prenia sladeniana - Blüte
Mesembryanthemum sp.
mit Camponotus











Euphorbia virosa
Euphorbia virosa - Blüten
Euphorbia virosa -
Pilzerkrankung?











Didelta carnosa
Didelta carnosa
Didelta carnosa











Cucumis rigidus
Pelargonuim sp.
Nymania capensis











Jamesbrittenia ramosissima
Jamesbrittenia glutinosa
Argemone ochroleuca











Codon royenii
Helichrysum gariepinum
Forsskaolea candida











Hirpicium sp.
Blepharis furcata
Heliotropium ovalifolium











Cyperus sp.
Blick in die Koeroegab Plains
Oranje bei De Hoop











Wasserläufer-Spinne
Karoo-Prinie
Witwenstelze











Rote Libelle
Nachmittags in De Hoop
De Hoop am Abend











Pachypodium
namaquanum
Euphorbia dregeana
Tylecodon
reticulatus
Tylecodon wallichii
















Euphorbia virosa
Aizoaceae
Ceraria namaquensis
Hoodia sp.


8. Oktober 2014; Erkundungstag im Helskloof-Gebiet

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Eine erstaunlich ruhevolle Nacht liegt hinter uns - sogar der geschäftige Morgenlärm unserer südafrikanischen Mitcamper hält sich in akzeptablen Grenzen - und wir lassen uns ausgeschlafen und voller Vorfreude am Frühstückstisch nieder. Es ist angenehm kühl und ich hoffe, während ich brühend heißen Kaffee schlürfe, dass das auch so bleibt. Doch man kann es halt leider nicht voraussagen, weswegen Heinz und ich ein bisschen drängen: je früher wir losfahren, desto größer ist die Chance, unsere Botanik-Exkursion bei einigermaßen erträglichen Temperaturen durchführen zu können. Der arme Jochen seufzt vernehmlich, schwingt sich aber dennoch, nach einem ausgiebigen Frühstück, tapfer ins Auto, um uns zum Ziel unserer Sukkulententräume zu bringen - einem kilometerlangem Gebiet im Nordwesten des Richtersveld Nationalparks, kurz bevor es den Helskloof Pass nach unten geht. Ute kommt natürlich nicht mit, sondern will statt dessen zu Fuß lossausen. Sie möchte die knapp elf Kilometer von de Hoop nach Richtersberg wandern, immer am Oranje entlang, und gerne auch zurück, aber da macht ihr Jochen einen Strich durch die Rechnung. Wenn er schon den Taxifahrer geben muss, dann richtig: er will Heinz und mich bringen, zurückfahren, Ute in Richtersberg aufpicken, erneut nach Helskloof kurven, uns einsammeln und dann wieder nach De Hoop düsen. Das klingt nach einem überschaubaren Fahraufwand, auch entfernungstechnisch gesehen ist es nicht wirklich weit - rund 120 Kilometer alles in allem - aber es ist, bei dem Gelände, wahrlich eine tagesfüllende Aufgabe. Und eine sehr anspruchsvolle noch dazu. Annette sieht das Ganze natürlich extrem entspannt, denn sie wird sich heute als einzige keinen Meter bewegen. Selig lächelnd winkt sie deshalb uns allen aus ihrem Campingstuhl hinterher, als wir gesammelt aufbrechen....

Wir nähern uns dem Domorogh
Blick vom Domorogh
Blick vom Domorogh












Also: Ute wandert von dannen, Annette fläzt relaxt und wir ötteln mit Jochen los. Die ersten zwanzig Kilometer juckeln wir gemütlich dahin und alles läuft wie geplant. Dann aber kommen wir am oberen Ende des Domorogh Passes an. Ein Pass, von dessen Peak aus man das wahrscheinlich schönste Panorama des ganzen Richtersveld NPs bewundern kann - was wir natürlich auch gebührlich tun, bevor wir uns nach unten stürzen. Der Domorogh ist jedoch auch ein Pass, der als kleiner Van Zyl’s bekannt ist (kundige 4x4-Fahrer wissen, wovon ich spreche) - und das bekommen wir bei unserer Abfahrt nun deutlich zu spüren. Wir kennen den Domorogh und dessen Tücken von vergangenen Reisen, aber so heftig wie diesmal haben wir ihn tatsächlich noch nie erlebt: die felsendurchsetzte Fahrspur mäandert in spitzen Kehren direkt an einem tiefen Abgrund entlang, die vorangegangenen Regenfälle haben die ohnehin schon ausgesetzte Strecke noch tiefer ausgewaschen und die immer schon prekären Passagen sind heuer wirklich mehr als spannend. Mit äußerster Vorsicht tastet sich Jochen Meter für Meter nach unten, schimpft, flucht, beißt sich in die Unterlippe und ist extrem angespannt. Der Land Rover gerät trotz aller Umsicht mehrmals in unangenehme Schräglagen, das Fahrgestell ächzt und stöhnt - und immer gähnt zu unserer rechten Hand der unwirtlich-steile Felsabhang, dessen Talsohle nur sehr zögerlich näher kommen will; zumindest auf dem vorgesehenen, lebenserhaltenden Weg. Doch schließlich haben wir es geschafft! Jochen atmet hörbar auf und gibt zu (obwohl er das selten tut), dass dieser Abstieg über den Domorogh tatsächlich auch für ihn grenzwertig war. Und das will was heißen - für ihn, der den Van Zyl’s schon selbst gefahren ist! Aber ich kann es verstehen, denn erstens hatten es die paar Kilometer nach unten echt extrem in sich und, zweitens haben wir den Domorogh völlig unvorbereitet in Angriff genommen. Wenn man den Van Zyl’s vor sich hat, ist das eine nicht zu leugnende Herausforderung, auf die man sich mental und auch anderweitig vorbereitet, sich wappnet, sich damit auseinandersetzt. Wir hingegen sind heute losgezogen und hatten den Domorogh nicht auf dem Schirm - zumindest nicht in dieser Form. Und nun trafen wir auf diesem lapidaren Tagesausflügle auf so eine Hausnummer...

Wir alle sind deshalb mehr als froh, so glaube ich sagen zu können, heil unten angekommen zu sein. Und insgeheim, so glaube ich ebenfalls für alle sprechen zu dürfen, sind wir auch dankbar für Annettes gestrige Weigerung, uns zu bringen. Annette – bitte nicht falsch verstehen! - ist eine sichere und umsichtige Fahrerin, aber dieser Pass jedoch hätte sie wahrscheinlich überfordert; ganz einfach, weil sie nicht ganz so erfahren ist wie Jochen, aber auch, weil sie gesunderweise nicht annähernd so risikobereit ist wie der ihr angetraute Gatte. In eben dieser Konstellation erlebten wir also den bestmöglichen Ausgang einer durchaus nicht ungefährlichen Situation - dank aller beteiligten und nicht beteiligten Komponenten! Das Schicksal kann manchmal, im Nachhinein betrachtet, so transparent sein!... Erleichtert lockern wir nun darob und unten angekommen, unsere durchgerüttelten Extremitäten, scheinbar cool, doch jeder weiß, was wir soeben heilen Leibes hinter uns gebracht haben. Mein Gott, dieses Richtersveld ist wirklich stets für Überraschungen gut und eben alles andere als ein Weicheier-Park, sobald man sich von Potjiespram oder gar De Hoop entfernt.

Losgelassen auf die Botanik!
Unser Jagdrevier
Aloe ramosissima












Apropos Überraschung: für weitere Ereignisse der Marke „Surprise“ sind wir nun mehr als bereit und hoffen, dass diese zwar genau so aufregend sein werden, dafür aber, bitte, bitte, völlig ungefährlich. Mit einem vorfreudigen Honigkuchenpferd-Grinsen steigen wir so eine Weile später aus dem Auto und lassen uns von Jochen an der Himmelspforte zum Sukkulenten-Paradies aussetzen - der relativ flachen Strecke, die zum Helskloof Pass führt. Hier hatten wir schon auf der Tour davor einen kurzen Stopp eingelegt und in dieser einen Stunde eine solch unglaubliche Vielfalt von Sukkulenten vorgefunden, dass wir unbedingt wieder hierher wollten - und unsere Mitreisenden derart mit unserer Leidenschaft strapaziert, dass wir diesmal alleine sein wollten, wenn wir die umliegenden Hügel quadratmeterweise durchforsten. Und so kommt es jetzt: Jochen entlässt uns, wir machen einen genauen Ort für das Wiedertreffen in zirka vier Stunden aus, verabschieden uns, schlagen die Autotüren zu, winken zum Abschied - und schon sind wir allein auf weiter Flur! Genüsslich lauschen wir dem sich entfernenden Brummen des Wagens, bevor wir uns grob orientieren und einen Plan zimmern, wie wir am besten vorgehen könnten. Ach was, warum planen? Wir gehen jetzt einfach los und klappern die Hügel ab, einen nach dem anderen.

Cheiridopsis robusta
Aloe ramosissima
Euphorbia hamata












Nun könnte man ja meinen, Hügel sei Hügel und einer würde reichen, um alles zu sehen, aber dem ist nicht so. Die klimatischen Bedingungen im Richtersveld sind so harsch und extrem, dass jeder auch noch so kleine Faktor die Form der Vegetation merklich beeinflusst. Und Faktoren gibt es derer viele: Nordosthänge zum Beispiel tendieren zu Trockenheit, da jegliche Form von Feuchtigkeit (Nebel, Tau) durch die morgendliche Besonnung rasch verdunstet. Trockene Winde, die im Richtersveld häufig aus Osten kommen, verstärken diesen Effekt noch zusätzlich. Folglich ist die Vegetation hier karg und beherbergt Pflanzenspezies, die man eigentlich weiter östlich vermuten würde. Im Gegensatz dazu haben Südwesthänge eine günstigere Wasserbilanz vorzuweisen und die Vegetation gedeiht entsprechend üppiger. Die auf Südwestseiten wachsenden Spezies unterscheiden sich eklatant von ihren, auf der gegenüberliegenden Hügelseite ums Überleben kämpfenden Kollegen - es sind Arten, die sonst in eher in feuchteren, küstennäheren Gebieten auftreten. Diese ohnehin schon sehr erstaunlichen, expositionsbedingten Bewuchsunterschiede verstärken sich noch durch weitere Faktoren. Liegt ein Hügel im (Wind-)schatten eines anderen, spielt die Höhe und Position des Konkurrenz-Bergleins eine große Rolle: höher, niedriger, nimmt er die Morgensonne, macht er erst nachmittags Schatten? All das wirkt sich mikrozonal auf den Bewuchs aus, der sich deutlich erkennbar von dem unterscheidet, der sage und schreibe lediglich fünf Meter weiter links oder rechts daneben gedeiht. Eine weitere Rolle, das kann man sich nun lebhaft vorstellen, spielt natürlich auch die jeweilige Neigung der einzelnen Hügelseiten und deren Bodenbeschaffenheit - felsig, schotterig, lehmig, sandig oder gar von einer bröckelnden Quarzader durchsetzt? Ein Mikrokosmos im Mikrokosmos - nahezu jeder Quadratmeter hat eine eigene, ganz typische Vegetation vorzuweisen!

Stapelia hirsuta
var. gariepensis
Richtersveldia columnaris
Orbea namaquensis












Crassula grisea
Crassula deceptor
Crassula pseudohemisphaerica












Stapelia similis
Quaqua mammilaris
Cotyledon
orbiculata var. orbiculata












Es ist klar, dass wir hier nur im Zeitlupentempo vorankommen; gerade mal drei oder vier Hügel schaffen wir in diesem Paradies. Wir wandern dabei über sanfte Flanken, eiern über rutschigen Schotter, keuchen fast senkrechte Steigungen empor und tasten uns über staubige Rinnen und griffige Felsen wieder nach unten. Und beinahe sekündlich entdecken wir wieder was Neues, was Unbekanntes, was Spannendes. Diese Exkursion ist noch viel besser, als wir uns das in unseren kühnsten Träumen jemals vorgestellt hatten! Leider aber, so ist das bei positiven Ereignissen nun mal, vergeht die Zeit viel zu schnell und ein Blick auf die Uhr ermahnt uns, zügig Kurs auf unseren verabredeten Treffpunkt zu nehmen. Ach komm, ein Hügel geht noch! Rasch ersteigen wir das letzte Berglein, umrunden es und spähen hinunter ins Tal, wo man den einzigen Fahrweg, auf dem Jochen zu uns kommen kann, gut einsieht. Entwarnung - kein Auto in Sicht! Erleichtert und dankbar für diese Galgenfrist suchen wir uns einen besonders schönen Platz inmitten blühender und farbstrotzender Crassulas und lassen uns dort für eine Versorgungs-Pause nieder. Ein Kraftriegel für jeden, viel Wasser - und ein beinahe wehmütiges Resumée unseres Kurzexils: es war unvorstellbar schön, unglaublich reich an Sichtungen, viel zu kurz - und klimatisch extrem angenehm. Erst jetzt realisiere ich nämlich, dass ich, die so große Angst vor der Hitze hatte, noch immer meine dicke Fleecejacke trage und diese trotz strahlenden Sonnenscheins als äußerst angenehm empfinde! Ein perfekter (halber) Tag eben, so stellen Heinz und ich übereinstimmend fest, der gerne länger hätte sein dürfen... Aber wir werden wieder ins Richtersveld kommen und da kann man dann ja durchaus mal was Längeres andenken, oder...?!

Crassula macowaniana
Crassula tomentosa
Crassula cotyledonis












Gethyllis grandiflora
Mitrophyllum dissitum
Sarcostemma viminale












Unsere Kraftriegel mümmelnd, ergehen wir uns in derartigen Gedanken und thronen wie die Götter inmitten unserer Sukkulenten-Plantage, als sich unten im Tal tatsächlich etwas bewegt: Jochen naht! Seufzend packen wir unser Zeug zusammen, verabschieden uns für heuer von dieser wundervollen Gegend und mäandern gemächlich in Richtung unseres verabredeten Treffpunkts, wo wir beinahe zeitgleich mit Jochen eintreffen. Freudig werden wir von ihm und Ute begrüßt und ich glaube, er ist richtig froh, all seine Schäfchen unversehrt wieder eingesammelt zu haben - Ute, die heute mutterseelenallein nach Richtersberg gewandert ist, und uns beide, die wir unbedingt in teilweise halsbrecherischem Gelände herumklettern wollten. Als wir nun ins Auto gestiegen sind, berichtet Ute kurz von ihrem Ausflug, der wohl so befriedigend nicht war; sie wäre gerne zu Fuß nach De Hoop zurückgewandert, aber Jochen wollte sie ja partout abholen. Vielleicht hatte er insgeheim Angst, die Stunden mit uns in Helskloof verbringen zu müssen und hat sich deshalb eine Beschäftigung gesucht - Ute abholen... Oder er hat es einfach wirklich nur nett gemeint. Auch wir hätten natürlich eine Menge zu erzählen, von blühenden Crassulas, Stapelien und Richtersveldien, von der Entdeckung einiger Exemplare der Crassula pseudohemisphaerica, von wunderbaren Tylecodons, üppigen Aloen, phantastischen Ausblicken und dem steilen, pfadlosen Gelände, durch das wir uns erfolgreich und unfallfrei durchgetastet haben. Aber so genau wollen es unsere Reisegenossen sicher nicht wissen - das wenigstens legt ihre etwas lapidare Frage nach unserem Tag nahe. Doch wir finden das mangelnde Detailinteresse nicht schlimm, denn schließlich hatten wir unseren großen Wunsch beinahe klaglos erfüllt bekommen und wurden in diesen paar Stunden überreich belohnt - das kann uns keiner mehr nehmen und außerdem haben wir uns ja gegenseitig, um unsere Begeisterung zu teilen. Das genügt uns völlig!

Aloe pillansii
Aloe pillansii
Aloe pillansii - Blüten












Dass man unsere Leidenschaft jedoch nicht nur toleriert, sondern ihr in kleinen, homöopathischen Dosen sogar zuarbeitet, ist trotzdem sehr sympathisch: „Wir haben noch eine Überraschung für euch!“. So kündigt Jochen nach einer Weile freudestrahlend an. „Da werdet ihr staunen!“ Und das tun wir tatsächlich, als Jochen ein paar Kilometer später nach rechts deutet. „Seht ihr sie? Die hab ich entdeckt, als ich Ute abholen fuhr.“ Wir sehen sie - eine Aloe pillansii, wie sie schöner nicht sein könnte. Majestätisch steht sie direkt am Wegesrand, kerzengerade und schlank, und präsentiert, viele Meter über uns, eine Fülle von gelben Blüten. Stolz stoppt Jochen den Wagen neben seiner Entdeckung und wir loben ihn gebührlich, während wir das Prachtstück bewundernd umrunden. Ja, eindeutig eine reinrassige Pillansii, keine Hybride! Wir freuen uns sehr über diese Sichtung! Allein Heinz’ Freude ist leicht getrübt, da er partout keine keimfähigen Samen auf dem Boden entdecken kann... Doch das ist Klagen auf sehr hohem Niveau, das weiß auch Heinz.

Calicorema capitata
Graphipterus cicindeloides
Parabuthus villosus











Glücklich verabschieden wir uns so nach einer halben Stunde von der wunderschönen Baumaloe und setzen unseren Weg fort. Wir sind allerdings noch nicht wirklich weit gefahren, als uns bereits ein nächstes Highlight in seinen Bann zieht: aus dem Augenwinkel sehen wir eine flüchtige Bewegung am Rande des Fahrwegs und halten an, um der Sache auf den Grund zu gehen. Da, da, da drüben, ein Skorpion! Hey, es ist hellerlichter Tag, was tut da ein Skorpion? Vorsichtig nähern wir uns dem nicht gerade kleinen Spinnentier und erhalten eine Antwort: es ist ein Parabuthus villosus, der für seine ausgeprägte Tagaktivität bekannt ist - und dafür, dass er ziemlich giftig ist und sein Gift bis zu einem Meter weit spritzen kann. Es wäre also ratsam, den geschäftigen, schokoladenbraunen Skorpion, dessen Panzer mit einer Art Fell bedeckt ist, nicht zu reizen. Deshalb folgen wir ihm zurückhaltend und sehr aufmerksam, um nur ja nicht zu überhören, sollte er uns warnen. Fühlt sich das pelzige Spinnentier nämlich bedroht, rubbelt es mit seinem Stachel über den Rückenpanzer und lässt ein vernehmliches, stridulierendes Geräusch ertönen. Bleibt die Bedrohung dann weiterhin bestehen, geht es in dem kleinen Skorpionköpfchen rund: Gift dosieren, der Situation angemessen anmischen und dann: versprühen oder zustechen? Ja, so unglaublich es klingt - der Skorpion ist in der Lage, seine Giftmischung der Gefahrenlage anzupassen und auch entsprechend zu dosieren. Bei geringerer Bedrohung bzw. beim Beutefang wendet er ein proteinhaltiges Pretoxin an, das vorwiegend paralytische Wirkung hat. Erweist sich die Gefahr jedoch als größer und penetranter, kommt das neurotoxische Postvenom zum Einsatz, das auch Menschen gefährlich werden kann, egal, ob es nun injiziert oder gespritzt wird. Das wollen wir natürlich nicht riskieren und lassen den haarigen Gesellen gerne wieder alleine, nachdem wir ihn ausgiebig begutachtet haben.

Randvoll mit Eindrücken bewegen wir uns nun schnurstracks auf De Hoop zu und treffen dort am späten Nachmittag auch ein. Annette erhebt sich gähnend und schläfrig aus ihrem Campingstuhl und begrüßt uns völlig tiefenentspannt. Was sie heute getan hat? „Nix, kurz mal schwimmen gewesen, ansonsten nix!“, lautet die genüssliche Antwort. Wir gönnen ihn ihr von Herzen, diesen absolut faulen, fahrfreien Tag, allerdings hätten wir nicht tauschen wollen... Hach, was wir heute alles gesehen und erlebt haben! Eigentlich viel zu viel für einen einzigen Tag. Diese Reizüberflutung macht sich dann auch in Form wohliger Erschöpftheit bemerkbar; wir sinken in unsere Klappstühle, sichten unsere zahlreichen Fotos, nehmen einen Sundowner zu uns und freuen uns auf einen entspannten Abend. Rasch bringen wir noch das Lagerfeuer mit dem letzten Monsonia-Stück zum Prasseln, legen das Fleisch auf den Grill und bereiten den Tomaten-Gurken-Salat zu, bevor wir uns erneut gemütlich niederlassen. Die Dunkelheit senkt sich über De Hoop, ein diesiger Vollmond leuchtet hell am östlichen Horizont, der Oranje plätschert leise und alles ist so ruhig und entspannend, dass uns das nun folgende, recht plötzlich auftretende Spektakel richtig in die Glieder fährt: Millionen von Glühwürmchen erheben sich aus dem nahegelegenen Schilfgürtel und tauchen die Szenerie in flackerndes, fast unwirkliches Licht. Woah, ist das ein Anblick! Mit offenen Mündern starren wir in die punktuell erglühende Dunkelheit und sind absolut fasziniert. Was für ein Schauspiel! Und wo waren die leuchtenden Insekten gestern? Egal, es ist einfach nur schön. Wir löschen unsere Tischbeleuchtung und postieren uns außerhalb des Scheins unseres Lagerfeuers, um die tanzenden Lichtpunkte bestmöglich sehen zu können. Hand in Hand kuscheln Heinz und ich uns auf einem tribünenartig postierten Felsen aneinander und wohnen der romantischen Leuchtorgie bei, die nach einer Viertelstunde ihren absoluten Höhepunkt erreicht. Etwa zehn Minuten lang geben die Glühwürmchen, die ja in Wahrheit Käfer sind, ihr Bestes, dann ermattet deren Aktivität und das Oranje-Ufer versinkt erneut in vom Vollmond erhellter Dunkelheit. Ab und zu blitzt hier und da noch ein verirrtes Glühwürmchen auf, nach einer guten Stunde aber ist es wieder so ruhig, als wären die Leuchtkäfer nie dagewesen. Mein Gott, war das schön!

Glühwürmchen bei Nacht ;-)
Ganz entrückt wandern wir zum Esstisch zurück und nehmen versonnen unser fast verbrutzeltes Abendessen zu uns. Zum Reden hat nach diesem ereignisreichen Tag allerdings keiner von uns richtig Lust und so hängen wir nach dem Essen schweigend in unseren Klappstühlen ab, lassen den Tag revue passieren und begeben uns dann zeitig zu Bett. In meinem Kopf schwirren die Erinnerungen, ich bin hellwach und todmüde zugleich. Die Gedanken an sternförmige Aasblumenblüten, samtig-dicke Blätter, haarige Skorpione, blinkende Lichtlein, Luziferin-Luziferase-Reaktionen und ein schunkelndes Auto auf unwegsamen Pfaden mischen sich langsam zu einer phantastisch-unwirklichen Traumsituation, ich zucke heftig mit den Beinen, als ich im Wegpennen, wie real, am Helskloof auf losem Schotter abrutsche. Das ist das letzte, was ich mitbekomme, als ich, eng an Heinz gekuschelt, einschlafe und in noch viel unglaublichere Traumwelten abgleite...


Weitere Impressionen des Tages:

Stapelia hirsuta
var. gariepensis
Stapelia hirsuta
var. gariepensis
Stapelia hirsuta
var. gariepensis












Stapelia hirsuta
var. gariepensis
Richtersveldia columnaris
Richtersveldia columnaris












Stapelia hirsuta
var. gariepensis
Richtersveldia columnaris
Richtersveldia columnaris












Quaqua mammilaris
Stapelia sp. - Samenschoten
Orbea namaquensis












Orbea namaquensis
Orbea namaquensis
- Samenschoten
Cotyledon orbiculata












Crassula cotyledonis
Crassula macowaniana
Crassula grisea












Crassula grisea
Crassula grisea
Crassula grisea












Crassula subacaulis ssp. erosula
Crassula deceptor
Crassula brevifolia
ssp. brevifolia












Crassula pseudohemisphaerica
Crassula pseudohemisphaerica
Crassula pseudohemisphaerica












Cheiridopsis robusta
Cheiridopsis robusta
Prenia sladeniana












Phyllobolus sp.
Phyllobolus sp.
Sarcostemma viminale












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Euphorbia decussata











Euphorbia sp.
Euphorbia sp.
Euphorbia decussata












Euphorbia dregeana
Tylecodon reticulatus
Cotyledon
orbiculata var. orbiculata












Blick vom Domorogh Pass
Blick vom Domorogh Pass
Blick vom Domorogh Pass












Jagdrevier
Jagdrevier
Jagdrevier












Jagdrevier
Jagdrevier















Cordylus sp.












Neugieriger Zuschauer
Sattelschrecke



















Crassula sp.
Crassula sp.
Crassula grisea
Sukkulenten-
Potpourrie
















Aloe pillansii
Aloe ramosissima -
Samenkapseln
Mein Hamlet...

9. Oktober 2014; De Hoop > Kokerboomkloof, Richtersveld NP

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Oje, war das eine lebhafte Nacht, die da hinter mir liegt: mehrmals bin ich in meinen Träumen fast in irgendwelche Abgründe gestürzt, habe mich aber, bevor es zum GAU kam, nahezu ballerinenhaft an blühenden Sukkulentenbüscheln gefangen, meine Kamera hat ihren Dienst versagt oder ich hatte sie gar nicht dabei, dann wieder tauchten seltsame Tiere auf, die Heinz mit seinem Fotoapparat festhielt, während ich in unser, unter der Erde liegendes Hotelzimmer zurückhastete, um den meinigen zu holen. Plötzlich war ich dann in den Alpen und bewohnte übergangslos und wie selbstverständlich ein Chalet, das nur über eine Holzleiter, die über mehrere hundert Meter senkrecht vom Talboden heraufführte, zu erreichen war. Über eine Rutsche verließ ich das Appartement, nachdem ich mir meine Kamera geschnappt hatte und fand Heinz an einem ausgetrockneten Schlammsee wieder, wo er blaue Kühe ablichtete, die wir vorher für Blumen gehalten hatten... Träume können so abgefahren sein! Was da alles naht- und fraglos ineinanderpasst; Situationen und Tatsachen, die im wirklichen Leben unvorstellbar wären, aber im Traum so bunt und facettenreich daherkommen! Vor vielen, vielen Jahren habe ich mir deshalb in langwieriger Psychoarbeit antrainiert, mich meiner Träume erinnern zu können, sobald ich sie im Schlaf als bemerkenswert erkenne - weil sie besonders lebhaft und abgefahren sind. Ich halte mich mit gewagten Interpretationsversuchen zurück, aber mittlerweile weiß ich zumindest eines: je aufregender etwas ist, das hinter oder aber auch vor mir liegt, desto bunter, lebhafter, abstruser und unglaublicher präsentieren sich meine Träume. Beängstigende Alpträume existieren in diesem Segment nicht - die Geschehnisse sind immer versöhnlich, unwirklich-glaubhaft, farbenfroh, treibend, drängend, warnend, dann aber auch wieder warm umfangend, neugierig machend und verheißend. Wenn ich also auf diese irre, abstruse Art träume, setzt sofort mein antrainiertes Abspeichern ein, ich kann mich erinnern, es erzählen, es nochmals genießen - und es zweifelsfrei heftigen seelischen Regungen zuordnen...

Der gestrige Tag muss also tatsächlich ein richtig aufwühlender gewesen sein; das hat wohl auch mein Unterbewusstsein so empfunden. Und insgeheim hoffe ich natürlich, dass der heutige Tag ebenfalls das ein oder andere Abenteuer für uns bereithält, auch wenn erst mal nur eine relativ lange Strecke vor uns liegt - wir ziehen nämlich um. Es geht vom überfüllten De Hoop in den hoffentlich menschenleeren Kokerboomkloof, dorthin, wo uns auf der letzten Tour dieser unsägliche Alaskaner in die Quere kam. DER ist heuer sicher nicht da, aber die Südafrikaner...?

Beim gemeinsamen Frühstück lasse meinen Blick, um Optimismus bemüht, über all die urlaubenden Einheimischen schweifen, genieße dabei ihr wasseraffines Verhalten und bin mir nun fast sicher: DIE würden nie in den Kokerboomkloof hochfahren, denn da kann man schließlich nicht angeln, nicht baden, nicht bootfahren, nicht plantschen, nicht gemütlich im Sand liegen und schon gar keinen Sonnenschirm in den Boden rammen! Zur Sicherheit aber schicke ich zusätzlich ein paar innige Stoßgebete gen Himmel und spende den guten Geistern des Richtersvelds sogar noch eine kleine Tasse Milchkaffee. Na, wenn das mal nicht hilft! Voller Zuversicht beenden wir also unsere morgendliche Nahrungsaufnahme, packen unsere Siebensachen und verlassen ohne jegliches Bedauern diesen Rummelplatz der Wildnis, um der glühendheißen Einsamkeit im Tal der Köcherbäume zuzustreben, nach der zumindest Heinz und ich uns fast schmerzhaft sehnen. Wir zwängen uns zwischen Trailern und Bush Lapas hindurch, werfen dabei einen letzten Blick auf das Sonnenschirm- und Gummibootmeer, rütteln die enge Schlucht vom Oranje nach oben, umrunden den Rooiberg und atmen dann richtig auf - endlich weg von hier! Auch wenn sich die Südafrikaner wirklich erstaunlich gut benommen haben, das muss ich zum Abschluss nochmals ausdrücklich betonen. Vermissen werde ich sie dennoch nicht.

Tal vor De Hoop
Namaziegen
Flucht aus De Hoop












Vom Touri-Rummel befreit, zockeln wir also glücklich durch die nunmehr menschenleere Gegend und genießen alles, was sich uns darbietet. Und das sind zum größten Teil spektakuläre Landschaften, wie sie für das Richtersveld typisch sind: schroffe Felsformationen in unglaublichen Farben, auffällig gefärbte Sedimentschichten, die sich schwungvoll durch bröckelige Hügel schlängeln, sandige Trockenflusstäler, umgeben von steilen Hügeln, extraterrestrisch anmutende Mondlandschaften, und über all dem erstreckt sich ein strahlendblauer Himmel, in dem sich gar malerische Schäfchenwolken tummeln. Natürlich fahren wir auch an vielen interessanten Pflanzen vorbei, doch Heinz und ich halten uns heute mit unseren Stopp-Bitten etwas zurück, schließlich wollen wir unsere Freunde an diesem Umzugstag nicht über Gebühr strapazieren oder gar langweilen. Plötzlich aber flutscht etwas an meinem rechten Augenwinkel vorbei - nur ganz kurz, aber umso aufregender: da war eine blühende Hoodia, aber keine relativ häufig zu sehende „Gordonii“, sondern eine „Alstonii“! Wirklich? „Stopp, stopp, anhalten, bitte!“, schreie ich, überzeugt, tatsächlich eine Hoodia alstonii erspäht zu haben, gleichzeitig aber voller Zweifel, ob ich mir das nicht eingebildet habe. Jochen bremst folgsam und setzt zurück. „Noch a bissi, weiter, langsam, stopp!“, dirigiere ich ihn, total gespannt, ob mich meine Augen nicht doch getrogen haben. Haben sie nicht! Da stehen sie, mehrere, im oberen Drittel über und über von gelben, sternförmigen Blüten bedeckte Stachelwürste! Meine allererste, unsere allererste Hoodia alstonii in voller Blüte! Freudig erregt stürmen Heinz und ich aus dem Auto und umrunden ehrfürchtig das Aasblumengewächs. Unsere Mitreisenden lassen sich von unserer Aufregung tatsächlich mitreißen und so inhalieren wir gemeinsam den deutlichen Aasduft, den die unschuldig aussehenden Blüten verströmen. Meine Güte, ist das ein schöner Fund - der sonnige Tag erscheint mit einem Mal noch viel strahlender! Natürlich bestaunen wir die streng riechende Pflanze lange und gebührend und fotografieren sie von allen Seiten, bevor wir uns erneut auf den Weg machen, um den Nachmittag im Kokerboomkloof genießen zu können und somit den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht zu werden.

Hoodia alstonii
Hoodia alstonii
Köcherbaum-Mohikaner












Beinahe-Unfall
Lange jedoch fahren wir nicht, als schon das nächste Ereignis einen Stopp erfordert; der Grund allerdings ist diesmal kein so erfreulicher: Jochen lenkt den Landy ein wenig zu sportlich und eng in eine steil ansteigende Kurve. Der linke Hinterreifen gibt dabei mächtig Schub, drückt einen fussballgroßen Felsbrocken vom Fahrspurrand, unser Gefährt sackt plötzlich ab und gerät so in bedenkliche Schräglage. Erschrocken bremsen Annette und Ute, die hinter uns fahren, und eilen herbei, um unsere Karre zu stützen, während wir uns auf der rechten Seite vorsichtig ins Freie schälen. Zu viert stemmen wir uns nun mit aller Kraft gegen den Wagen und Jochen spurtet los, um geeignete Felsbrocken zur Unterfütterung des linken Hinterreifens herbeizuschleppen. Nur gut, dass loses Gestein im Richtersveld keine Mangelware ist! So ist rasch ein stabilisierendes Geröllbett aufgeschichtet und Jochen kann den Wagen unfallfrei aus der Gefahrenlage bringen. Puh, das ist ja grade nochmal gut gegangen. Erleichtert steigen wir wieder zu und denken mit leichter Gänsehaut an unsere gestrige Abfahrt vom Domorogh Pass zurück. Das hätte gerade noch gefehlt: den Domorogh geschafft, dafür aber einen Tag später an einer harmlos erscheinenden Kurve gescheitert... Doch so schnell kann’s manchmal gehen - und auch, wenn nichts passiert ist, ist uns dieses Ereignis doch mal wieder eine deutliche Mahnung, keine Pad zu unterschätzen, möge sie auch noch so ungefährlich aussehen. Entsprechend achtsam steuert Jochen nun die restliche Strecke zum Kokerboomkloof, wo wir am frühen Nachmittag tatsächlich ohne weitere Zwischenfälle eintreffen.

Landschaften im Richtersveld:
man kann sich...
...einfach nicht sattsehen!












Gespannt nehmen wir die obere Zufahrt, um zu unserer gebuchten, weiter unten liegenden Campsite zu gelangen - schließlich wollen wir sehen, ob noch andere Besucher hier sind. Aber nein, wir sind ganz alleine! Yes, yes, yes, so hatten wir uns das erträumt! Und verdient haben wir es auch - nach dem Riesenrummel in De Hoop. Zufrieden lassen wir uns an unserer Campsite im wohltuenden Schatten eines haushohen Felsens nieder und genießen erst mal unser Da-Sein, die sagenhafte Aussicht auf den Kloof, die Köcherbäume und die umliegenden Berge. Einen gemütlichen Kaffee später machen wir uns dann an den Aufbau unseres Lagers, richten uns häuslich ein und ziehen danach ohne Eile los, um die Umgebung zu inspizieren. Heinz und ich schlendern auf unserer Erkundungstour entspannt zu den Köcherbäumen, die zum Großteil in einer sandigen, leicht abfallenden Ebene stehen, unsere Wildkameras im Gepäck. Auf der Suche nach geeigneten Stellen zum Befestigen der Starenkästchen, mäandern wir von einem Köcherbaum zum anderen und müssen dabei leider feststellen, dass die Population der Baumaloen noch schwerer angeschlagen ist, als wir das bei unserem letzten Besuch wahrgenommen hatten. Schon damals war uns natürlich aufgefallen, dass viele der Köcherbäume zwar noch senkrecht standen, aber längst schon ihr Leben ausgehaucht hatten. Rein fotografisch gesehen haben diese Sukkulentenleichen ja durchaus ihren Reiz: ihre bizarren Silhouetten heben sich gar malerisch vom blauen Himmel ab und verbreiten einen unglaublich anziehenden, morbiden Charme, dem man sich kaum widersetzen kann. Bei näherem Hinsehen jedoch ist die Situation erschreckend - gut zwei Drittel der Aloen sind bereits tot, viele noch lebende zeigen deutliche Anzeichen einer Erkrankung und Jungpflanzen sind nirgendwo zu entdecken.

„Der Arsch“ von Camp 3
Campsite 3
Auch von oben schön












Nach unserer letztjährigen Tour hatte ich mich intensiv mit diesem Phänomen beschäftigt und alles aus dem Internet gezogen, was sich damit befasste. Das Ergebnis war ernüchternd! Zwar gibt es zahlreiche Studien zum Thema, das ja nicht allein den Kokerboomkloof betrifft, sondern vielmehr den Gesamtbestand der Aloen in Südafrika und Namibia, doch ein schlüssiges Resultat konnte keine präsentieren. Obwohl alle Studien ausnahmslos die selben Faktoren abcheckten, unter anderem Wildverbiss, Pilzerkrankungen und klimatische Veränderungen - ja, sogar so abstruse mögliche Gründe wie Populationsschäden durch Pflanzensammler waren dabei - konnte keine beweisbare Ursache für das Sterben der Köcherbäume gefunden werden. Der Großteil der Studien jedoch schoss sich auf das Klima ein - in zwei Varianten, die in ihrem streng wissenschaftlichen Rahmen erstaunlich weit auseinanderdriften: zwei Drittel behaupten, es wäre die globale Klimaerwärmung, die den Köcherbäumen das Leben kostet. Allerdings, und das macht die ganze Angelegenheit wenig vertrauenerweckend, klafft hier eine Lücke von sage und schreibe 1,2 Grad Celsius. Vorsichtige Studien sprechen nämlich von um 0,6 Grad gestiegenen Durchschnittstemperaturen während der letzten sechs Jahrzehnte, keckere hingegen stellen satte 1,8 Grad in den Raum! Eine echte Hausnummer! Bei einem lauschig-warmen Abend im Biergarten spielen 1,2 Grad mehr oder weniger wohl kaum eine Rolle, umso mehr aber, wenn es sich um eine durchschnittliche Temperatursteigerung während weniger Jahrzehnte handelt!

Gesunder Köcherbaum
Kränkelnder Nachwuchs
Lauter Leichen












Aber es kommt noch besser, denn das verbleibende Drittel dieser Studien geht den klimatischen Aspekt von völlig anderer Seite an: es wäre nicht die Klimaerwärmung, sondern, im Gegenteil, ein außergewöhnliches starkes, nachweisbares Regenereignis vor zirka 55 Jahren, das im Wurzelwerk und bei der Autoimmunität der Köcherbäume derartige Schäden hervorgerufen hätte, dass sie seit Anfang des Jahrtausends wie die Fliegen wegsterben. Mein (unmaßgebliches) Fazit: die Wissenschaft ist sich nicht mal bei den Grundlagen-Fakten einig, keiner weiß irgendwas Genaues, doch das Resultat ist offensichtlich - die Köcherbäume sterben in großer Anzahl, von Nachwuchs ist wenig zu sehen und wenn diese Entwicklung anhält, stehen im natürlichen Verbreitungsgebiet der Aloe dichotoma in etwa vierzig Jahren fast nur noch tote Exemplare herum. Eine mehr als bedrückende Sachlage, kann ich da nur sagen! Aber wenn selbst hochkarätige Spezialisten keine Erklärung für das Sterben der Baumaloen finden, so ist auch keine Besserung der Situation in Sicht - denn wo soll man ansetzen?

Campsite 3
Blick auf „Die Toon“
Der Kloof












Betroffen und berührt wandern Heinz und ich durch die traurigen Überreste des ehemaligen Aloen-Waldes, der der Schlucht zu ihren Namen verhalf, entschuldigen uns dabei aber insgeheim bei den toten Sukkulenten, denn gerade sie verbreiten eine ganz besondere Magie, der wir uns, Betroffenheit hin oder her, einfach nicht entziehen können. Zumindest jedoch zollen wir den Toten den nötigen Respekt, indem wir unsere Kameras nicht ausgerechnet an ihnen montieren...

Riesen-Murmeln

Die Toon












Nachdem wir also die beiden Starenkästchen an robustem, in vollem Saft stehenden Gestrüpp mit verheißungsvollen Tierspuren an Rinde und Boden befestigt haben, wandern wir weiter durch den Kokerboomkloof und genießen dessen einzigartigen Charme: über dem Kloof thront erhaben „Die Toon“, ein riesiger Felsen in Zehenform, der im Licht des späten Nachmittags in allen Rottönen erglüht, im oberen Ende der Schlucht stapeln sich riesige Steinkugeln wie Murmeln, von der Hand eines schlampigen Riesen hingeworfen, und am unteren Ende des Kloofs, auf der anderen Seite des Oranje, staffeln sich markante Berge in verschiedenen Braun-, Violett- und Blautönen. Und über all diesen landschaftlichen Preziosen liegt, wie Balsam auf unseren Seelen, eine fast unwirkliche Stille, wie sie eindrücklicher nicht sein könnte. Eine Stille, die so gut tut - besonders nach dem ganzen Rummel in De Hoop -, die aber trotzdem laut und mit angenehmer Stimme mit uns spricht. Eine ganz besondere Stille eben! Sie nimmt uns so gefangen, dass wir beinahe vergessen, rechtzeitig wieder ins Camp zurückzukehren, um unsere Verabredung wahrzunehmen - wir wollten heute noch, rechtzeitig zum Sonnenuntergang, das Tal verlassen und ein paar Kilometer zu einem Aussichtspunkt, von dem aus man einen weiten Blick ins ebene Tal des Oranje, in ein grünes Weinanbaugebiet in Namibia und auf eine beeindruckende Bergkulisse hat, fahren, um dort unseren Sundowner zu genießen. Gerade noch kriegen wir die Terminkurve, schlichten uns in die Autos und düsen los.

Am Aussichtspunkt
Cotyledon
orbiculata var. orbiculata
Aizoaceae












In wohltuend warmem Restsonnenschein umkurven wir die „Zehe“, schlängeln uns hoch Richtung Springbokvlakte und kommen schließlich an dem Aussichtspunkt an, der uns auf unserer letzten Tour mit seinen Licht- und Farbspielen in den umgebenden Bergen endlos begeistert hatte. Doch heuer, das mussten wir leider schon öfter feststellen, ist das Licht deutlich flauer, unfarbiger, weniger intensiv und kontrastbildend. Schade das! Aber es liegt sicher an der anderen Jahreszeit - jetzt ist gerade Frühling und letztes Jahr waren wir im Herbst da; und den lichttechnischen Unterschied dieser beider Jahreszeiten kennt man ja auch bei uns: der Frühling ist hell und gleißend, punktet jedoch wohl eher mit dem intensiven Grün neuen Laubwerks und dem psychologischen Faktor der überstandenen Wintertristesse. Das Herbstlicht hingegen bringt mit seiner ganz spezifischen Wellenlänge die Farben zum Glühen, färbt den Himmel in tiefem Blau und macht alles in kristallener Klarheit strahlend und leuchtend. Und so wird das hier wohl auch sein. Na ja, das ist zwar schade, doch wir wollten ja partout im Frühling kommen - und der Sundowner schmeckt natürlich sowieso, auch ohne glühende Bergkulisse...

Allerdings, und das vermiest uns den Spaß viel mehr, weht hier oben ein strammer Wind, der nicht gerade warm ist und uns rasch frösteln lässt. Trotzdem genießen wir den Sonnenuntergang im gegebenen Rahmen, machen uns dann aber rasch auf den Weg zurück - denn dort unten, im Kokerboomkloof, ist es erstens relativ windgeschützt und zweitens auch viel wärmer. Die umliegenden Felsen, die den ganzen Tag Sonne tanken konnten, strahlen die gespeicherte Hitze nämlich noch lange aus und fungieren somit als natürliche Heizung. Wohlig gewärmt machen wir es uns also auf unserer lauschigen Campsite bequem, bereiten das Abendessen zu, zelebrieren die köstliche Mahlzeit und quatschen uns anschließend in eine phantastisch stille Nacht, überdacht von einem funkelnden Sternenhimmel, beleuchtet vom abnehmenden, aber immer noch fast vollen Mond und beseelt von der Vorfreude auf den morgigen Tag: die Autos werden stehenbleiben und wir uns stattdessen, im wahrsten Sinne des Wortes, in der näheren Umgebung ergehen. Vorfreude pur!



Weitere Impressionen des Tages:

Landschaft...
...wohin man auch schaut!
In allen Farben...












..und Formen...
...Texturen...
...Strukturen...












...Kontrasten...
...Tönen...
..und Abstufungen












Muster-Aloe
Tot, aber trotzdem schön
Schattenspiele












Vereinzelter Nachwuchs
Campsite 3
Campsite 3














Monsonia herrei










Monsonia herrei
Mesembryanthemum sp.
Cotyledon orbiculata












Dimorphotheca pinnata
Arctotis sp.
Gazania lichtensteinii












Peliostomum virgatum
Cotyledon orbiculata
Phyllobolus sp.












Klippspringer
Klippspringer
Gut getarnt!












Campsite 3












Hoodia alstonii
Hoodia alstonii
Monsonia herrei
Kranke Jungaloe



















10. Oktober 2014; Ruhetag im Kokerboomkloof

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Spät sind wir gestern zu Bett gegangen - die Einsamkeit war einfach so schön, dass wir sie möglichst lange in wachem Zustand genießen wollten - sind aber dennoch topfit, als wir uns heute frühmorgens aus unseren Schlafsäcken schälen. Recken, strecken, frühstücken, den Tag genüsslich und gemächlich beginnen, was gibt es Schöneres? Den Tag genüsslich und gemächlich fortsetzen! Und das tun wir ausgiebig: nach dem Frühstück stellen wir zunächst ein Vogelbad auf, damit unsere gefiederten Freunde nicht darben müssen, dann machen wir uns alle auf den Weg - in verschiedene Richtungen. Ute verschwindet im Laufschritt zwischen den formschönen Felsen oberhalb des Camps, Annette und Jochen schlendern rüber zu den Köcherbäumen, während Heinz und ich zielstrebig talabwärts streben - dorthin, wo wir hoch oben in den Hängen prachtvolle Virosa-Euphorbien erspäht haben. Allerdings dauert es unerwarteterweise eine ganze Weile, dort hin zu kommen, wo wir den Aufstieg beginnen können; im Richtersveld sind die Luft offenbar so klar und die Lichtverhältnisse so speziell, dass die angestrebten Geländepunkte näher wirken, als sie es wirklich sind.

Euphorbia virosa
Euphorbia virosa
Warten auf Heinz











Nach einer Stunde aber sind wir endlich da und steigen den Südhang Schritt für Schritt nach oben. Er ist bedeckt von losem Geröll und scharfkantigen Felsen, die oft gefährlich wackelig aufeinander liegen - Grund genug für mich, bald umzukehren, denn das ist mir schlichtweg zu gefährlich. Die Vorstellung, mit gebrochenen Knochen stundenlang zum nächsten Krankenhaus gerüttelt zu werden, ist so abschreckend, dass ich auf einen Besuch bei den großen Virosas, die natürlich ganz, ganz oben wachsen, gerne verzichte und mich mit ein paar kleineren Exemplaren zufriedengebe. Heinz hingegen ist nicht aufzuhalten und schraubt sich langsam, aber stetig nach oben, um zu den schönsten Euphorbien zu gelangen. Ich vergnüge mich währenddessen mit den interessanten, farblich breit variierenden Steinen, die überall herumliegen, sammle hin und wieder einen besonders schönen auf und beobachte Eidechsen und Agamen beim Sonnenbad, lasse aber Heinz nicht aus meinen besorgten Augen. Er klettert von einer Pflanze zur anderen, verschwindet immer wieder hinter haushohen Felsen, taucht erneut auf, winkt beruhigend und kehrt schließlich nach einer dreiviertel Stunde unversehrt zu mir zurück. Mit gerunzelter Stirn berichtet er von den Erkenntnissen seiner Exkursion: die Euphorbien, die von der Ferne so strotzend und gesund ausgesehen hatten, sind, wie auch die Köcherbäume im Kloof, wohl nicht in allerbestem Zustand. An vielen Triebspitzen zeigt sich ein dicker, schwefelgelber Belag, der ganz offensichtlich das Wachstum stoppt. Ob es sich hierbei um eine Pilzinfektion handelt, was wir vermuten, können wir vor Ort natürlich nicht verifizieren, aber auch meine nachträglichen Recherchen führen zu keinen eindeutigen Ergebnissen. In jedem Falle jedoch ist es besorgniserregend und verheißt nichts Gutes für die markanten Gewächse im Richtersveld; der schwefelige Belag war uns nämlich auch schon bei den Virosas in der De-Hoop-Zufahrt aufgefallen.

Auf unserem Berg

Tief im Tal










Nachdenklich verlassen wir den Euphorbienhang, queren dabei das sandige Trockenflusstal unterhalb des Kloofs und halten auf einen kleinen Berg zu, der direkt vor uns liegt. Er sieht besteigbar aus, verheißt mit seiner prominenten Lage einen guten Rundblick und hält hoffentlich keine weiteren sterbenden Pflanzen für uns bereit... Guten Mutes steigen wir bergan. Und wieder mal zeigt sich deutlich, wie stark die Vegetation innerhalb eines überschaubaren Radius’ unter diesen extremen Klimabedingungen variiert. Während auf der gegenüberliegenden Bergflanke fast ausschließlich Virosas wuchsen, gedeihen hier vorwiegend struppige Mesembs. Sie sehen Gott sei Dank gesund aus, sind aber leider keine explizite Augenweide, da sie wohl sehr lange Zeit keinen Niederschlag abbekommen haben. Na ja, immerhin erblicken wir keine weiteren Anzeichen für pflanzliches Siechtum und der Ausblick, der uns am Gipfel erwartet, macht diesen Mangel an aufregenden Sukkulenten um ein Vielfaches wett! Staunend lassen wir uns auf einem sonnenwarmen, windgeschützten Felsen nieder und genießen die sagenhafte Aussicht, die sich uns darbietet: im Nordosten staffeln sich die Bergrücken der Nabasberge bis hinunter zum Oranjetal, mit weitem Blick hinüber nach Namibia, im Südwesten sieht man die, wie von Riesenhand hingeworfenen Steinkugeln des Kokerboomkloofs und zu Füßen unseres Gipfels kann man deutlich erkennen, dass er das Trockenflusstal in zwei breite, sandige Arme teilt. Ist das schön!

Euphorbia decussata
Ceraria namaquensis
Aizoaceae











Mindestens ebenso schön ist die Stille, die uns hier, auf unserem einsamen Gipfel, umgibt. Ja, zugegeben, ab und an hört man einen Vogel singen, der Wind umweht sachte unsere Ohrmuscheln und erzeugt dabei ein an- und abschwellendes Rauschen, aber ansonsten ist es still. Kein Verkehrslärm, kein Fluglärm, kein menschliches Geräusch ist zu vernehmen. Moment, da war doch was! Für einen kurzen Moment dringt Annettes Stimme an unsere Ohren, dann folgt Jochens schallendes Gelächter - glasklar und deutlich. Man hört durchaus, dass sie nicht unmittelbar neben uns stehen, aber als wir sie dann endlich tief unter uns, am Fuße unseres Berges, erspähen, sind wir doch ziemlich erstaunt. Was für eine Akustik! Die muss man ja fast nutzen... Heinz stößt sofort ein vogelähnliches Trillern aus und wir freuen uns diebisch, als unsere beiden Freunde vergeblich nach dem vermeintlich tierischen Verursacher Ausschau halten. Heinz gibt noch ein täuschend echtes Murmeltierpfeifen und einen nicht ganz so originalen Schakalkläffer von sich, während wir uns wie die kleinen Kinder an unseren sichtlich irritierten Freunden erfreuen. Schließlich aber geben wir uns zu erkennen - wir richten uns zu voller Größe auf (was zugegebenermaßen nicht wirklich imposant ist), winken und rufen laut Hallo, doch Annette und Jochens Blicke, die hektisch durch die Gegend irren, entdecken uns nicht. Mhm, sooo klein sind wir jetzt auch wieder nicht! Aber gut, genug der Scherze; nicht dass die beiden von den nicht zu ortenden Tiergeräuschen noch Angst bekommen. Kichernd lassen wir uns also erneut auf unserem Aussichtsfelsen nieder und genießen weiter unser Alleinsein auf dem namenlosen Berg, so lange, bis uns dann doch ein bisschen fad wird. Langsam erheben wir uns deshalb und stapfen dann noch viel langsamer auf der dem Aufstieg gegenüberliegenden Hügelflanke wieder nach unten, machen noch einen Schlenker über den Köcherbaumwald, bevor wir erneut im Camp aufschlagen.

Und dort sitzen sie schon alle versammelt, unsere drei Reisegenossen, und lassen den Herrgott einen guten Mann sein. Ansteckend gemütlich haben sie es sich im Schatten unseres Gazebos und der Campfelsen gemacht und frönen dem süßen Nichtstun, trinken Kaffee, knabbern Kekse, lesen und Jochen gibt sich gar einem Nickerchen hin. Hocherfreut lassen wir uns mitten in diese einladende Runde plumpsen und ergehen uns in den nun folgenden, heißen Mittagsstunden gemeinsam mit unseren Freuden bei ähnlich entspannenden Tätigkeiten - ohne großes Gequatsche und bar jeglicher Betriebsamkeit. Mann, warum kann das Leben nicht immer so sein? Könnte man auf diese Art Geld verdienen, wir alle wären sicher schon mehrfache Millionäre!

In solchen Momenten muss ich immer wieder an all die Menschen denken, die mich im täglichen Leben umgeben, ganz besonders aber an die, mit denen ich Tag für Tag U-Bahn fahren muss. Morgens, zur Hauptverkehrszeit, sind alle Wagons gut besetzt. Zirka 200 Leute aller Altersstufen sitzen und stehen da rum, mümmeln geräuschvoll Backwaren aus raschelnden Papiertüten, schlürfen frisch gebrühten Kaffee, dampfende Latte oder cremigen Frappuccino aus Wegwerfbechern, manche Frauen schminken sich und diverse Männer zupfen ihre ohnehin gerade gestylten Undercuts zurecht. Wohl gemerkt: die meisten gehen so bereits einer Beschäftigung nach! Doch es ist kaum einer dabei, der nicht gleichzeitig Stöpsel im Ohr hätte und zusätzlich noch mehr oder weniger zielgerichtet auf seinem Smartphone rumwischen oder -tippen würde. Wie kann man das ertragen? Oder besser gefragt: wie könnte so ein Zivilisations- und Input-Besessener auch nur einen einzigen derartigen Tag überstehen, wie wir ihn gerade erleben? Kein Strom, kein Netz - der Betroffene könnte sein Elend nicht mal auf Facebook posten, während er, seit Tagen ungeduscht und löslichen Kaffee trinkend, im Zivilisationsloch zu modern beginnt! Um Himmels Willen, nicht dass ich solche Leute hier um mich haben wollte - ich möchte einfach nur mal sehen, wie ihnen ein solcher Ort bekommen würde. Vielleicht lägen ja nach ein paar Stunden haufenweise amokgelaufene Suizidale zu Füßen der höheren Felsen, vielleicht aber wären auch ein paar Menschen dabei, die zu Besinnung kämen und genießen könnten - so, wie wir das tun! Schaden würde diese großartige Erfahrung sicher niemandem - was er daraus macht, ist natürlich eine andere Geschichte...

Mama Felsenratte ...

... und ihr Nachwuchs











So hängen wir alle unseren Gedanken nach oder denken eben mal gar nichts. Doch plötzlich reißt Heinz, unser Adlerauge und -ohr, ein helles Fiepsen aus der kontemplativen Ruhe. Es kam aus den Felsen links neben uns. Vorsichtig schleichen wir uns gemeinsam näher, sehen nichts, bis, ja, bis ein graues Pelzknäuel direkt vor unseren Augen in eine schattige Gesteinsspalte huscht, dort untertaucht und im selben Moment das Fiepsen erneut ertönt. Hui, das war eine Felsenratte und die scheint Nachwuchs zu haben! Mit einer der Situation angepassten Unaufgeregtheit schieben wir uns gespannt dichter an besagte Felsspalte heran, verbiegen uns, knieen nieder, versuchen darunterzugucken. Und ja, da sind die Mama und ihre Kinder! Och Gottle, sind die süß! Schon erwachsene Felsenratten sind ganz entzückende und knuffige Tiere, die alle Kriterien des Kindchenschemas voll erfüllen, aber ihr Nachwuchs toppt das noch um ein Vielfaches. Allerdings sind die Tiere sehr vorsichtig und wagen sich lange nicht aus ihrer Deckung. Unsere Freunde bringen die Geduld, das abzuwarten, leider nicht auf, weswegen sich das Ganze weiter verzögert - immer wieder macht einer unserer Mit-Menschen einen geräuschvollen Abgang und mahnt die Ratten so erneut zur Vorsicht. Aber irgendwann kehrt doch endlich Ruhe ein und Mama wagt sich aus ihrer Felsspalte, sichert die Umgebung, pfeift leise, und schon trauen sich auch ihre beiden Kinder heraus. Sie sind noch sehr klein und etwas tapsig unterwegs, das aber tut ihrer Spielfreude keinen Abbruch: energiegeladen tollen die Rattenbabys auf den sonnenwarmen Felsen umher, jagen sich gegenseitig, beschnuppern alles und kommen uns dabei sehr nahe. Wir sind so entzückt, dass wir uns heftig beherrschen müssen, kein Geräusch von uns zu geben und uns nicht zu bewegen. Doch es lohnt sich - und wir kosten unsere Zweisamkeit mit der kleinen Familie aus, bis unsere zur Bewegungslosigkeit verdonnerten Gliedmaßen zu streiken beginnen. Eine kleine Belastungsumlagerung von meinem rechten auf das linke Bein reicht aus und die Nager witschen erneut unter die Felsen. Schade! Doch wir hatten genussvolle Minuten und Heinz ist es sogar gelungen, ein paar Fotos zu machen - wie auch immer er das geschafft hat.

Strahlend kehren wir zu unseren Freunden zurück und berichten diesen von den kleinen Ratten. „Ach, die sind doch noch rausgekommen? Warum habt ihr uns nicht Bescheid gesagt?“ Tja, warum wohl... Das sehen auch unsere Freunde ein und geben sich deswegen mit Heinz’ Fotoausbeute zufrieden. Doch niemand muss sich beschweren, denn auch hier, direkt vor unserem Schattendach ist Action geboten: am Fuße der Campfelsen blühen einige sparrige Büsche, die ein einzelner Nektarvogel als die seinen auserkoren hat. Das jedoch sieht sein artgleicher Konkurrent anders und macht dem selbsternannten Ernte-Monopolisten das Leben schwer. Der Hausherr saugt an Busch A, der Feind fliegt in Busch B und wird von dort vertrieben. Natürlich ist nun Busch A frei, was der Konkurrent sofort ausnutzt. Doch auch dort wird er stante pede vom Hausherrn vertrieben. Was wiederum Busch B erneut freimacht... Der Nahrungskampf der beiden Vögel mutet beinahe amüsant an, doch er ist bitterernst und macht uns mit seinem fast aussichtslosen Hin und Her ganz nervös. So nervös, dass Heinz und ich die ersten Nachmittagsschatten nutzen, um uns wieder hinauszuwagen und die Umgebung oberhalb unseres Camps zu erkunden.

Richtersveld Flat Lizard
Blattlose Blüte
Agame - gut getarnt











Wir passieren dazu die beiden höher gelegenen Campsites, die immer noch unbesetzt sind, umrunden ein Felsplateau zu unserer Rechten und klettern schließlich auf dessen Nordseite nach oben. Und schon wieder umfängt uns bald eine Zauberwelt, die man vom Camp aus allenfalls erahnen konnte: schreiend bunte Echsen tummeln sich dort, kleine Zwiebelgewächse schieben ihre zarten, weißen Blüten ins Licht, bizarre Felsformationen nehmen greifbare Gestalt an, ein windgebürsteter Baum duckt sich in eine Senke, flache Felsplatten geben wasserlose Traumpools preis, riesige Gesteinsbrocken türmen sich wie festbetoniert aufeinander und geben statische Rätsel auf, andere wiederum, die gar unverrückbar erscheinen, geben ein deutlich hörbares Knirschen von sich, als wir sie betreten - und auch ein leichtes Schwanken ist zu spüren. Ganz oben angelangt, tut sich eine steinerne Welt vor uns auf, die beinahe unendlich erscheint und in den schönsten Rottönen der Nachmittagssonne erglüht. Die riesigen Felskugeln oberhalb des Kokerboomkloofs sehen so plastisch aus, dass wir fast danach greifen und damit spielen möchten, eine Schwalbe überfliegt uns mehrmals derart dicht, dass wir sehen, wie sie uns ausgiebig beäugt und für harmlos befindet, die Köcherbäume im Tal werfen immer längere Schatten und über all dem liegt wieder diese einlullende Stille. Nachdem wir lange genug herumgeklettert sind und alles eingehend inspiziert haben, lassen wir uns deshalb auf einen sonnenwarmen Felsen sinken und genießen diese Ruhe, diese einzigartige Stimmung, unsere einsame Zweisamkeit und den Sonnenuntergang, der nicht sonderlich spektakulär ist, aber es trotzdem schafft, die Umgebung in den schönsten Farben erglühen zu lassen.

Windgebeugter Baum
Wasserloser Pool
Blick auf den Kloof











Glücklich seufzend kosten wir die letzten Lichtspiele aus und verlassen unseren Ausguck erst, als sich bleierne Schatten über das Tal senken, die Kontraste breiig werden. Dann treten wir den Rückweg an, gerade noch rechtzeitig, um nicht im Dunkeln herumstolpern zu müssen. Im Lager empfängt uns dann schon der einladende Schein unserer Tischlaterne und unsere Freunde, die gerade die Ärmel aufkrempeln und sich zu ersten Vorbereitungsarbeiten für das Abendessen anschicken. Na, da sind wir doch tatkräftig mit dabei! Schnell ist ein Abendessen gezaubert - eines von vielen deftigen, herzhaften, köstlichen Gerichten, die wir Abend für Abend zu uns nehmen, an die ich mich im Nachhinein in den seltensten Fällen erinnern kann. Ja, wir haben diniert, aber was? Keine Ahnung, ist aber auch nicht wichtig, denn es schmeckt immer (bis auf den seltsamen Kartoffel-Ananas-Auflauf, damals im Moremi...). Aber da sieht man mal wieder, was für mich wichtig und merkenswert ist, und was nicht. Essen gehört auf jeden Fall nicht zu den wichtigen Dingen, wenn solche Tageserlebnisse hinter mir liegen! Dafür aber ereignet sich beim gemeinsamen Abwasch etwas, dessen ich mich noch lange erinnern werde: ich bin heute mit Abtrocknen dran und wienere soeben mit einem nicht gerade saugwilligen Trockentuch über einen Teller, als ich aus dem Augenwinkel eine schnelle Bewegung zu meinen Füßen wahrnehme. Es ist ein nicht wirklich kleiner, sandfarbener Skorpion, der da hektisch über den Boden flitzt. „Leute, Achtung, da ist ein Skorpion! Lasst ihn nicht aus den Augen, ich muss nur schnell was holen...!“ Erstaunt sehen mir meine Reisegenossen hinterher, allein Heinz weiß, worum es geht: vorsichtig umrunde ich das Spinnentier, sause zum Auto und krame meine vor ein paar Wochen erworbene Schwarzlichtlampe hervor. Hah, so lange habe ich auf einen nächtlichen Skorpion gewartet und jetzt ist es so weit! Aufgeregt kehre ich zum Objekt meiner Begierde zurück und knipse die Lampe an. Uih, Wahnsinn, wie der leuchtet!

Skorpion „natur“
UV- und Blitzlicht
Reines UV-Licht











Wir alle kennen den Effekt von Schwarzlicht aus der Jugendzeit - jede Disco, die was auf sich hielt, hatte sowas und ich sehe noch wie heute vor mir, wie sich weißgekleidete Körper auf der Tanzfläche in zuckende, fluoreszierende Roboter verwandelten. Dass dieses spezielle Licht auch Skorpione zum Leuchten bringt, war mir damals noch nicht bekannt, doch vor vielen Jahren hörte ich zum ersten Mal davon und wollte es dann natürlich auch selbst sehen. Doch ohne geeignete Lampe geht da nix. Lange hatte ich die Anschaffung immer wieder verschoben - ach nee, noch ein Teil mehr -, aber vor dem diesjährigen Urlaub hatte ich mich doch durchgerungen. Es hat sich gelohnt! Der Skorpion leuchtet im violetten, kaum sichtbaren Licht meiner Neuanschaffung so heftig, dass uns allen der Mund vor Staunen offen stehenbleibt. Und ich glaube, ihm selbst ist das auch nicht geheuer, wie er da in grellem Geisterbahngrün erglüht. Zügig tritt er den Rückzug an und zwängt sich verstört in eine Spalte unter dem Campfelsen. Dort gräbt er sich immer tiefer ein, aber sogar durch die dünneren Schichten der ihn bedeckenden Sandkörner reflektiert er noch immer den Strahl meiner Disco-Funzel. Ein geiles Erlebnis! Den Rest des Abends leuchten wir in der Gegend herum und, nachdem kein weiterer Skorpion auftauchen will, erfreuen wir uns eben ersatzweise am schwachen, aber dennoch deutlich sichtbaren Fluoreszieren diverser Spinnen, die uns besuchen kommen...


Weitere Impressionen des Tages:

Felsformationen: Bulldogge
Gesicht
Hund oder Schaf?











Sagengestalten
Sid, das Faultier
Altes Ehepaar











Blick ins Tal
Oberhalb des Kloofs
Schatten unserer selbst



























Geborstene Steinkugel








































Abendschatten
Tierisches Bauwerk












Platysaurus attenboroughii
... und Gattin
Libelle











Abendlicher Gast













Hirpicium sp.

Sisydithe spartea











Mesembryanthemum sp.
Prenia sladeniana
Mesembryanthemum sp.











Dimorphotheca sp.
Wie ein Pfaffenhütchen
Mesembryanthemum sp.











Eriocephalus microphyllus
Eriocephalus microphyllus
Heinz und Pillansii

11. Oktober 2014; Kokerboomkloof, Ausflug zum Tatasberg und weitere Musestunden vor Ort

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Eigentlich wollten wir ja heute mal ein wenig länger schlafen, denn es liegt ein ruhiger Tag vor uns - und da kann man sich durchaus ein Mützchen Schlaf mehr gönnen. Aber irgendwie ist uns der Rhythmus der vergangenen zwei Wochen bereits so in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir um sieben Uhr schon wieder putzmunter sind und uns am Frühstückstisch versammeln. Also investieren wir die „gewonnene“ Zeit eben in ein ausgedehntes, gemütliches Morgenmahl, das wir richtig zelebrieren. Dann spülen wir ab, räumen gemächlich zusammen und machen uns höchst entspannt auf den kurzen Weg zum Tatasberg, der, quasi in Sichtweite, keine 6 Kilometer vom Kokerboomkloof entfernt liegt.

Am Tatasberg
Weite Sicht
Beruhigende Landschaften













Der Tatasberg zählt mit seinen gut 1000 Metern durchaus zu den höheren Gipfeln des Richtersvelds und stellt, rein geologisch gesehen, eine kleine Besonderheit dar. Er besteht aus einer mächtigen Granitintrusion, die mit ihren zarten 530 Millionen Jahren das Durchschnittsalter der wesentlich älteren Gesteinsaufwerfungen am Rande des Oranje-Richtersveld-Gebietes erheblich senkt. Das klingt nun nicht sonderlich aufregend (außer man ist Geologe), der Live-Anblick dieser relativ jungen Formation allerdings ist unvergleichlich: der Tatasberg zählt zu einer der grandiosesten Mondlandschaften dieses Nationalparks. Ein konisch zulaufender Felsenhaufen, bestehend aus riesigen, rotbraunen, von Wind und Wetter zu bizarren Formen geschliffenen Granitbrocken, einzelne davon größer als ein Hochhaus, ragt majestätisch über seine Umgebung hinaus. Am Fuße seiner Südwestseite beeindrucken gigantische, walbuckelförmige Felsformationen, von denen sich im Laufe der Jahrmillionen, wie Zwiebelschalen, immer wieder meterdicke Schichten abspalteten und zu Boden rutschten. Fährt man ein paar hundert Meter weiter, so landet man auf einem fast brettebenen Felsplateau, übersät von knödelrunden Granitkugeln, das sich in Treppenform gen Tal neigt und einen phantasischen Blick auf eine weite, sandige Senke und sich dahinter liegende Bergketten freigibt. Wir sind nun schon zum dritten Mal hier, wissen deshalb, was uns erwartet, aber trotzdem haut uns es auch diesmal beinahe wieder aus den Socken. Es ist eine Landschaft, die immer gleich und doch jedes Mal anders ist, ein Ort, an dem man sich so klein vorkommt, der aber gleichzeitig derart warme Impulse aussendet, dass man sich hier unendlich geborgen fühlen kann. Und eine Umgebung, die zum Träumen, zum Abschalten, zum Fliegenlassen der Gedanken, zum sich Ausklinken, aber auch zum Erkunden einlädt. Raue, äußerst griffige Granitfelsen lassen einen rasch und sicher nach oben kommen, zahlreiche natürliche Sitzgelegenheiten verzögern den Aufstieg aufs Angenehmste, der Ausblick verändert sich mit fast jedem, trotzdem getanen, weiteren Schritt, man entwindet sich so auf fast unwirkliche Weise der Zeit und landet in einer weichen, umfangenden Daseinsblase, die alles andere nichtig und unwichtig erscheinen lässt.

















Während unsere Freunde schon lange außer Sichtweite sind und Heinz hoch über mir zwischen den Felsen herumturnt, erlebe ich das, was ich gerade beschrieben habe, lasse meine Gedanken dabei fliegen - und frage mich: kann man so etwas ersthaft empfinden? Was ist das? Der Verklärungszwang einer Afrikasüchtigen? Nein, es ist etwas anderes, etwas, das sich schwer erklären lässt, aber versuchen möchte ich es trotzdem: der Hafen, in dem mein Boot liegt, in dem mein Herz vertäut ist, das ist meine Heimat, das Umfeld, in dem ich groß geworden bin, umgeben von den Personen, die mir alles bedeuten. Das ist gleichzusetzen mit Vertrautheit, Sicherheit, Geborgenheit und tiefer Liebe. Wie oft durchfährt mich ein überbordendes Gefühl der Wärme und unlösbaren Verbundenheit, wenn vertraute Kindheits-Gerüche in meine Nase dringen, wenn ich unvermutet die Stimmen meiner liebsten Menschen höre, wenn ich ein blühendes Rapsfeld sehe, einen oberbayrischen Bauernhof mit seinem Blumenschmuck, das Bergpanorama des bayrischen Oberlands, oder mich der heimische Wald mit seinen Geräuschen umfängt, ein Vogel sein Lied schmettert und Erinnerungen wachruft. All das ist für mich wahre Heimat. Doch das östliche und, ganz besonders, das südliche Afrika verkörpern eben eine Art zweiter Heimat für mich. Hier spielen Kindheitserinnerungen natürlich keine Rolle, aber bestimmte Situationen und Landschaften, die Stille und Weite, die Einsamkeit, die einen trotzdem nicht alleine lässt - all das ruft ebenfalls ungemein angenehme, mich samtig umfangende Gefühle hervor. Es ist wie das heimelige Pochen eines geheimnisvollen Herzens, das mich hier in seinen Bann zieht und mit seinem weichen Schlagen mütterlich in die Arme nimmt. Abgefahren, oder? Afrika, die Wiege der Menschheit; vielleicht ist es das, was im hintersten Winkel meiner Ur-Erinnerungen abgespeichert ist, was diese tiefen Regungen in mir hervorruft, vielleicht aber ist es auch die Befriedigung einer Sehnsucht, die zuhause, in Deutschland, keine Erfüllung mehr findet - das unstillbare Verlangen nach Ruhe, bar jeglicher menschenerzeugter Geräusche, nach unendlicher Weite, in der sich mir nichts in den Weg stellt, nach Gerüchen, die keine chemischen Komponenten enthalten, nach Zeit, die von Licht und Dunkelheit bestimmt wird und nicht von unsinnigen Terminen und Zwängen. Ich komme letztendlich zu keiner schlüssigen Erklärung, aber allein die Tatsache, hier sitzen und über so etwas nachdenken zu können, ist mir Erklärung genug!


















Und was mich beruhigt: es ist offenbar kein Dauerzustand einer pathologischen Afrika-Glorifiziererin, sondern eine genauso temporäre Empfindung wie zuhause auch - Annettes lautes Rufen, tief unter mir, reißt mich rüde aus meinen Träumereien, meine mäandernden Gedanken verschwinden so schnell in meinem Hinterkopf, als wären sie mit einer Hochsee-Angel eingeholt worden und ich bin wieder im unverklärten Dasein angekommen. „Barbara, Heinz, wo seid ihr? Wir wollen langsam mal....!“ Aaah, willkommen zurück in der Welt des Termindrucks! Doch hier und heute habe ich echt keine Lust auf sowas und überhöre Annettes Suchanfrage deshalb geflissentlich. Pah, wenn es EINEN Tag gibt, an dem uns nichts, aber auch gar nichts drängt oder verpflichtet, dann ist das heute! Obwohl mich das Gerufe aus meiner ganz persönlichen, kontemplativen Ruhe gerissen hat, die in dieser Situation auch gewiss nicht wiederkehren wird, verweigere ich eine rasche Rückkehr gen Tal, denn ich weiß, dass Heinz (der das Geschrei sicher ebenfalls vernommen hat) noch weniger Lust auf Stress hat. Und wenn er da oben so ausdauernd zugange ist, dann hat bestimmt etwas Interessantes entdeckt. Also stelle ich auf Durchzug, bleibe noch eine ganze Weile sitzen und bewege mich erst dann ganz, ganz langsam nach unten. Hier noch ein schöner Ausblick, dort eine Felsenratte, da drüben eine unbekannte Pflanze... „Barbara, wo wart denn - und wo ist Heinz?“ Vage deute ich nach oben. „Ausgebüxt. Warum, was ist los?“. „Ach, wir sind ja nun lang genug hier, dachten wir, und wollten jetzt langsam wieder zurück“. „Er wird schon kommen, aber was drängt uns denn jetzt so sehr? Hab ich was verpasst?“ „Ne, aber so interessant ist es hier auch nicht und außerdem habt ihr doch bestimmt alle Hunger!“ „Nicht wirklich, aber ich gehe ihn trotzdem mal suchen.“ Dankbar für den Aufschub, drehe ich mich um, verschwinde erneut zwischen den Felsen und klettere Heinz entgegen - denn natürlich weiß ich so ungefähr, wo er ist... Bald darauf treffen wir tatsächlich aufeinander, er strahlt, runzelt aber gleichzeitig die Stirn. „Wollen die scho wieder fahren, oder was soll das G’schrei?“ „Ich hab nix gehört, Schneck!“, zwinkere ich. „Aber was bringt dich so zum Strahlen?“ „Ich hab was gefunden, da oben, bei einer kleinen Höhle!“ Aufgeregt zückt er seine Kamera, wir lassen uns auf einem Felsen nieder und sehen uns gemeinsam seine Bilder an.

Conophytum quaesitum
ssp. quaesitum var. rostratum
Auch kopfüber...
...oder auf ebener Fläche














Nun ist die Vegetation des Tatasbergs nicht gerade reichhaltig, aber Heinz ist es gelungen, einen besonderen Schatz ausfindig zu machen: mehrere Conophyten-Polster, die an einer relativ eng begrenzten Stelle üppig wucherten - und zwar beinahe alle kopfüber in mehr oder weniger waagerechten Felsüberhängen! Ein toller Fund, so toll, dass ich fast nochmal losgehen möchte, um die Pflanzen mit eigenen Augen sehen zu können, aber das wollen wir unseren Freunden dann doch nicht zumuten. Stattdessen machen wir uns langsam, ganz langsam auf den Weg nach unten, natürlich nicht ohne noch hier und da ausgiebig innezuhalten. Eine dreiviertel Stunde kommen wir mit unschuldiger Miene bei unseren Freunden an, die schon voller Ungeduld auf uns warten. „Wo wart ihr denn so lange?“ „Mei, ich hab den Heinz einfach ned gefunden. Aber jetzt sind wir ja da.“ Erleichtert dirigieren uns unsere Reisegenossen zu den Autos - offenbar haben sie Angst, wir könnten noch etwas endecken - und dann treten wir den Rückweg zum Camp an.

Wieder „daheim“: Die Toon
Felsenformation
Der Kokerboomkloof













Dort angekommen, wird erst mal der (von manch einem) ersehnte Lunch eingenommen, bevor sich allgemeine Lethargie breitmacht. Heinz und mich hält es allerdings nicht lange im angenehmen Schatten der Campsite, weshalb wir uns bald schon wieder auf die Pirsch machen. Erst erkunden wir die nähere Umgebung unseres Camps, die durchaus einiges an Blümchen zu bieten hat, dann besuchen wir erneut die Köcherbäume im Kloof, checken unsere Wildkameras, die leider nur ein paar Mal augelöst haben, danach spazieren wir ganz gemächlich zu unserer Site zurück. Mit einem ganz bestimmten Ziel vor Augen: Sundowner einpacken und los zum Felsplateau oberhalb der Campsite, um dort in trauter Zweisamkeit gebührlich den bevorstehenden Abschied vom Richtersveld zu begehen. Gesagt, getan. Mit zwei kühlen Bieren im Gepäck schrauben wir uns gleich darauf wieder nach oben. Zwei Klippspringer beäugen uns neugierig dabei, zeigen keinerlei Scheu und machen nicht mal einen Fluchtversuch, als wir ein paar Meter unter ihnen stehenbleiben, um sie zu fotografieren. Erfreut winken wir den beiden Tieren zu - auch das schreckt sie nicht -, verlassen dann den Fahrweg und kraxeln in die Felsen, um zu unserem Plateau zu gelangen. Oben angelangt, suchen wir uns den Platz mit der schönsten Aussicht, setzen uns nieder und lassen unsere Augen über den Kloof schweifen, dessen Farben in der späten Nachmittagssonne in den schönsten Nuancen zu leuchten beginnen. „Morgen um die Zeit sind wir scho weit weg von hier..“ „Jooo, ich mag ned...“ „Ich a ned! Aber wir kommen ja wieder...“ „Gaaaanz bestimmt!“

Klappspringer-Pärchen
Steinerner Dackel
Riesenmurmeln am Kloof













Wehmütig und zugleich schon wieder voller Vorfreude kuscheln wir uns aneinander und genießen den unvergleichlichen Anblick dieses ebenfalls unvergleichlichen Fleckchens Erde. Als der Sonnenuntergang (viel zu schnell) naht, öffnen wir unsere Bierdosen - unter den irritierten Blicken der Schwalbe, für die wir seit gestern wohl schon zum geräuschlosen Inventar des Plateaus gehört hatten - und prosten uns zu. "Auf nächstes Mal!""Versprochen!" Dieses Versprechen macht den Abschied tatsächlich leichter, ein wenig zumindest. Trotzdem leert sich das Bier unnötig rasch, viel zu schnell senken sich die Schatten der Dämmerung auf den Kloof und wir sehen uns genötigt, den Rückweg anzutreten. Langsam winden wir uns wieder nach unten - traurig, dass wir uns verabschieden müssen, dankbar, dass wir hier sein durften, aber auch vorfreudig auf unsere letzte Nacht in dieser magischen Umgebung. Sicherlich werden wir den einzigartigen Sternenhimmel nicht die ganze Nacht beobachten und die Stunden der einlullendsten Stille ohnehin verschlafen, aber wir sind immerhin noch hier!

Unsere Reisegenossen haben den Nachmittag mit deutlich weniger pathetischen Gefühlen verbracht, so entnehmen wir zumindest ihren knappen Berichten. Annette hat gewaschen, gelesen und gedöst, Jochen ein ausgedehntes Nickerchen absolviert und Ute vergnügte sich ebenfalls in dem Felsmassiv oberhalb der Campsite. Es ist wohl jeder dem nachgegangen, was für ihn am wichtigsten war - und so verbringen wir einen letzten und sehr entspannten Abend im Richtersveld, bevor uns morgen die Wirklichkeit des vorerst endgültigen Abschiednehmens einholen wird und wir weiterziehen müssen.


Weitere Impressionen des Tages:

Am Tatasberg
Am Tatasberg














Höhle am Tatasberg











Conophytum quaesitum
ssp. quaesitum var. rostratum
Conophytum quaesitum
ssp. quaesitum var. rostratum
Conophytum quaesitum
ssp. quaesitum var. rostratum











Crassula muscosa var. muscosa
Crassula namaquensis
Crassula sp.











Ornithogalum hispidum
Dyerophytum africanum
Pelargonium sp.











Jamesbrittenia glutinosa
Nymania capensis
Sisyndithe spartea
Felsenratte
Klippspringer
Conophytum quaesitum
ssp. quaesitum var. rostratum

12. Oktober 2014; Richtersveld NP, Kokerboomkloof > Goegap NR bei Springbok

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Wie kann es sein, dass bestimmte Tage wie im Flug vergehen, bestimmte Nächte mit einem Fingerschnippen vorüber sind, während sich andere wie Kaugummi ziehen und Minuten sich wie Stunden anfühlen? Tja, je schöner und interessanter etwas ist, desto mehr scheint sich die Zeit zu sputen, um sich in weniger angenehmen Lebenslagen dann umso mehr einzuspreizen. Zum Beweis dieser Theorie ist der heutige Tag übrigens wie gemacht...

Bergkette im Richtersveld
Aloe dichotoma
Aloe pillansii












Nach unserer letzten Nacht im Richtersveld krabbeln wir frühmorgens aus den Zelten und versuchen mit größtmöglicher Gemütlichkeit zu frühstücken. Danach beginnen die Aufräum- und Abbauarbeiten, die zwar rasch vonstatten gehen, aber dennoch aufwändiger sind als sonst. Die letzten zweieinhalb Tage und drei Nächte haben wir in aller Ruhe und Beschaulichkeit hier verbracht und uns, wie der Mensch halt so ist, entsprechend ausgebreitet. Schüsseln, Töpfe, Karten, Bücher, Wäsche, Wildkameras, Vogeltränke, Lampen, Klamotten und diverse, seltener gebrauchte Gegenstände haben wir praktisch und griffbereit überall im Camp verteilt. Und all das muss jetzt wieder eingesammelt und an seinem Platz verstaut werden, nichts darf zurückbleiben. Zwar zählt der Lagerabbau nicht zu unseren bevorzugten Tätigkeiten, aber trotzdem wünschten Heinz und ich uns heute, er möge nie ein Ende nehmen. Tut er aber und das auch noch recht zügig. Nachdem wir einen letzten Kontrollblick über die liebgewonnene Campsite haben schweifen lassen, steigen wir wehmütig seufzend in die Autos und verlassen diesen gar gastlichen Ort, der uns die letzten Tage mit allem, was er zu bieten hatte, verwöhnte, um uns anschließend Richtung Helskloof Gate aufzumachen. Eine letzte Galgenfrist, die es auszukosten gilt!

Aloe pillansii
Unser Exil-Gebiet
Wir nähern uns Helskloof












Natürlich meiden wir heute den Domorogh Pass und nehmen stattdessen den Weg über die stattliche Aloe pillansii, deren Anblick nun auch Annette noch genießen soll. Sie tun ihr Bestes, sowohl die Aloe als auch Annette, doch die Pillansii zieht den Kürzeren: Annette ist ziemlich nervös und ihre Gedanken haben fast ausschließlich Raum für die bevorstehende Abfahrt über den Helskloof Pass, der zugegebenermaßen ebenfalls nicht ganz ohne ist. Wir sind voller Verständnis und klettern deshalb nach einer kurzen Besichtigungspause erneut in die Autos, um es hinter uns zu bringen. Bald darauf passieren wir die Hügel unseres kurzen Botanik-Exils und Heinz und ich seufzen vernehmlich und unisono, denn wir könnten unseren Freunden so viele schöne Pflanzen zeigen, ganz schnell, jetzt, da wir genau wissen, wo sie wachsen. Doch das ist wohl der falsche Zeitpunkt, weswegen wir schweren Herzens auf die gestraffte Aasblumen- und Sukkulenten-Führung - und ein Wiedersehen mit den blühenden Bodenschätzen - verzichten. Stattdessen sind wir auf den nun folgenden, rund zehn Kilometern ob der angespannten Situation einfach still, halten uns nur an den Händen und kommunizieren per Fingerdruck und Kopfnicken, wenn wir etwas Besonderes sehen. Viel zu schnell, eine Bestätigung der eingangs genannten Theorie, erreichen wir dann das Plateau vor der Abzweigung zum Helskloof Pass, das allerdings so spektakuläre An- und Ausblicke bietet, dass unser Mini-Konvoi auch ohne Heinz’ und mein Zutun stoppt: zu unseren Füßen erstreckt sich das Oranje-Tal mit malerisch in Violett- und Blautöne getauchten Bergketten, die umliegenden Hügel hingegen sind über und über mit leuchtendroten Aloen überzogen und bilden damit einen sehr reizvollen Kontrast zum diesigen Himmel und den bunten Bergen am Horizont. Dieser Anblick begeistert uns alle. Dass es sich bei den in unzähligen Rotnuancen glühenden Aloen um eine weitere, hochendemische Pflanzenart handelt (Aloe pearsonii), erhöht aber wohl eher nur Heinz’ und meinen Herzschlag spürbar. Egal. An diesem Punkt nimmt jeder einzelne von uns seinen ganz persönlichen Abschied vom Richtersveld, bevor wir uns dann, von unterschiedlichen Gefühlen behaftet, in die Tiefen der Helskloof-Passage nach unten stürzen.

Wohin das Auge blickt:
rote Hänge!
Aloe pearsonii












Jochen, mit Heinz und mir an Bord, tastet sich gefühlvoll den steilen Pfad talwärts, Annette folgt uns mit Ute ohne sichtbares Zögern und bald erreichen wir alle sicher die Talsohle. Annettes Aufatmen ist beinahe hörbar, auch wenn wir erst eine halbe Stunde später, beim endgültigen Verlassen des Richterseld NPs anhalten. Hervorragend hat sie es gemeistert, ihr Debut am Pass! Wie ein Schwamm, zurecht, saugt sie unser Lob auf, doch der Moment der Entspannung und der Freude ihrerseits ist kurz, denn wir müssen weiter.

Was für ein Empfang!
Das „liebliche“ Port Nolloth
Port Nolloth












Phase Zwei unserer Theorie-Bestätigung tritt nun in Kraft und will, bis zu unserer Ankunft im Goegap Nature Reserve, auch nicht mehr enden: während die letzten Stunden wie im Fluge vergangen sind, beginnt nun eine Zeit des Kaugummis par excellence. Von unserem Ausgangspunkt am Fuße des Helskloof Passes bis Alexander Bay punktet noch die unschöne Landschaft, die aber immer wieder neue Entdeckungen oder besonders schwungvolle Kurven bereithält. Kaugummi-Faktor 3,5 auf der bis zwölf reichenden Wrigley-Skala! Alexander Bay nach Port Nolloth, 82 Kilometer, schnurgerade an der nebeligen Küste entlang: Kaugummi-Faktor 4,5. Einkaufen in Port Nolloth: Kaugummi-Faktor 5,0 - immer noch gibt es etwas zu sehen oder zu lästern. Erwerb des Mittagssnacks und das Warten auf Selbigen in Port Nolloth: ganz schrecklich! Annette will Zeit und Geld sparen, weswegen sie unseren Lunch in einem Fisch-Restaurant mit wunderbarer Terrasse ordert - nein, wir nix Terrasse, nur take away, to go, aber mit einer Wartezeit, die sich gewaschen hat. Nach einer heißen, sonnenglühenden Harrerei von über 30 Minuten ist unser Essen dann endlich fertig und wird uns kredenzt - in Styropor-Asietten, auf dem Parkplatz. Die Wrigley-Skala ist auf Anschlag - insbesondere angesichts des verlockenden Blicks auf die einladend schattige, bestuhlte Terrasse! Wir hingegen lassen uns nämlich stattdessen mit unseren kulinarischen „Leckerbissen“ auf zwei Parkbänken an der Uferpromenande nieder und sollen nun, schattenlos, mit Plastik-Spießen bewaffnet in unseren Asietten rumpicken. Super, Wrigley-Skala gesprengt! Doch kaum haben wir uns hingesetzt und unsere Styropor-Behälter geöffnet, sinkt der Kaugummi-Faktor auf Null: ein Riesen-Pulk unterschiedlichster Möwen scheint nur darauf gewartet zu haben, umkreist uns nun laut kreischend zu Luft und zu Boden und immer wieder starten einzelne Vögel einen mutigen Angriff, um ein paarer labberiger Fritten habhaft zu werden. Für Heinz und mich ist das ein großer Spaß; begeistert teilen wir unser Mahl mit den frechen Bettlern und freuen uns über jeden geschnabelten Zugriff. Doch nicht alle unserer Mitreisenden teilen unser Vergnügen. Dass Jochen in derartigen Situationen relativ emotionslos ist, wussten wir und auch, dass Annette gerne mal ängstlich auf Vögel reagiert, die größer als ein Spatz sind. Nun aber sehen wir, dass Ute ebenfalls alles andere als Begeisterung demonstriert. Mit eingezogenem Kopf und schützend hochgezogenen Schultern sitzt sie da, erwehrt sich angewidert der zudringlichen Vögel und gesteht uns, dass sie an Pterophobie leidet - sie ekelt sich vor Federn. Unglaublich, aber wahr! Die Liste möglicher Phobien ist tatsächlich unendlich lange und es gibt offenbar nichts, wovor man sich nicht fürchten kann - die absurdesten Dinge eingeschlossen. Ich hatte zum Beispiel mal eine Kollegin, die litt an einer hochgradigen Koumpounophobie und konnte deshalb nichts tragen oder anfassen, was mit Knöpfen bestückt war. Aufgrund dieser Erfahrung, die mich erstmals und sehr eindrücklich mit Phobien bekannt gemacht hatte, glaube ich Ute sofort, während die anderen etwas zweifelnd dreinschauen. Aber es ist, wie es ist. Heinz und ich stellen unsere Fütterung natürlich sofort ein, was allerdings die Sachlage nicht allzu maßgeblich beeinflusst. Die Möwen sind gierig und bleiben weiterhin extrem zudringlich. Doch bald erledigt sich das Problem von selbst; wir haben aufgegessen und können nun weiterfahren.

Port Nolloth, Steinkopf, 90 Kilometer, Kaugummi-Faktor 4,5. Steinkopf, Springbok, 42 Kilometer, Faktor 5,0. Dann, das Goegap Nature Reserve ist schon fast in greifbarer Nähe, wird die Skala beinahe abermals gesprengt: wir kurven nach Springbok Downtown rein, um erneut irgendetwas zu besorgen. Hallo, es ist Sonntag, es ist drei Uhr nachmittags, das ist Zeitverschwendung! Trotzdem nehmen wir den Umweg über die Einkaufsmeile Springboks, um natürlich festzustellen, dass alle Geschäfte geschlossen haben... Schön langsam entwickle auch ich eine Phobie, und zwar die vor sinnigen, besonders aber vor unsinnigen, weil aussichtslosen Einkäufen! Nach einer kleinen Rundfahrt durch Springboks Innenstadt sehen allerdings dann auch Annette und Jochen ein, dass hier nichts mehr zu holen ist und endlich nehmen wir die letzten 17 Kilometer in Angriff. Ich weiß, ich weiß, solche Fahrtage tun meiner Stimmung von Haus aus nicht gut, doch diese unbegreiflichen Zeitverschwendungen in Form einer Extrarunde zum erwartungsgemäß geschlossenen Getränkeladen oder eines minutenraubenden Erwerbs  überflüssigen Mittagessens treiben mich fast in den Wahnsinn! Heinz drückt beruhigend meinen Arm und ich komme langsam wieder von meiner Palme runter, um sie, am Gate von Goegap ankommend, gleich darauf erneut zu erklettern. Mittlerweile nämlich ist es 16.05 Uhr - und das Gate ist geschlossen - seit exakt fünf Minuten! Oh, heiliger Kaugummi, beschere mir Contenance! Doch die Situation rettet sich auf südafrikanische Weise: die Gate-Rangerin, die gerade, unsichtbar für uns, unter ihrem Bürotisch abgetaucht war, kommt wieder zum Vorschein und lässt sich tatsächlich erweichen, das Tor nochmals zu öffnen, die unabdingbare Papierkram-Schlacht auch nach Feierabend in Angriff zu nehmen und uns schließlich, um 16.30 Uhr, mit einem freundlichen Lächeln und guten Aufenthalts-Wünschen einzulassen. Danke, danke, du gute Gate-Fee, das vergess’ ich dir nicht!

Erleichtert und voller Dankbarkeit passieren wir das Gate, das sich laut quietschend hinter uns schließt und tuckern froh, einer unnötigen Übernachtung in Springbok gerade nochmal von der Schippe gehüpft zu sein, zur nahegelegenen Campsite. Bald darauf kommen wir dort an und springen dann jauchzend aus den Autos: wir sind endlich da, der Kaugummi hat ein Ende! Und unser Ankunfts-Jubel weitet sich sogar noch aus: bei einer Kurzinspektion des Platzes stellen wir nämlich fest, dass wir a) alleine sind, b) der Platz schön gelegen, gepflegt, großzügig geschnitten und mit Schattendächern ausgestattet ist und c) über ein riesiges, einladend sauberes Sanitärgebäude verfügt. Letzteres erscheint auf den ersten Blick fast überdimensioniert, doch wenn ich so an De Hoop und den urlaubenden Südafrikaner im Allgemeinen und, ganz besonders, im Speziellen zurückdenke, kann ein Ablution Block an begehrten Ausflugszielen gar nicht groß genug sein. Aber das kann uns ja grade mal so was von egal sein! Begeistert über die sich uns nun darbietende, sehr kommode Gesamtssituation, laden wir erst mal nur Tisch und Stühle vom Dach, öffnen den Kühlschrank, entnehmen ihm fünf verlockend kühle Bierdosen und feiern unsere Ankunft. Mit ausgestreckten Beinen in den Klappsesseln lümmelnd - als wären wir heute noch nicht genug gesessen - genießen wir unseren Sundowner mit der angebrachten Andacht und einer Gelassenheit, die man wohl nur nach einem derartigen Tag empfinden kann, bevor wieder etwas Tatendrang über uns kommt.

Schwitz-taktisch wohl überlegt, bauen wir erst unsere Zelt auf und richten uns häuslich ein, bevor wir dann das Waschgebäude stürmen und uns dort dem Luxus einer Dusche hingeben; ein Vergnügen, auf das wir seit De Hoop verzichten mussten. Und hier haben wir auch noch den ganz besonderen Luxus, dass wir alle gleichzeitig der Körperpflege nachgehen können. Na ja, zumindest theoretisch. In der Praxis allerdings gestaltet sich das schwieriger als erwartet, denn die Duschen funktionieren zwar, haben aber eine Art Heißwasser-Reihenschaltung und wenn nun die Person, die dem Boiler am nächsten ist, die Warmwasserzufuhr auch nur leicht drosselt, wird die nächste in der Reihe quasi schockartig gebrüht, während die dritte endlich auch etwas lauwarmes Wasser abbekommt. Mein Gott, es kann eben nicht alles völlig perfekt sein... Ein bisschen perfekt reicht ja auch schon! Und das ist es. Frisch gereinigt und froh, diesen Fahrtag so gut überstanden zu haben, finden wir uns erneut an unserem Tisch zusammen, lauschen dem Zirpen der Grillen, während wir unser Abendessen zubereiten und quatschen uns anschließend sattgegessen und entspannt in eine sternenblinkende Nacht. Wie gut, dass Springbok zwar die Drehscheibe des südafrikanischen Nordwestens ist, die Gehsteige dort aber so zügig nach oben geklappt werden, dass die Lichter der Stadt unser astrales Vergnügen in keinster Weise schmälern - und Verkehrslärm ist auch nicht zu hören. Fast wie im Richtersveld...


Weitere Impressionen des Tages:

Letzte Aussichten
im Richtersveld
Vor Helskloof
Vor Helskloof










Roter Jochen – rote Aloen
Aloe pearsonii
Aloe pearsonii










Aloen-Hänge
Tylecodon paniculatus
unter Aloen
Blick ins Oranjetal









Cotyledon orbiculata
Asteraceae
Drosanthemum sp.










Acanthopsis disperma
Acanthopsis disperma
Die Zeit des Kaugummis beginnt










Durchs Minengebiet
Abraumhalde größeren Ausmaßes
Hier wohnt man schön...










Sparrige Eukalyptusbäume
Einkaufszentrum












Sandverwehte Straße
Abraumhalde










Küstenstraße nach Port Nolloth
Aloe pearsonii

13. Oktober 2014; Goegap NR, Erkundungstag per pedes

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Voller Vorfreude auf den heutigen, autofreien Tag robben wir aus unseren Zelten und trödeln erst mal gewaltig rum - frühstücken, die Umgebung bei vollem Sonnenschein betrachten und rekapitulieren, wo wir hier überhaupt sind. Vor Jahren schon hatte ich vom Goegap Nature Reserve gehört, es als sympathisch und (vermutlich) besuchenswert befunden und es darob heuer erstmals in unsere Reiseplanung eingebunden. Vermutlich sage ich deswegen, weil sich im Vorfeld nur wenig Genaues über dieses Reserve hatte herausfinden lassen. Nur so viel: wir befinden uns hier in einem, mit zirka 600 nachgewiesenen Pflanzenspezies, botanisch besonders ergiebigen Gebiet der Sukkulenten-Karoo - und in einer Gegend, in der anno dunnemals exzessiv Kupfer abgebaut wurde; die Hochzeit der Gewinnung des rotbraunen Metalls datiert sich auf die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Damals saß die Okiep Copper Mining Company - als unangefochtener Marktführer des Namaqua-Distrikts - auf den reichsten Kupfervorkommen der Welt; einer Tatsache, der wir übrigens die Route über den Anenous Pass zu verdanken haben, denn irgendwie musste die Ausbeute ja zur Verschiffung ans Meer gelangen. Die Geschäfte liefen zunächst hervorragend, dann jedoch flaute der Kupferboom ab und im Jahre 1918 schloss die Company ihre Pforten, der Ort Okiep, 7 Kilometer nördlich von Springbok, verkam zur Geisterstadt. 42 Jahre später, also im Jahre 1960, trat die Minengesellschaft ca. 4.600 Hektar ihres brachliegenden Landes an die Regierung der Kapprovinz ab. Welche Gründe es für diese Schenkung, diesen Deal gab - ich konnte es nicht herausfinden. Aber wie dem auch sei: auf jeden Fall wurde das der Provinz übereignete Gelände von Selbiger sofort unter Naturschutz gestellt und, auf Wunsch der Schenkerin, als Reservat für Naturblumen ausgewiesen. Dank des äußerst rührigen Engagements des damaligen Provinzverwalters Dr. Nico Malan konnte innerhalb von sechs Jahren die nötige Infrastruktur geschaffen und das Reservat für das Volk eröffnet werden. Besonderes Zuckerl hierbei war ein Wildblumengarten, den Malan zu Ehren seiner Gattin hatte errichten lassen. Dieser Garten wurde zum Zugpferd des gesamten Reserves und machte es im ganzen Lande bekannt und beliebt. So beliebt, dass einige Zeit später sogar noch eine benachbarte Farm hinzugekauft und die Gesamtfläche des geschützten Gebiets damit auf 15.000 Hektar vergrößert wurde. Diese Farm hieß übrigens Goegap (Khoikhoi für Wasserloch), der Name, den das Reserve auch heute noch trägt. Tja, und genau da befinden wir uns nun. Und ich bin sehr gespannt, ob uns mein Bauchgefühl, trotz fehlender Informationen, an einen tatsächlich sehenswerten Ort geführt hat.

Das Ablution-Gebäude
Nur noch das Zelt verschließen...
...dann geht es los!










Das aber werden wir gleich überprüfen können: nach dem Frühstück, bei dem ich übrigens - angesichts des steil aufsteigenden Wanderpfades, der direkt von der Campsite abgeht - auf den einen oder anderen Leckerbissen verzichtet habe, packen Heinz und ich unser Zeug. Annette und Jochen hingegen bleiben derweil noch sitzen und zeigen keine großen Wanderambitionen und Ute ist ohnehin schon eine Weile vorher losgesaust, sodass wir uns tatsächlich alleine auf den Weg machen. Eine Tatsache, die uns nicht allzu traurig macht. Denn so müssen wir keine Rücksicht nehmen, können stehenbleiben, wann immer wir wollen, schauen und fotografieren, wo immer uns danach ist. Langsam schrauben wir uns nun, folglich in trauter Zweisamkeit, die ersten Kehren des deutlich gekennzeichneten Weges nach oben und bewundern die hiesige Vegetation, die üppig gedeiht. Nach zwanzig Minuten des gemächlichen Aufstiegs allerdings wird es unübersichtlich - und anstrengend: die Markierungen verschwinden im Nichts, der staubige Pfad verliert sich in steilen, griffigen Granitplatten, die frühe Vormittagssonne brennt unbarmherzig in die Felsen und die Pflanzenwelt wird zunehmend spärlicher. Schwitzend zickzacken wir uns über den Granit, nutzen jede flachere Rinne zur Entspannung unserer Wadenmuskulatur, jedes Pflänzchen zu einer willkommenen Pause und blicken immer wieder nach unten, um nicht die Orientierung zu verlieren. Puh, ist das anstrengend!

Harmlose Agame
beim Sonnen
Die „Gehörnte“
auf der Flucht
Das steilste Stück
liegt hinter uns










In einer besonders steilen Passage zieht sich Heinz gerade an den dünnen Zweigen eines sparrigen Busches weiter nach oben, als er plötzlich aufquiekt und gleichzeitig einen Satz nach hinten macht. Gerade noch fängt er sich in einer Querrinne - erschrocken und aufgeregt atmend. Ich habe nur die Sohlen seiner Schuhe vor Augen und kann somit nicht sehen, was ihn gerade so heftig hat hüpfen lassen, habe aber eine Vermutung, die sich sogleich bestätigt. „Hah, da, eine Schlange, die ist richtig hochgesprungen! Eine mit Hörnchen auf dem Kopf!“ Huiuiui, da hat Heinz wohl eine gehörnte Puffotter aus ihrem Tagesschlaf gerissen! Gott sei Dank nimmt ihm die relativ kleine Schlange das nicht allzu übel, verzichtet auf einen Biss und macht sich stattdessen, mindestens genauso erschrocken wie Heinz, hurtig aus dem Staub. Heilig’s Blechle, das hätte jetzt echt ins Auge gehen können! Hornpuffottern verfügen zwar über kein tödliches Gift, aber trotzdem sollte ihr Biss unbedingt behandelt werden, um daraus resultierende Gewebsnekrosen möglichst gering zu halten. Einen entsprechenden Arzt irgendwo in Springbok aufzutreiben, dürfte nicht das Problem sein, vielmehr jedoch, Heinz erst mal von hier oben runterzuschaffen. Im Stillen danken wir der kleinen, gehörnten Schlange, dass sie auf einen Verteidigungsbiss verzichtet hat und dieses Szenario im fernen Konjunktivbereich geblieben ist. Glück gehabt! Auf unserer weiteren Klettertour sehen wir nun jedoch besonders genau hin, woran wir uns festhalten und in welche Ritzen wir greifen, um uns hochzuhangeln, denn man sollte die Dame Fortuna schließlich nicht überstrapazieren...

Vielfältige Vegetation
Crassula brevifolia
ssp. brevifolia
Crassula cotyledonis










Schweißgebadet erreichen wir nach zirka einer Stunde - zwischenfallsfrei - eine Passage, die etwas flacher ist und uns gestattet, Kurs auf eine Art Pass-Sattel zu nehmen, der ein kommoderes (und pflanzenreicheres) Fortkommen verspricht. Und siehe da; kaum haben wir die letzten Granitflächen überwunden, spüren wir wieder einen erkennbaren Weg unter unseren Füßen - und stoßen auf eine erneute Markierung. Das Gelände präsentiert sich nun wieder übersichtlicher und weniger anspruchsvoll, sodass wir uns fortan voll und ganz auf die Vegetation konzentrieren können, die, fernab der Granitplatten, tatsächlich und wie erwartet, üppig gedeiht. Genüsslich folgen wir dem kleinen Weglein, machen immer wieder kurze Abstecher nach links oder rechts und werden dabei stets reich belohnt. Wir fühlen uns fast, als wären wir schon im Hester Malan Wildblumengarten, so vielfältig präsentiert sich uns die hiesige Flora - lediglich die fehlenden Schildchen weisen uns dezent darauf hin, dass dem nicht so ist. Meine Güte, ist das schön hier! Völlig versunken in unsere Bodenschätzchen, ersteigen wir Serpentine um Serpentine - das Erlebnis mit der Schlange ist schon lange vergessen.

Polymita albiflora
Aizoaceae
Tylecodon wallichii










Und wieder zeigt sich, dass wir bedenklich sorglos und, von Pflanzen mal abgesehen, sehr unaufmerksam durch die Gegend stolpern. Gut, hier gibt es keine Raubtiere oder größeren Säugetiere, die einem gefährlich werden könnten, aber als ich, eine Kurve umrundend, mit einem Mal vor Ute stehe, die im Schatten eines Felsens pausiert, und sie erst im letzten Moment wahrnehme, erschrecke ich doch etwas. Ute hingegen grinst uns ganz entspannt an, schließlich hat sie uns kommen hören, und begrüßt uns freudig. Wir berichten ihr von unserem Minipuffottern-Erlebnis und davon, dass uns die Markierungen abhanden gekommen wären. Beruhigt nehmen wir zur Kenntnis, dass ihr, zumindest wegtechnisch, das Selbe widerfahren ist, staunen aber, etwas weniger beruhigt, welche Umwege sie stattdessen genommen hat: während wir beide schwitzend und schnaufend nach dem kürzesten Ausweg gesucht und diesen auch beschritten hatten, ist Ute mindestens die dreifache Strecke gegangen - aus purem Vergnügen. Meine Güte, wir sind schon echte Couch-Potatoes, verglichen mit dieser Frau! Innerlich seufzend nehme ich mir vor, dass sich das ändern muss - besonders im Hinblick auf unsere nächstjährige Uganda-Tour, auf der wir auch die Gorillas besuchen werden. Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich nämlich jetzt schon schweißüberströmt, keuchend und am Ende meiner Kräfte, durch den feuchten Dschungel robben, gezogen und geschoben von einem Porter, um schließlich mit letzter Anstrengung doch noch das teuer bezahlte Ziel dieser Wanderung zu erreichen. Na ja, es ist ja noch ein Jahr hin...

Blick nach links - schön!
Geradeaus: Abraumhalde...
Blick nach rechts - schön!










Nach unserem kurzen Zusammentreffen mit Ute trennen sich unsere Wege dann wieder; Ute will noch zu irgendwelchen Felsen, während wir uns lieber über den Sattel des kleinen Passes davonmachen und den Berg ganz zu umrunden gedenken. Ein für uns lohnendes Unterfangen, denn die Vegetation ist auch auf dieser Strecke üppig und abwechslungsreich, die Landschaft sehr ansprechend und die Ausblicke phantastisch - zumindest zum Teil: mitten aus der vor uns liegenden Ebene ragt nämlich eine riesige, grauschwarze Abraumhalde heraus, die den Gesamteindruck erheblich stört. Zwar hat sich schon etwas grüner Flaum in Form von mageren Grasbüscheln darauf gebildet und auch vereinzelte Büsche haben bereits Fuß gefasst, aber so richtig hübsch sieht das schotterige Ungetüm trotzdem nicht aus. Und wenn man bedenkt, wie lange der Abraum hier wahrscheinlich schon liegt, ist sicher auch in absehbarer Zeit keine nennenswerte Besserung zu erwarten. Das ist schade, aber es ist eben, wie es ist und Heinz und ich verbuchen diese optische Unbill deshalb als unvermeidliches historisches Zeugnis. Außerdem wandert es ohnehin bald wieder aus unserem Blickfeld, als wir unseren Berg weiter gen Süden hin umrunden und uns dabei immer tiefer schrauben. Es ist floratechnisch noch immer hochinteressant, doch was uns im Moment fast noch mehr begeistert, das sind die Schatten, die sich in dem tiefen Taleinschnitt wohltuend auf uns legen; heute Morgen sind wir zu einer vermeintlich kurzen Wanderung aufgebrochen, die sich mittlerweile auf sechs Stunden ausgedehnt hat, sechs Stunden in praller Sonne. Wie sehr wir uns während dieser Zeit aufgeheizt haben, spüren wir erst jetzt richtig und machen deshalb eine kurze Pause im Schatten, um uns ein wenig abzukühlen. Dann geben wir wieder Gas, denn es sind noch mindestens noch zwei Kilometer bis zum Camp - und das erneut auf einem sonnenbeschienenen Pfad. Doch das Ziel vor Augen zu haben, macht diesen schweißtreibenden Marsch nur halb so schlimm, auch wenn er botanisch fast nichts mehr zu bieten hat. Kurz vor dem Camp treffen wir dann erneut auf Ute, deren Gesicht ebenfalls heftig glüht und die sich genauso auf ein kühles Bier und einen Stuhl unter ihrem Hintern freut wie wir. Gemeinsam nehmen wir flotten Schrittes die letzten Meter in Angriff und laufen schließlich ausgepumpt, schwitzend, aber voller neuer Eindrücke auf unserer Campsite ein, wo sich Annette und Jochen, gemütlich lesend, unter dem Schattendach niedergelassen haben. „Na, ihr wart aber lange weg!“. Wahrscheinlich sieht man es uns einfach nur allzu deutlich an, doch uns scheint, als hätte Annette unsere geheimsten Gedanken und Sehnsüchte erraten, als sie im selben Atemzug aus ihrem Stuhl hüpft, in die Tiefen des Kühlschranks greift und jedem von uns ein herrlich kühles Bier kredenzt. Wah, das zischt! Während wir langsam wieder auf Normaltemperatur herunterkommen, erzählen wir von unseren Erlebnissen und Eindrücken, die durch die Bank positiv ausfallen. Unsere beiden Freunde lauschen interessiert, können jedoch nicht viel beitragen, denn sie haben heute einen absolut faulen Tag verbracht: einmal Springbok und zurück, ein kurzer Spaziergang, ansonsten nur gepflegtes Abhängen im Schatten. Jedem das seine, sag ich da nur...

Der Skorpion ...
... erbeutet ...
... eine Gottesanbeterin ...










Und uns das unsere! Voller Vorfreude greifen wir Wanderer, die Bierpause beendend, schließlich nach unseren Handtüchern und Duschgels und hieven unsere beanspruchten Körper unter die wohlverdiente Dusche. Heute ist dabei die Heißwasser-Reihenschaltung verständlicherweise nicht von Belang, denn keiner von uns nutzt den Dienst des Boilers – so wohltuend kühl, wie das Wasser aus der Leitung kommt, ist es genau richtig, um das Salz des Tages von unseren Körpern zu spülen und uns für den Abend fit zu machen. Erfrischt und entkrustet finden wir uns so ein wenig später wieder zusammen, um das nächste Befriedigungsprojekt anzugehen: Hunger stillen, Abendessen. Gar trefflich gelingt uns die Erledigung dieser Aufgabe, doch bevor nun endlich die ersehnte Abendruhe einkehren kann, muss noch das gebrauchte Geschirr gereinigt werden. Und wieder befinde ich mich am Trockentuch, als sich ein Dejà vue ereignet: saubere Teller in die Geschirrkiste schlichtend, nehme ich mal wieder eine rasche Bewegung im Sand neben meinen Füßen wahr. Skorpionalarm, UV-Lampe holen, draufleuchten! Und wieder erglüht das nächtliche Spinnentier in schönstem Neongrün, wie auch schon im Richtersveld. Doch einen Unterschied gibt es: der hiesige Skorpion lässt sich nicht im Geringsten stören, setzt seine Jagd ungerührt fort, greift sich zielgerichtet eine große Gottesanbeterin und beginnt dann, das sich heftig wehrende Insekt nach allen Regeln der arachnoiden Tötungskunst über den Jordan zu befördern, um es danach in aller Ruhe zu verspeisen. Und wir sind live dabei! Es ist ungemein aufregend zu beobachten, wie der Skorpion wiederholt und sehr vehement auf die große, aber dennoch zerbrechlich wirkende Mantis einsticht, immer wieder, wie deren Widerstand erlahmt, sie schließlich erstarrt und der Jäger daraufhin sein Mahl beginnt - am Fuße unserer Geschirrkiste. Während nun das fluoreszierende Spinnentier seinen Hunger stillt, leuchte ich kurz mal im näheren Umkreis unseres Camps herum - und bin fasziniert: wo auch immer der Strahl meiner Lampe aufftrifft, neont etwas auf! Wir sind umzingelt von Skorpionen, Dutzenden, Hunderten! Ungläubig starren wir in die heftig fluoreszierende Dunkelheit - und entschließen uns, besser auf geschlossenes Schuhwerk umzusteigen. Eine gute Idee! Das zeigt sich spätestens als ich, bewehrt mit meinen Wanderstiefeln, wieder im Sand der Campsite stehe und erneut rumfunzle. Dabei entdecke ich weitere, noch viel schnellere, dafür aber gedämpfter leuchtende Viecher. Ich kann ihnen kaum folgen, eines dieser Wuselteile jedoch kann ich trotzdem lange genug in Augenschein nehmen, um es zu identifizieren - eine Solifuge!

Während er schon diniert ...
... ist die Verwandtschaft ...
... noch auf Jagd.










Eine? Ach was, Hunderte! Die dämmerungs- und nachtaktiven Walzenspinnen mit den gewaltigen Chelizeren sind mindestens ebenso zahlreich vertreten wie ihre arachnoiden Vettern, die Skorpione. Mhm, unter diesen Umständen empfiehlt sich wohl keine Nachtwanderung mehr und auch der Gang zur Toilette ist mit Vorsicht anzutreten. Aber genau da muss ich jetzt hin... Achtsamen Schrittes storche ich also zwischen den Solifugen hindurch, schlängle mich an der Mauer des Waschhäuschens entlang und erreiche schließlich unversehrten Fußes dessen Eingangstür, die ich gerade beherzt aufdrücken will, als gar liebliche Klänge an mein Ohr dringen: aus der weiten, sandigen Ebene östlich des Ablution Blocks erschallt ein sagenhaftes Bellgecko-Konzert. Tausende der kleinen, unterirdisch lebenden Echsen senden ihre bellend-kichernden Laute in die klare Nachtluft und lassen mich die Solifugen fast augenblicklich vergessen. Mann, ist das schön! Der „Gesang“ der heimlichen Reptilien ist eines der Geräusche, die für mich ebenso untrennbar mit Afrika verbunden sind wie der Schrei des Seeadlers, das Schnorcheln der Hippos, das Gebrüll der Löwen und der typische Drink-Lager-Ruf der Kapturteltaube, die einen, unabhängig von der lichten Tageszeit, geduldig zum exzessiven Biertrinken auffordert. Und es ist wieder so ein Heimkomm-Moment, der mich soeben warm umfängt und den ich natürlich umgehend mit meinen Freunden teilen muss. Mit zusammengekniffen Beinen, es ist halt schon sehr dringend, hüpfe ich nochmal um die Ecke und rufe sie herbei, bevor ich dann doch eilig die Bedürfnisanstalt aufsuche. Aaaah, eine Wohltat! Hurtig ziehe ich die Hose hoch und sause wieder nach draußen, um nur ja nichts vom Konzert zu versäumen - auch meine Freunde stehen nun schon da und lauschen verzückt. Es ist so laut und deutlich; warum nur hört man auf der Campsite nichts davon? Am liebsten würden wir unser Equipment nun vor die Klotür schaffen, um beim heimeligen Gezirpe der Bellgeckos unseren Abend zu beschließen. Doch wir sind viel zu faul und - offengestanden - auch schon zu müde, um noch ein derartiges Projekt in Angriff zu nehmen. Also genießen wir das Konzert eben ein Weilchen im Stehen, bevor wir dann, mit Schlafmännchensand in den Augen und von wohligen Gefühlen behaftet, zu unserer Campsite zurückkehren. Rechtschaffen erschöpft sinken wir dort in unsere Schlafsäcke, immer noch das kichernde Heheeheehe der kleinen Echsen im Ohr, und schlafen mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen einem neuen Tag entgegen...


Weitere Impressionen des Tages:
Landschaftsimpressionen ...

























Junger Köcherbaum
Ein mächtiger Köcherbaum
wurzelt auf Fels
Aloe variegata










Crassula cotyledonis
Crassula namaquensis
ssp. namaquensis
Crassula muscosa










Cotyledon orbiculata
Monsonia spinosa
Monsonia spinosa










Crassula cotyledonis
Cheiridopsis denticulata
Cheiridopsis denticulata










Polymita albiflora
Galle einer Mittagsblume
Aizoaceae










Arctotis fastuosa
Pelargonium praemorsum
Albuca longipes










Didelta carnosa












Cheiridopsis
denticulata
Blüte
Aloe variegata
Pelargonium
triste
Asteraceae

14. Oktober 2014; Goegap NR, Hester Malan Wildblumengarten > Augrabies Falls NP

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Schon ist er da, der neue Tag! Und es soll ein gemächlicher werden, denn wir befinden uns bereits ziemlich am Ende unseres diesjährigen Urlaubs und haben, dem Himmel sei Dank, nur noch einen Umzug vor uns. Diesen werden wir heute bewerkstelligen, unsere Siebensachen nebst uns selbst zu den Augrabies Falls verfrachten und dort unseren Südafrika-Ausflug mit süßem Nichtstun ausklingen lassen. In diesem Bewusstsein schmeckt das Frühstück gleich nochmal so gut und auch das anschließende Geräume und Gepacke geht wie geschmiert von der Hand. Nach einem letzten, nicht ganz wehmutsfreien Blick auf die malerischen Felsen hinter der Campsite verlassen wir Selbige und beginnen unsere Fahrt. Natürlich ist hierbei der Hester Malan Wildblumengarten die erste Station, die wir anlaufen. Es wäre schließlich eine sträfliche Lässlichkeit, diesen nicht zu besuchen, wenn man schon mal im Goegab NR gelandet ist. Und wir bereuen den kleinen Umweg Richtung Norden nicht! Der Garten ist wirklich mit aller Liebe und Sachkenntnis angelegt, reich bestückt und sehr gepflegt. Hochbeete mit rustikaler Natursteinfassung bringen dem geneigten Besucher die floralen Schätze der Gegend in geballter Form nahe, neben jeder Pflanze steckt ein vorbildliches Schildchen und selbst, wenn man eilig zwischen den Beeten durchzickzackt, erhält man einen sehr schönen Überblick. Ich persönlich bevorzuge es ja, stundenlang durch die Gegend zu robben und dabei, mit klopfendem Herzen, das ein oder andere Sukkulenten-Exemplar höchstselbst zu entdecken, weshalb der Garten nun keine exzessiven Freudenstürme in mir entfesselt. Aber trotzdem genieße ich den Rundgang mit allen Sinnen, denn es gibt auch Pflanzen zu sehen, die ich in freier Wildbahn noch nicht entdecken konnte, und Pflanzen, über deren exakte Identität ich mir nicht sicher war, hier und heute aber die Bestätigung meiner Vermutungen erhalte.

Eingangsbereich des Gartens
Rückenfreundliche Hochbeete
Vorgarten









Am meisten jedoch freut mich die schiere Existenz dieser Gartenanlage: wie viele Menschen machen sich die Mühe, schweißüberströmt durchs Gelände zu krauchen, wie viele davon nehmen wiederum wahr, was hier alles wächst? Viel zu wenige! Deshalb ist eine Anlage wie der Hester Malan Garten so wichtig. Er ist im ganzen Lande beliebt und bekannt und wird zudem von vielen auswärtigen Touristen besucht; auf sehr ansprechende Art und Weise werden die pflanzlichen Bodenschätze auf Augenhöhe präsentiert, bar jeglicher Mühsal und Anstrengung seitens der Besucher, und weiten so vielleicht den Blick manches Betrachters für die oft recht unscheinbaren Sukkulenten. Und wenn es von hundert Besuchern auch nur einer ist, der zukünftig genauer hinsieht, wenn er sich durchs Gelände bewegt, wenn nur jeder hundertste Südafrikaner begreift, welche botanischen Kleinodien sein Land beherbergt und darob einen bewahrenden Stolz entwickelt, so hat diese Gartenanlage einen unschätzbaren Dienst geleistet! Einen derartigen Effekt erhoffe ich mir zumindest von ganzem Herzen, denn leider entfernt sich die Menschheit immer weiter von der Natur, es zählt nur noch das offensichtlich Spektakuläre, das Actiongeladene, die kurzfristige Unterhaltung - die Halbwertszeit für Konzentration auf Dinge außerhalb der digitalen Welt ist rapide gefallen. Als ich durch den Garten schreite, fühle ich mich ob dieser Tatsache beinahe wie ein Dinosaurier, obwohl beziehungsweise weil, auch mir das Ganze hier ein bisschen zu wenig spannend ist - meine rudimentären Jäger- und Sammlertriebe finden einfach keine Befriedigung. Quasi als wäre ich auf einer beschrifteten Wildpilzplantage unterwegs und könnte pflücken, was das Herz begehrt. Ein Herz, das aber nur begehrt, wenn es das Gemüse im Schweiße des dazugehörigen Angesichts selbst entdecken und erlegen kann...

Cheiridopsis pillansii
Pleiospilos bolusii
Dactylopsis digitata










Cheiridopsis namaquensis
Faucaria brittaniae
Anacampseros filamentosa
ssp. namaquensis










Euphorbia sp.
Euphorbia filiflora
Crassula corallina










Na ja, so bin ich halt - ein durchaus digitalaffiner Dinosaurier, dessen konzentrative Halbwertszeiten, was die grüne Welt um mich herum betrifft, nahezu unvorstellbar hoch sind und einer, der sich der Natur zutiefst verbunden fühlt. So sehr, dass ich ob dieser Tatsache schon fast berüchtigt bin. Eine nett-bedenkliche Anekdote fällt mir zu diesem Thema ein, eine Geschichte, die sich erst kürzlich ereignet hat: ich arbeite in einer kleinen Firma, die ohne digitale Daten nicht existieren würde; Druckvorstufe, digitale Workflows, Bildbearbeitung, Internet, Layoutprogramme, FTP-Server, Online-Kommunikation mit den Kunden - mein täglich Brot. Vor zwei Wochen verirrte sich nun ein Tagpfauenauge in unsere Räumlichkeiten und flatterte hektisch an einer geschlossenen Fensterscheibe entlang. Ein Kollege, der stattlichste, den die Firma zu bieten hat, wandte sich daraufhin hilfesuchend an mich. „Du bist doch die mit der Botanik. Kannst du den mal wegmachen? Schnell!“ Etwas seltsam aus dem Munde eines 135-Kilo-Manns mit zirka 185-Zentimetern Körpergröße, der gleichzeitig mit furchtgeweiteten Augen vor dem hübschen Schmetterling zurückweicht. „Botanik? Das hier ist Fauna, nix Flora! Bin ich also ned zuständig, Mausi!“ „Egal! Mach das weg! Bitte! BITTE! SCHNELL!!!“ Grinsend fing ich also den armen Schmetterling mit meiner nackten(!) Hand ein und beförderte ihn todesmutig ins Freie, während mich der ansonsten recht großmäulige Kollege schweigend und mit vor dem Gesicht verschränkten Armen argwöhnisch beobachtete. „Pfuuuuh!“, stöhnte er, als ich das gefährliche Insekt endlich entfernt hatte. „Du hast es ned so mit Natur, oder?“, fragte ich süffisant. „Doch, schon, aber sowas pack ich einfach ned!“ Alles klar! Hauptsache er ist auf einem schwindelerregend hohen Level bei World of Warkraft und jagt erfolgreich Pokemons...

Ihlenfeldtia vanzylii
Schlechteranthus hallii
Larryleachia cactiformis










Aloe melanacantha
Faucaria brittaniae
Conophythum flavum










Ihlenfeldtia vanzylii
Pachypodium namaquanum
Sarcocaulon patersonii










Ceraria pygmaea
Aloe dichotoma
Aloe dichotoma










So jemanden würde natürlich auch der Hester Malan Garden nicht zur Besinnung bringen; mit all der Fauna, äh, Botanik, die da ist. Aber derartige Menschen - Kategorie „Hopfen und Malz verloren“ - zählen von Haus aus nicht zur Zielgruppe. Und da mir solche Leute ohnehin nur die Laune verderben, will ich gar nicht weiter drüber nachdenken - erst recht nicht im Urlaub. Punkt. Ich verbanne deshalb die unliebsamen Gedanken an Arbeit und Kollegen und genieße stattdessen weiter die Gartenanlage, bevor wir uns auf Annettes Drängen hin schließlich wieder auf den Weg machen. Rund 340 Kilometer liegen nun vor uns, eine nicht gerade prickelnde Strecke, aber dennoch durchaus verkraftbar.

Ebene vor dem Garten
Abschiedskomitee
Springbok „City“










Unterwegs im (Fast-)nichts












Auf gepflegtem Teer rollen wir also stundenlang dahin, bevor wir endlich bei Alheit die N14 verlassen und Richtung Norden abbiegen. Die folgenden Kilometer führen uns durch ein üppig grünes Weinanbaugebiet, das unseren Augen nach der langen Fahrt durch trockenes Land eine hübsche Abwechslung bietet. Doch die grüne Wohltat hält nicht lange an, denn wir stehen bald schon vor dem Gate des ariden Augrabies Falls Nationalpark - und auf den bin ich richtig gespannt. Vor 22 Jahren war ich nämlich schon mal hier und hatte den Park in bester Erinnerung behalten. Und nun will ich sehen, was sich mit dieser Erinnerung noch deckt und was sich verändert hat.

Vor den Toren des NP
Gate
Angekommen!










Nachdem wir uns am Gate ordnungsgemäß angemeldet haben, rollen wir langsamen Reifens zum Headquarter, wo sich auch ein großer Shop und das Restaurant befinden. All das erkenne ich schon mal nicht wieder. Nach dem Einchecken geht es weiter auf den Campingplatz und der sieht ebenfalls völlig anders aus. Damals hatten wir unser Zelt direkt neben einem kleinen Swimmingpool errichtet, der in Sichtweite eines Mini-Shops lag, in dem wir im Stundentakt Guavensaft und kaltes Wasser kauften. Heute ist das alles viel größer, weitläufiger und wohl auf ein paar Besucher mehr ausgelegt als im Jahre 1992... Die vorhandenen Kapazitäten werden jedoch zur Zeit nicht mal ansatzweise ausgeschöpft, so stellen wir befriedigt fest, als wir uns auf dem großzügigen Campareal nach einem Stellplatz umsehen: alles frei, niemand da - wir haben die Qual der Wahl. Entsprechend lange dauert unsere Suche - an unseren letzten Urlaubstagen werden wir tatsächlich noch richtig deutsch und spießig! Unter Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile fällt schließlich eine sorgfältig durchdachte Entscheidung: nahe am Waschgebäude, jedoch nicht zu nahe, nicht weit zur nächsten Mülltonne, aber weit genug entfernt, um geruchlich nicht belästigt zu werden, ein Near-By-Wasserhahn, ein Maximum an Schatten und eine gute Sicht auf die Zufahrt, um auch die Neugier auf eventuelle Neuankömmlinge befriedigen zu können, sind die schlagenden Kriterien, die uns letztendlich von dem Platz überzeugen, an dem wir unsere finalen Urlaubstage zu verbringen gedenken. Und es ist eine gute Wahl! Heinz und ich können unser Zelt zum Beispiel nur mit häufigen Unterbrechungen aufbauen, weil sich im Gebüsch hinter uns bereits zahlreiche, neugierige Vögel postiert haben, die unser Tun aufs Eindringlichste im Auge behalten - und wir sie und ihr futterheischendes Luren. Diese Tatsache wiederum gibt Ute die Chance, ihre Behausung in sicherer Entfernung der lauernden Federträger zu errichten und auch Annette ist froh, dass sich die Gefahrenlage von Anfang an so klar abzeichnet. Schließlich steht das Lager zu aller Zufriedenheit und wir lassen uns wohlig-erschöpft in unsere im Schatten stehenden Klappstühle sinken, um uns auf die kommenden Musestunden gebührend vorzubereiten: heute gibt es nur noch irgendwann Abendessen, ansonsten ist der Tag, im positivsten Sinne des Wortes, gelaufen!

Maskenweber
Erwartungsvoller Star
Des Webers Frau










Den angenehmen Umständen und unserer entspannten Gefühlslage entsprechend, verharren wir so den Rest des Tages kleinräumig bis stationär in und um unsere Campsite herum und genießen das absolute Nichtstun. Na ja, so ganz untätig sind wir dann doch nicht, zumindest Heinz und ich: wir freunden uns mit den unzähligen Vögeln an, die uns seit unserer Niederlassung unablässig belagern, sehr zur Freude unserer Mitreisenden, die ja durchweg nicht gerade ornithophil veranlagt sind. Zumindest nicht, wenn es sich um „gewöhnliche“ Vögel handelt und diese zudem extrem zutraulich sind. Und unsere neuen Freunde erfüllen natürlich all diese Kriterien: ausnahmslos langweilige Alltagsgeier wie zum Beispiel Fahlflügelstare, Bartvögel und Weber, an Menschen gewöhnt, umschwärmen uns hier, genau wissend, dass wir ihnen nichts tun und es gleichzeitig was zu holen geben könnte - weswegen die mutigsten auch nicht davor zurückschrecken, auf unseren Stuhllehnen, dem Tisch und sogar auf meiner Hand Platz zu nehmen. Heinz und ich sind entzückt, Ute hingegen rückt lieber ein wenig abseits, Annette hat Angst um ihre frisch gewaschenen und zum Trocknen ausgelegten Therm-A-Rests, die sie schon von den messerscharfen Krallen der Fahlflügelstare wie Siebe durchlöchert sieht, und Jochen gibt sich, wie gewohnt, emotionslos. Wir Zwei jedoch sind in unserem Element und flöten und quietschen mit den redseligen Federbällchen den ganzen Nachmittag um die Wette, locken mit schrumpeligen Äpfeln noch mehr davon an und freuen uns tierisch über jeden Neuankömmling. Und unsere Begeisterung ist wohl so offensichtlich, dass man unser Tun mehr oder weniger entspannt toleriert. Nichtdestotrotz macht sich dennoch unverkennbare Erleichterung breit, als Heinz und ich endlich ein Päuschen einlegen, indem wir zum Sonnenuntergang einen Rundgang auf der Campsite starten.

Putzige Bewohner ....
... der geruchreichen ...
... Dassie-Kolonie










Ziellos stromern wir zunächst umher, haben jedoch bald etwas Neues entdeckt, das uns fast ebenso entzückt wie die Vögel: eine riesige Dassie-Kolonie an der felsigen Abbruchkante zum Oranje. Hunderte der putzigen Klippdachse räkeln sich hier in den flachen Strahlen der Abendsonne. Manche verharren dabei fast regungslos, andere wiederum recken und strecken sich wohlig, der Nachwuchs tollt ausgelassen und nur einige wenige reagieren furchtsam auf unsere Anwesenheit. Doch bald haben sich auch diese Schliefer an uns gewöhnt und wir uns an sie - die zahlreichen Hinterlassenschaften der Dassies verströmen nämlich einen mehr als strengen Duft...

Ein Sonnenuntergang ...
... bahnt sich an.
Glühender Himmel










Eingehüllt von einer Wolke feinsten Ammoniak-Parfums, verbringen Heinz und ich nun eine extrem entspannende Stunde, die von einem wunderschönen Sonnenuntergang gekrönt wird, und begeben uns dann maximal relaxed zu unseren Freunden zurück, die immer noch wie festgetackert in ihren Klappstühlen sitzen. Doch auch sie haben die vergangene Stunde genossen, denn mit unserem Abgang hatte sich die Schar lästiger Vögel merklich ausgedünnt - und jetzt, da sich die Dunkelheit über uns senkt, gehen die zwitschernden Zweibeiner ohnehin schlafen. So können wir nun völlig vogelfrei in einen gemütlichen Abend starten, an dem wir üppig aufkochen, genussvoll speisen und trinken, über unser morgiges Taggesprogramm sprechen, schweigen und plaudern, schwelgen und dabei langsam auf einen sehr angenehmen Urlaubs-End-Modus runterkommen - wir können deutlich spüren, dass wir uns im Laufe der letzten drei Wochen wirklich gut erholt haben.

Ein Umstand, der viele meiner Freunde immer wieder erstaunt, denn sie können sich einen derartigen Urlaub absolut nicht als erholsam vorstellen. Mal abgesehen vom Zelten, der mangelhaften Erfüllung der bei uns üblichen Sanitär- und Hygienebedürfnisse, der angeblichen Dauerbedrohung durch gefährliche Raubtiere und noch viel gefährlichere Insekten und Reptilien - die mir (fast) gar nichts ausmachen - kommt ein Argument immer, so sicher wie das Amen in der Kirche: man kann doch nicht regenerieren, wenn man täglich unterwegs ist, von A nach B muss, auf- und abbaut, fährt. Doch, kann man, sage ich! Auf den ersten Blick gesehen, muss ich allerdings meinen Freunden recht geben. Ja, es ist stressig. Aber nicht, weil man nicht zur Ruhe kommt, sondern weil man, sprich ich, immer Angst habe, etwas zu verpassen. So verbringe ich meine Urlaubswochen also mit dieser eigentlich unangenehmen Triebkraft im Nacken, flitze von einem Ort zum anderen, genieße meine Aufenthalte, bin aber gleichzeitig schon gespannt auf das nächste Ziel. Irgendwie anstrengend, doch könnte und wollte ich es mir nicht anders vorstellen. Drei Wochen am Strand, wo auch immer, ein paar gebuchte Ausflüge, um das besuchte Land „kennenzulernen“? Wah, nee danke, gähn! Nein, so, wie wir das machen, ist es für uns, für mich das Richtige. Und heuer haben wir dabei auch noch die Gesamtdramaturgie nahezu rekordverdächtig perfekt berücksichtigt: eine spannende Tour von einem Highlight zu nächsten, wohl durchwirkt von größeren und kleineren Fahrabschnitten und Wandertagen - und zum Ende des Urlaubs die Ankunft an einem Ort, der einem einiges zu bieten hat, jedoch nicht so speziell ist, dass man das Gefühl hat, etwas zu verpassen, wenn man mal nicht die größte aller Rundfahrten in Angriff nimmt. Gut, besser, Augrabies Falls, sag ich da nur!

15. Oktober 2014; kleine Rundfahrt im Augrabies Falls NP

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Als ich heute Morgen aufwache, bestehen diese positiven Gefühle in unveränderter Stärke, allein meine Tatkraft und Entdeckungslust sind wiedergekehrt - und nicht nur die meine. Nach einem opulenten Frühstück, das wir erneut freigiebig mit zahlreichen Vögeln teilen, drängt es uns deshalb zur unverzüglichen Umsetzung unserer gestern gefassten Pläne: wir wollen ein bisschen was vom Nationalpark sehen. Wir, das sind in diesem Falle Ute, Heinz und ich. Annette und Jochen hingegen hatten wohl eher auf einen weiteren faulen Tag spekuliert und kommen entsprechend zäh in die Gänge. Doch wir sind unerbittlich; eine mittlere Runde fahren, dabei ein paar Sehenswürdigkeiten abklappern und die markantesten Naturschönheiten kennenlernen und genießen, das muss schon drin sein! Na gut, seufzen unsere Freunde; und so machen wir uns am frühen Vormittag endlich doch auf den Weg zu einer kleinen Entdeckungstour. Auf westlicher Route verlassen wir das Camp, fontänen durch einen schmalen Schilfgürtel voller Bächlein und nehmen dann, in absoluter Trockenheit, Kurs auf den gut vier Kilometer entfernten Moon Rock, der eine hervorragende Aussicht auf die umliegenden Gestade verspricht. Wenig später klettern wir aus den Autos und jetzt, beim Anblick dieses riesigen Inselbergs, der wie ein gestrandeter Wal aus der ansonsten recht flachen Landschaft ragt, setzt meine Erinnerung an damals wieder ein.

Moon Rock
Blick vom Moon Rock
Klippschliefer









Hier war ich schon mal! Walbuckel, klingende Felsen, Dassies... Während meine Freunde nun den langgezogenen Felsbuckel zielstrebig nach oben stapfen, um die versprochene Aussicht zu degouttieren, lasse ich mir Zeit, meine Erinnerungen erneut erstehen zu lassen. Und ja, es funktioniert! Bei jedem fest aufgesetzten Schritt erschallen die zwiebelschalenartig aufgebauten Felsen wie eine weit tönende Trommel, die mit ihrem hallenden Vibrieren meine empfindungstechnischen Grundfesten schon damals aufs Erfreulichste erschüttert hatten, Gänsehaut inklusive. Herrlich! Meterweise stapfe und trommle ich mich so weiter nach oben, bis ich schließlich die ersten Klippschiefer entdecke. In schmalen Rissen, unter sich schälenden Granitschichten haben die murmeltierartigen Tiere Quartier bezogen - und sind Publikumsverkehr gewohnt: als ich angetrampelt und -getrommelt komme, ziehen sie sich sicherheitshalber zurück, spähen aber schnell wieder neugierig aus ihren Ritzen und wuseln alsbald völlig entspannt um mich herum. Ich lasse mich daraufhin bäuchlings auf den sonnenwarmen Felsen nieder, um so den Pelzknäueln noch näher zu kommen. Das sorgt für kurze Verwirrung bei den Schliefern - so flach sehen sie Menschen wohl nicht oft vor ihren Wohnungen rumlungern. In Windeseile jedoch legt sich die Phase der Irritation und die Neugier gewinnt erneut die Oberhand, die sich, so Aug in Aug, noch viel trefflicher befriedigen lässt. Die Klippdachse, vor allen Dingen die jungen, nähern sich mir auf kürzeste Distanz, so nahe, dass ich immer wieder ihren Atem im Gesicht oder auf den Armen spüren kann. Es ist ein unfassbar schönes Gefühl, den kleinen Tieren mit dem lustigen Gesichtsausdruck so hautnah sein zu dürfen, in ihre Knopfaugen blicken zu können und ihre Gedanken dabei förmlich zu erahnen. Eine Art der Zweisamkeit, die sehr intim, aber dennoch von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Keines der Tierchen berührt mich und auch ich widerstehe dem Reiz, Körperkontakt herzustellen (was absolut unklug wäre). So begucken und erfühlen wir uns also, ohne einander körperlich anzutasten, doch es ist trotzdem eine Nähe, die mich zutiefst erfreut. Und auch die Klippschliefer scheinen die ungewohnte Situation zu genießen; wann hat man schon eine derart umfassende Gelegenheit, eines dieser täglich an einem vorbeiwandernden Wesen in solcher Ausgiebigkeit zu beschnuppern. Tja, genau so lange, bis des Wesens begleitende Mit-Menschen vom höchsten Punkt des erstiegenen Walbuckels mit einem Höllengetöse wiederkehren und dabei auch noch bedrohlich lange Schatten in der Vormittagssonne werfen. Schwupp, weg sind sie, die neugierigen Schliefer! Doch halb so schlimm, schließlich hatten wir ja unsere ganz besonderen, gemeinsamen Momente, die Klippdachse und ich, und die kann uns keiner mehr nehmen. Mit einem seligen Grinsen im Gesicht hieve ich mich wieder in die Senkrechte und folge meinen Freunden runter zum Parkplatz, wo wir erneut in die Autos steigen, um das nächste Ziel anzusteuern: den Echo Corner.

Swartrante
Swartrante
Wegelagerer









Die elf Kilometer lange Strecke dorthin führt uns über den sogenannten „Swartrante“, eine lange Kette von Hügeln, deren schwarzes Erstarrungsgestein eine natürliche Grenze zwischen der kargen Oranjeschlucht und dem dahinterliegenden, um einiges fruchtbareren Land bildet. Leider ist das Licht um diese Tageszeit so gleißend, dass der sicher reizvolle Kontrast zwischen den dusteren Felsen und der erkennbar üppigeren Vegetation im Hintergrund nur ungenügend zur Geltung kommt - man kann ihn allenfalls erahnen. Doch der Weg zurück wird uns abermals über Swartrante führen und vielleicht steht da die Sonne schon etwas günstiger; wir lassen es einfach auf uns zukommen... Ohne also den vollen Reiz der Magmahügel zu erfahren, überqueren wir diese und halten auf den Echo Corner zu, der oberhalb einer Schleife des Oranje liegt, wo man, wie der Name schon sagt, ein lang anhaltendes Echo erzeugen können soll. Doch was interessiert uns das versprochene Echo - bei DER Landschaft? Schon als wir wieder hügelabwärts kurven, bezaubern uns steile Felsen, die uns zunehmend von beiden Seiten bedrängen, dann aber, auf den letzten Metern vor Echo Corner, öffnet sich der enge Weg wieder und geleitet uns, von rotblühenden Bäumen gesäumt, hinab in ein Tal, das eine ganz eigene Faszination verbreitet.

Echo Corner
Echo Corner
Schotia africana









Rund um uns ragen schroffe, sandfarbene Bergwände nach oben, zu unseren Füßen glitzert das Wasser des Oranje in kontrastierenden Türkis- und Grüntönen - die tümpelartigen Becken geben sich allerdings nicht als Teil eines mächtigen, fließenden Flusses zu erkennen, sondern strahlen eher die Ruhe tiefer, stiller Tümpel aus - und dieses an sich schon reizvolle Szenario wird zusätzlich durch die üppige Blütenpracht der zahlreich gedeihenden Schotien-Bäume akzentuiert. So schön - und auch dieser Ort verbreitet eine geradezu einlullende Stille, wie sie uns die letzten Wochen schon mehrmals begegnet war. Diese friedvolle Ruhe wird durch nichts gestört: jeder von uns erkundet und genießt die Umgebung auf seine eigene ehrfurchtsvolle Weise, keiner versucht sich an einer Echo-Erzeugung - es käme uns wie Frevel vor. Trotzdem ist die Stille nicht absolut, denn es gibt etwas zu hören, etwas, was sogar ziemlich laut ist - es ist das Summen der Insekten, die sich in schier unglaublicher Anzahl am Nektar der Schotien laben. Aber die dürfen gerne Lärm machen! Von uns hingegen ist wenig zu hören, bald nicht mal mehr Schritte, denn der Erkundungsradius ist aufgrund der steilen Felsen recht eingeschränkt. Allerdings laden die Steine am Rande des Aussichtspunktes zum bequemen Sitzen ein und so erfreuen wir uns irgendwann alle an der Magie des Ortes, indem wir in Denker-Manier auf den natürlichen Stühlen rumlümmeln, den Insekten beim Nektartrinken zusehen und unsere Blicke in den Wassern des Oranje versenken. Herrlich entspannend! Doch nichts währt ewiglich und so verlassen wir nach einer kontemplativen Stunde den Echo Corner, um unserer immer noch vorhandenen Unrast nachzugeben; schließlich soll der Park noch andere, schöne Ecken bereithalten und die wollen wir natürlich besuchen.

Die ersten, bereits bekannten Kilometer führen uns aus dem Tal des Echo Corner heraus, dann befahren wir wieder Neuland, indem wir Richtung Westen abbiegen und dem Weg durch relativ flaches Gelände folgen. Die Landschaft ist hübsch anzusehen, jedoch nicht allzu kontrastvoll, was wohl an der relativ eintönigen Farbe der Felsen und den fehlenden bergigen Erhebungen liegt. Da kommt uns doch ein Wasserloch, das nach längerer Fahrerei ausgeschildert ist, sehr gelegen. Kurz entschlossen kurven wir ein kleines Stückchen nordwärts und stoßen alsbald auf die angekündigte Tränke. Klares Nass plätschert dort verheißungsvoll in eine seichte Betonkuhle, aber trotz des äußerst trockenen Umlandes gibt es auch hier wenig zu sehen. Ein paar kleine Vögelchen, die von der grau-braunen Sorte, können wir beim Trinken beobachten, ansonsten jedoch ist tote Hose, weswegen wir bald auf die Hauptpad zurückkehren und dieser weiter Richtung Westen folgen. Mhm, hier ein einsamer Köcherbaum, dort ein verlassenes Siedelwebernest, ansonsten, soweit die Augen reichen, nichts. Nein, das sieht nicht wirklich vielversprechend aus. Nach ein paar weiteren Kilometern dann stoßen wir plötzlich auf einen Zaun und eine Unterführung, die unter dem Drahthindernis durchführt und sind irritiert. Auch ein Blick auf die Karte gibt keinen letztendlichen Aufschluss über diesen seltsamen Sachverhalt, nur, dass wir uns an einer nicht definierten Grenze innerhalb des Parks befinden und der kürzeste Loop von hier aus satte 27 Kilometer lang ist. Das wollen wir uns nicht antun. Also kehren wir um und steuern stattdessen lieber wieder hinunter zum Oranje, dessen Schlucht landschaftlich um einiges mehr zu bieten hat. Dabei überqueren wir natürlich erneut Swartrante, aber auch hier haben sich die Lichtverhältnisse nur unmaßgeblich verbessert, was uns in unserer Entscheidung umzukehren bestätigt.

Blick auf den Oranje
Blick auf den Oranje
Aussichtsplattform









Und dann, endlich, erreichen wir Oranjekom, einen ausgewiesenen Aussichtspunkt oberhalb des Oranje, von wo aus man eine herrliche Sicht auf die tiefe Schlucht des Flusses und dessen oberflächlich ruhige Wasser hat - daran kann ich mich noch sehr gut von meinem lange zurückliegenden Besuch erinnern. Und natürlich, der Blick hat sich nicht verändert, dafür aber das Drumherum: wir stolperten und kletterten damals auf sehr ausgesetzten Felsen herum, um einen Blick auf die Oranjeschlucht erhaschen zu können. Heute hingegen gibt es hier eine fest gezimmerte Holzplattform mit allem Pipapo, inklusive Toilettenhäuschen, diverser Erklärungstäfelchen und einer Reling, auf der man beinahe Walzer tanzen könnte. Tja, was soll ich jetzt dazu sagen? Sicherlich war das Erlebnis Oranjeschlucht vor 22 Jahren aufgrund der noch nicht vorhandenen Convenience-Einrichtungen irgendwie hautnäher und auch abenteuerlicher, doch der hier präsentierte Besichtigungs-Komfort hat natürlich auch seine Vorteile: man kann jetzt, ohne sein Leben in Gefahr zu bringen, den eindrucksvollen Canyon des Oranje aus allen verfügbaren Blickwinkeln begutachten, sich völlig risikolos über die Reling hängen und alles total entspannt auf sich wirken lassen. Das hat schon was. Andererseits stört die Existenz des touristischen Bauwerks, das etwas leicht Gefängnisartiges an sich hat, mein Oranje-Erlebnis doch so empfindlich, dass ich mir alle Mühe geben muss, es auszublenden. Doch dann, als mir das erfolgreich gelungen ist, kann auch ich die Aussicht in vollen Zügen genießen. Meine Blicke gleiten über das vom Fluss geschaffene Tal, das die Spuren der beharrlichen Fräskraft des Oranje deutlich zur Schau trägt: auf Landniveau dominieren schroffe, raue Felsen, die nur von Wind und Wetter benagt wurden, darunter ragen glattgeschliffene, fast organisch anmutende Gesteinsstrukturen wie mächtige Wurzeln eines riesigen Urbaumes, wie wohlgerundete Finger in die Tiefen des Oranje hinab. Dieser gebärdet sich zu dieser Jahreszeit wie ein besonders sanftes Lamm - das träge dahinfließende Wasser betört vor allen Dingen mit seiner intensiven, changierenden Grün-Blau-Türkisfärbung; nur ein paar kleinere Stromschnellen lassen die unbändige Kraft des Flusses erahnen.

Detailstudie Oranjeschlucht
Blick auf den Oranje
Detailstudie Oranjeschlucht









Meine Blicke gleiten über all das und meine Gedanken lösen sich plötzlich wieder vom Jetzt und Hier, folgen dem mäandernden Lauf des Oranje, fangen sich an riesigen Felsen inmitten des Flusslaufs und schmiegen sich an den alles überspannenden, blauen Himmel. Unbezahlbare Momente, die allerdings von kurzer Dauer sind, denn sie erfordern äußerste Ruhe - und die ist nicht immer gegeben, wenn man zu Fünft unterwegs ist. Irgendwer ist immer am Rumsausen und stört die Ruhe, wenn niemand saust, dann plaudert stattdessen jemand anderes wie ein Wasserfall und irgendwann kommt allgemeine Unruhe auf - man bläst zur Weiterfahrt. Bedauernd klappe ich meine tranceartige Gedankenflut in den Hinterkopf zurück, ergebe mich jedoch willfährig: wir verlassen Oranjekom, um, tja, um dem nächsten Ziel zuzustreben. Wenn es hierbei nach Jochen ginge, wäre dies das Camp, doch diesem heimlichen, weil nicht geäußerten Wunsch wollen wir anderen nicht nachkommen, zumindest nicht sofort. Denn wenn wir schon hier sind, möchten wir gerne auch noch nach Ararat, einem weiteren Aussichtspunkt am Oranje-Ufer, der ohnehin auf dem Weg liegt. Seufzend wird unserem Begehren stattgegeben und so erreichen wir eine Viertelstunde später diese letzte Sehenswürdigkeit auf unserem heutigen Ausflug. Und auch hier wurde oberhalb des Flusses ein touristisches Bollwerk oberster Güte errichtet; der Blick auf den Oranje ist verständlicherweise ebenso imposant wie vom Oranjekom, der ja auch nur ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt ist. Für den flüchtigen Betrachter mag sich die Sicht vom zweiten View Point aus deshalb auch kaum von der ersten unterscheiden, doch dem ist nicht so: bei Ararat sind die Felsen noch organischer geschliffen, die Wasseroberfläche, abgesehen von partiellen Verwirbelungen, ist nahezu spiegelglatt und man kann den Oranje förmlich durchatmen hören. Durchatmen, nachdem er sich einen Kilometer weiter östlich aus mehreren Armen, die sich vorher todesmutig in unzählige, enge Kanäle gezwängt und über eine 56 Meter hohe Gesteinsschwelle kaskadierend in die Tiefe gestürzt hatten, wieder zu einem einzigen vereint hat. Bei diesem Anblick mache ich gerade einen erneuten Versuch, meine Gedanken mit den Wassern des unter mir liegenden Flusses auf Reise zu schicken, als ich bemerke, dass nun wohl, neben Jochen, auch Annette und Ute genug haben von der Oranje-Guckerei und merklich mit den Hufen scharren. Nun gut, fahren wir halt, bevor noch jemand vor Langeweile von der Aussichtsplattform springt! Ganz kann ich diese zappelige Unruhe zwar nicht nachvollziehen, füge mich aber dennoch kommentarlos der Hibbeligkeit der Mehrheit - es ist ja nicht so, dass es im Camp nichts zu sehen gäbe!

Innerlich kopfschüttelnd klettere ich ins Auto und schmiede auf dem kurzen Rückweg zum so heiß ersehnten Camp Pläne für den verbleibenden Nachmittag, die, würde ein rechter Schelm sie beurteilen, teilweise durchaus als kleine Retourkutsche für den hastigen Aufbruch vom Ararat gewertet werden könnten: erst mal Kaffeewasser aufsetzen, dann den Tisch decken und danach gemütlich lunchen. Klingt harmlos? Klingt so, ist es aber nicht, denn mit solchen Aktionen, wenn sie nur offensichtlich genug, laut plätschernd und vernehmlich mit Brottüten raschelnd, ausgeführt werden, lockt man mit hundertprozentiger Sicherheit alle Vögel im Umkreis von einem Kilometer an... Mit satanischem Grinsen setze ich so wenig später meine perfiden Pläne in die Tat um und bin dabei außerordentlich erfolgreich! Nicht jeden freut’s, aber immerhin beschert es Heinz und mir einen sehr unterhaltsamen Kaffeetratsch, den zumindest wir und die anwesenden Federtiere ausgiebig genießen.

Die Besucher ...
... formieren sich!
Auf dem Grillrost ...









Kaffeetrunken, sattgegessen und eins mit uns selbst, beschließen Heinz und ich am späten Nachmittag dann doch, unsere Reisegenossen von ihrem ornithologischen Leid zu erlösen und machen uns auf den Weg zum Besucherzentrum, wo wir erst die Wasserfälle und anschließend den Shop besuchen wollen. Also, ab zu den Wasserfällen, besser gesagt zu DEM Wasserfall, dem einzigen, aber immerhin größten, den man von der Besucherplattform aus sehen kann. Motiviert stiefeln wir los und biegen alsbald auf den beschilderten Rundgang zum Hauptfall ab, wo mich auf den ersten, fast autobahnartigen Holzplanken erneut alte Erinnerungen einholen: den Wasserfall gab es natürlich auch damals schon, doch der breite, relinggesicherte und mit kleinen Aussichtsplattformen versehene Catwalk entlang der Schlucht des Hauptfalles ist mir absolut unbekannt. Und wieder, wie schon am Oranjekom, weiß ich nicht so recht, was ich davon halten soll: einerseits lässt sich hier bequem und gefahrlos laufen, man hat alle Möglichkeiten, den Wasserfall aus diversen Perspektiven zu begutachten, ohne dabei in den Abgrund zu stolpern und man kann sich völlig entspannt auf die Reling stützen und in das herabstürzende Wasser starren, ohne, vor lauter Versunkenheit, das Gleichgewicht zu verlieren. Andererseits ist dieser Walkway ein echtes Monstrum, das, egal aus welcher Perspektive, nicht aus dem Blickfeld weichen will und somit die natürliche Schönheit dieses Ortes gründlich stört. Ach, man kann es drehen und wenden, wie man will, es ist eben so, wie es ist und davon will ich mir das Vergnügen nicht verderben lassen. Und es ist wahrlich ein Vergnügen, einen Teil dieses mächtigen Flusses derart laut rauschend und gischtend auf seinem steilen Weg nach unten zu beobachten: das Wasser brandet in schaukelnden Wogen durch die enge Schlucht und, je nachdem, ob es gerade vor- oder zurückwogt und dabei auf das nächste Hindernis trifft, fällt das Ergebnis anders aus. Mal spritzt das Wasser beim Aufprall in einem pfauenradartigen Fächer steil nach oben, mal klatscht es sprühend an die Felsen und hin und wieder sieht es sogar aus, als würde es, beinahe zaghaft schwappend, den Rückweg nach oben antreten. Dieses Zusammenspiel von horizontaler und vertikaler Wasserbewegung, der enormen Fließgeschwindigkeit und der Statik der Hindernisse erzeugt wiederkehrende und dennoch immer neue Gischtformen, die, wenn man sich nur lange genug darin vertieft, spannend wabernde Bilder erzeugen. Daran hätten wahrscheinlich auch Chaosforscher und Statistiker ihre wahre Freude! Und auch auf den Felsen am Rande der Schlucht tut sich einiges. Neben einigen Klippschliefern, die man fast zahm nennen könnte, tummeln sich hier unzählige Oranje Flat Lizards; die grellbunten, in Orange- und Blautönen leuchtenden Männchen huschen wie farbige Blitze über das graubraune Gestein und buhlen wippend um die Gunst der wesentlich unscheinbarer gefärbten Weibchen, verteidigen gleichzeitig ihre Territorien und liefern sich, ganz nebenbei, immer wieder beeindruckende Kurzkämpfe. Ach, ist das schön! Weniger angenehm hingegen ist die Präsenz lästig surrender, flusstypischer Fliegen, die in Myriaden über das Fall-Plateau wölken und es sich mit Vorliebe in Mund- und Augenwinkeln, in Ohren und Nasenlöchern bequem machen.

In Bezug auf diese ätzenden Schwirrteile beweist der Catwalk dann allerdings völlig unvermutet seine wahren Qualitäten: nachdem wir uns wacker sattgesehen haben, beschleunigt er unsere Flucht auf ein beachtliches Tempo, das ohne die Holzplanken nicht möglich wäre und geleitet uns in Windeseile, weg vom penetranten Surrzeug, hinauf zum klimatisierten und somit völlig insektenfreien Shop. Der wiederum bietet das Sortiment, das man von einem größeren, südafrikanischen Nationalpark-Laden erwartet: kalte Getränke, gefrorenes Grillgut, Biltong in allen Geschmackssrichtungen und Variationen, hiesigen Wein, Andenkenschnickschnack, oberflächliches Kartenmaterial, noch oberflächlichere „Spezialliteratur“, Zeitschriften und - was erspähen da meine schweifenden Augen - Klamotten, unter anderem von Hooligan Kids! Strahlend vor Freude wühle ich mich durch einen Drehständer, reich behangen mit Röckchen, Hosen, T-Shirts, Jacken und Kleidern, in typischer Weise mit kindgerechten Safarimotiven bestickt, und wähle schließlich ein besonders schönes Jäckchen für mein Patenkind Alisa aus, die total auf diese Klamotten steht. Hah, da wird sich die Kleine aber freuen, so, wie ich jetzt gerade! Freudig hüpfe ich, mit meiner Beute unter dem Arm, zu Heinz und schaue, ob auch er etwas gefunden hat. „Ne, leider ned. “, schüttelt er den Kopf, „Nix G’scheids dabei...“. Schade! Schließlich aber erstehen wir doch, quasi als Trostpflaster, ein paar gekühlte Softdrinks und ein einheimisches Outdoor-Magazin und verlassen dann den Shop, um wieder dem Camp zuzustreben. Dort lümmeln unsere Freunde noch immer untätig herum und sind, bis auf Ute, kaum aus ihren Campingstühlen herausgekommen.

Bienenschwarm
Der bettelt uns nicht an ...
... der hingegen schon!










Wir lassen uns zu ihnen plumpsen und kredenzen erst mal die Kaltgetränke, die wir aus dem Shop mitgebracht haben. Mit großem Genuss lassen wir uns die kühle Zuckerplörre die Kehlen hinabrinnen und setzen gerade an, von unserem Ausflug zu erzählen, als ein stakkatoartiges Hämmern unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht: das muss ein Specht sein! Schon gestern hatten wir etwas klopfen und fiepen gehört, konnten es aber nicht genau lokalisieren. Heute jedoch können wir die Geräuschquelle ganz deutlich orten - es ist der große Baum vor dem Waschhaus. Vorsichtig nähern wir uns diesem und entdecken an dessen Stamm tatsächlich den Klopfer. Uih, das ist ein Goldschwanzspecht! So einen haben wir noch nie vorher gesehen! Fasziniert beobachten wir den bunten Vogel, der wie auf Schienen am Stamm entlangrutscht, hier und dort an der Rinde hämmert, um dann mit vollem Schnabel in einem Loch zu verschwinden. Augenblicklich ertönt aufgeregtes Fiepen - aha, der Specht hat Nachwuchs - hatten wir uns gestern doch nicht getäuscht! Glücklich über diese Entdeckung lassen wir den Elternvogel lieber wieder in Ruhe und kehren zum Tisch zurück, wo wir den Baum dennoch nicht aus den Augen lassen. Zumindest so lange nicht, bis hinter uns, auf einem breiten Grasstreifen, eine Schar von Klippschliefern auftaucht. Die Dassies ziehen, wie Kühe grasend, über die Wiese, werfen sich immer wieder in die grünen Halme, wälzen sich wonniglich, verfolgen sich gegenseitig mit kaninchenartigen Hopsern und gebärden sich äußerst ausgelassen.

Der Klippschlieferprozession, die langsam zu ihren Wohnfelsen am Oranje zieht, folgt eine kleine Manguste in aufgeregter Jagdstimmung und zu guter Letzt schlendert auch noch eine Pavianhorde angelegentlich an uns vorbei. Dergestalt blendend unterhalten, verfliegt der ohnehin schon angebrochene Nachmittag wie im Nu und ehe wir uns versehen, gehen auf dem Campinggelände die Lichter an und der vorletzte Abend unseres Urlaubs bricht an. Zeit zum Kochen! Doch zur Ruhe kommen wir auch beim Schnibbeln, Braten oder Essen nicht, denn ständig raschelt es im Gebüsch. Trotz der Beleuchtung auf dem Platz können wir leider nicht feststellen, wer da ständig um uns herum zugange ist - sicher ist nur, dass wir, trotz des Fehlens anderer Besucher, nicht alleine sind! Plötzlich erblicken wir dann doch etwas. Eine extrem scheue, kleine Katze, die wir nur schemenhaft erahnen können, umkreist uns, zeigt sich aber nicht richtig. Was ist das? Eine verwilderte Hauskatze, eine Wildkatze? Über lange Zeit sehen wir das Tier immer wieder auftauchen und gleich darauf erneut in der Dunkelheit verschwinden, ohne feststellen zu können, um was es sich genau handelt. Doch wofür haben wir eine Wildkamera dabei? In der Gewissheit, dass das Katzentier unser Lager besuchen wird, sobald wir in unseren Zelten verschwunden sind, montiert Heinz den Starenkasten an einem strategisch günstigen Baum. Nun heißt es abwarten. Und das übernimmt in diesem Falle ab sofort die Wildkamera für uns, denn wir, die wir den ganzen Tag nicht viel getan haben, sind mittlerweile so müde, dass wir bald zu Bett gehen, um wohlig erschöpft unserem letzten Urlaubstag entgegenzuschlafen. Pass gut auf, Kamera, und gute Nacht!


Weitere Impressionen des Tages:

Schotia africana
Echo Corner
Swartrante









Swartrante
Oranjeschlucht
Oranjeschlucht









Detailstudie Oranjeschlucht









Verlassenes
Siedelwebernest
Oranjeschlucht
Oranjeschlucht
Oranjeschlucht

16. Oktober 2014; Erholungs- und Packtag, Augrabies Falls NP

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Mann, nicht mal am letzten Urlaubstag kann man hier ausnahmsweise mal ein bisschen länger schlafen! Schon lange bevor die ersten Sonnenstrahlen durch die Bäume lugen, weckt uns heute Morgen das heisere Gebell und durchdringende Gekreische aufgeregt streitender Paviane. Im Prinzip könnte man ja auf Durchzug schalten und noch ein wenig weiterdösen, doch in Anwesenheit dieser frechen Affen, die gerne alles mitgehen lassen, was nicht niet- und nagelfest ist, kann selbst der Faulste nicht in Frieden pennen! Seufzend wälzen wir uns also aus den Schlafsäcken, um das marodierende Treiben der Primaten kontrollierend zu beobachten und notfalls sofort einzugreifen. Gerade noch rechtzeitig, wie sich zeigt! Als nämlich die Reißverschlüsse vernehmlich ratschen und wir unsere Köpfe aus den Zelten strecken, sehen wir zwar nur noch die sehr nahen Kehrseiten einiger Pavian-Männchen, doch die blicken sich derart angelegentlich nach uns um, dass wir genau wissen: sie hatten soeben Kurs auf unser Lager genommen... Nicht mit uns! Grimmigen Blickes verteilen wir uns, den Tisch deckend, zwischen unseren Besitztümern und beginnen schließlich, noch grimmigeren Blickes, unser Frühstück einzunehmen. Die Baboons wissen unser Gebaren wohl zu deuten und ihre Erfahrungen als unwillkommene Campräuber scheinen hinreichend von sehr viel rigoroseren Menschen als uns geprägt worden zu sein: ein paar wenige, direkte Augenkontakte und die entsprechende Körperhaltung genügen in diesem Falle, um die diebische Rasselbande in die Flucht zu schlagen. Ungewöhnlich, aber sehr angenehm!

Doch es gibt auch Lebewesen, die sich durch unser böses Geschau nicht im mindesten beeindrucken lassen - und sie sind ja auch nicht gemeint: mit dem ersten Brottüten-Rascheln versammeln sich all unsere lieben, gefiederten Freunde um uns und sehen uns, mit unwiderstehlich schräg gelegten Köpfchen, fordernd an. So unwiderstehlich, dass auch die emotionale Resistenz unserer Freunde langsam zu bröckeln beginnt... Still lächle ich ob dieser Tatsache in mich hinein und teile mein Frühstück nun bevorzugt mit den frecheren Staren, während ich die schüchternen gerne unseren ornithologischen Auftauern überlasse. Interessant dabei ist, dass ich die Vögel mittlerweile nicht mehr nur aufgrund ihres Verhaltens oder offensichtlicher körperlicher Gebrechen (fehlende Zehen, Fußstümpfe, Milbenbefall, etc.) recht gut voneinander unterscheiden kann, sondern auch durch die Beringung, die die Tierchen fast ausnahmslos tragen.

Beringung? Darüber hatte ich mich schon bei unserer Ankunft gewundert, gestern aber endlich Aufklärung auf einer der Schauwände im Besucherzentrum erhalten: hier läuft ein Forschungsprojekt mit Fahlflügelstaren, um deren Gesang im Sinne der Wissenschaft zu entschlüsseln. Im Besucherzentrum wurde das so simpel und einleuchtend beschrieben, dass ich die Erklärungen erst mal hinnahm, bei näherem Nachdenken jedoch erschienen mir die dort verzeichneten Ausführungen bald recht unlogisch und lückenhaft, sodass ich weitere Erkundigungen einholte. Also: ja, es läuft ein Gesangserforschungsprojekt, und ja, die Vögel wurden zu diesem Behufe beringt. Was auf den Schautafeln jedoch nicht zu lesen ist - weil wahrscheinlich zu weit gefasst – ist die Tatsache, dass hier zwei Forschungsprojekte ineinandergreifen beziehungsweise aufeinander aufbauen. Und gerade das finde ich besonders interessant: eine im Internet gefundene Abhandlung erklärt es mir genauer - ein wenig später. 

Vor einigen Jahren schlossen sich vier Ornithologen zusammen, um den Gesang des bis dato wenig erforschten Fahlflügelstars (Onychognathus nabouroup) auf wissenschaftlicher Basis auseinanderzupflücken. Im Jahre 2011 erhielten sie dafür das Go vom Augrabies Falls NP, wo bekanntermaßen eine größere Schar benannter Vögel wohlhabituiert ihr Unwesen treibt. Super! Doch wie will man den Gesang (im Sinne einer Kommunikation) erforschen, wenn man nicht mal männliche Fahlflügler von weiblichen unterscheiden kann?! Onychognathus nabouroup ist nämlich eine monomorphe Spezies, was bedeutet, dass beide Geschlechter rein optisch nicht auseinander zu halten sind. Folglich musste also erst ein Weg gefunden werden, dieses Problem zu lösen, was sich allerdings recht kompliziert gestaltete, da den Forschern weder allzu viel Zeit noch unerschöpfliche Geldmittel zur Verfügung standen. Dieser Zeit- und Geldmangel schloss leider die gängigsten Methoden, bei Monomorphen Geschlechter auseinanderzudividieren aus, nämlich die zeitintensive Beobachtung geschlechtsspezifischer Verhaltensunterschiede und auch die teure, aber sichere, ausschließliche DNA-Analyse. Deshalb entschieden sich die Wissenschaftler, eine adäquate Menge von Vögeln einzufangen, sie zu vermessen, nach einem bestimmten System zu beringen, um dann die Tiere wieder freizulassen und anschließend die Daten in einer Art „Trockenübung“ auszuwerten.

Unwiderstehlich!
Beringter Fahlflügelstar
Vogelversammlung









Innerhalb von zwei Jahren wurden 65 Stare dergestalt dingfest gemacht, größentechnisch examiniert und mit jeweils einem Metall- und drei bunten Kunststoffringen bestückt. Einigen wenigen Tieren wurden dabei ein paar Federn entnommen, um zumindest eine hundertprozentig sichere Untermauerung für die anschließende Datenauswertung zu erhalten, gleichzeitig untersuchten die Herrschaften aber auch noch zahlreiche Bälge der genannten Staren, die ihnen von Museen und diversen Forschungseinrichtungen zur Verfügung gestellt wurden. Schließlich konnte die Studie in der Studie erfolgreich abgeschlossen werden: die Trefferquote bei der richtigen Geschlechtsbestimmung lag bei durchschnittlich etwa 75 Prozent, was den Forschern offenbar ausreichend erschien.

Ich finde solche Zusatzinformationen ja immer hochinteressant, und zwar in zweierlei Hinsicht. Erstens macht man sich viel zu wenig Gedanken, unter welchen Umständen das Wissen, über das wir so selbstverständlich verfügen, gewonnen wurde. Man nimmt es einfach als gegeben hin, kann sich jedoch nur in den seltensten Fällen vorstellen, welch ein Aufwand dahintersteckt. Und zweitens zeigen solche Studien, zumindest in meinen Augen, auf welch tönernen Füßen die Ergebnisse oft stehen. Eine Trefferquote von 75 Prozent. Hallo?! Das mag ja ausreichen, um eine neue Erkenntnisbasis zu schaffen, nicht aber, um etwas für immer und ewig als absolute Wahrheit zu zementieren. Kein Wunder also, dass man sich als naturinteressierter und wissenschaftsaffiner Mensch immer wieder mit der Revidierung gerade gewonnener Forschungsergebnisse abfinden muss. Man nehme zum Beispiel die jahrelang proklamierte Verwandtschaft der Klippschliefer mit den Elefanten – heute weiß man, dass das nicht stimmt und die Dassies eine komplett eigene Ordnung darstellen. Doch vielleicht wird auch das in zehn Jahren erneut revidiert... Besonders auffällig und (für mich persönlich) anstrengend aber sind solche Umklassifizierungen im Reich der Pflanzen: da wird die Gattung Phyllobolus plötzlich bei Mesembryanthemum eingemeindet, aus einem lautmalerischen Sarcocaulon wird eine weichgespülte Monsonia, aus dem sukkulenten Asterngewächs Kleinia macht man ein Senecio. Da soll man nicht irre werden! Doch auch, wenn sich mein unter schweren Mühen angeeignetes Wissen ständig selbst überholt, fasziniert mich diese Materie natürlich weiterhin – trotzdem und gerade deswegen.

Man kennt keine Scheu
Beim Brosamen-Abgreifen
Kopfhaltung: perfekt!









Dennoch hat mich die intensive Beschäftigung mit derartigen Themen auch eines Besseren belehrt: von Kindesbeinen an liebäugelte ich nämlich mit dem Beruf des Forschers – ob nun Archäologe, Botaniker, Zoologe, forensischer Pathologe, egal, Hauptsache forschen, herausfinden, Puzzleteile zusammensetzen, komplettieren... Dieser Wunsch überkommt mich heute nur noch äußerst selten. Obwohl ich viel Geduld habe, muss ich aber mittlerweile konstatieren, dass das Ausmaß an Zeitintensität bei gleichzeitiger, nur theoretischer Nähe zum Forschungsobjekt sogar meine Ausdauer stark überstrapazieren würde. Konkret gesagt: da sitze ich doch viel lieber inmitten der zutraulichen Vögelchen, klassifiziere sie aus dem Bauch heraus als männlich, weiblich, schüchtern, neugierig und frech, zwietsche sie an, erhalte tirilierende Antworten und genieße so meinen letzten Urlaubstag in vollen Zügen. Besser, als jahrelang Trockenübungen zu absolvieren, oder? Und zum Genießen habe ich heute den ganzen Tag ausgiebig Gelegenheit, denn wir werden uns keinen Meter hier wegbewegen, es sei denn, um nochmal den Shop zu besuchen oder den Wasserfall oder, oder...

Zunächst jedoch, wir sind ja gerade erst aufgestanden, wird ausgiebig gefrühstückt. Zwischen zwei Tassen Kaffee fällt Heinz auf einmal seine Wildkamera wieder ein. Sofort eilt er zum Baum und montiert das gute Stück ab, um den Inhalt der Speicherkarte unter die Lupe zu nehmen. Jawoll, da sind reichlich Bilder von heute Nacht drauf! Neben den üblichen Insekten, die im Licht der LEDs faszinierend-flirrende Flugbögen in die Luft zeichnen, hat die Kamera auch, wie erwartet, eine Katze festgehalten. Aber nein, das ist nicht die Miezie, die wir gestern Abend gesehen hatten, sondern ganz eindeutig eine Hauskatze, gut erkennbar am glücks-gefleckten Fell. Ach Mensch, schade! Enttäuscht blättern wir uns durch weitere Insektenbilder, freuen uns etwas halbherzig über eine Manguste und eine kleine Streifenmaus, als doch noch weitere Katzenschnappschüsse folgen – ja, und da ist sie, die Geistermieze, auf die wir gehofft hatten! Mit großer Spannung examinieren wir jedes einzelne Foto, zoomen rein, sehen uns Details an, zoomen raus und wieder rein. Mhm, ist das jetzt eine Wildkatze oder nicht? Leider können wir es nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen: die LEDs, die eine geradezu unheimliche Power haben, reflektieren auf dem vor der Katze liegenden, hellen Sandboden so stark, dass das Tier auf allen Aufnahmen ziemlich überbelichtet wurde. Dadurch kann man die Fellzeichnung bedauerlicherweise nur unzureichend erkennen. Nachdem wir aber alle Bilder abgeglichen und die Ausschnitte mit der am besten sichtbaren Fellzeichnung vor unserem geistigen Auge zusammengesetzt haben, sind wir zumindest zu 95 Prozent davon überzeugt, Besuch von einer veritablen Wildkatze gehabt zu haben.

Auch sie ...
... hätten gerne ...
... was abbekommen.









Ach, wie schön, das ist doch ein guter Einstieg in den heutigen Tag. Einer, der noch besser wird, als drei Stunden nach dem Erscheinen der Geisterkatze die Pavianhorde, die uns geweckt hatte, im Dunstkreis der Kamera auftauchte. Meine Güte, was die für Faxen machen, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Und mit welchen Finten sie sich unserem Lager zu nähern versuchten! Dabei hatten sie allerdings immer die am Baum montierte Kamera im Blick; sie erschien ihnen wohl nicht ganz geheuer. Und das ist gut so, denn, wie wir auf den Uhrzeiteinblendungen auf den Bildern erkennen können, hatten sie sich bereits eine halbe Stunde vor unserem Erwachen in unserer Nähe herumgetrieben - wer Paviane kennt, der weiß, was sie in dieser halben Stunde alles hätten anrichten können... Da sie aber dazu, dank der Kamera, keine Gelegenheit hatten, können wir nun, nach dem Frühstück allmählich beginnen, unser von Pavianen verschontes Equipment, das wir aber heute und morgen voraussichtlich nicht mehr brauchen werden, schon mal in unseren Reisetaschen zu verstauen. Im Zeitlupentempo durchstöbern wir unsere Sachen, sortieren aus, lüften die Rückreiseklamotten, packen das Entbehrliche ins Reisegepäck und lassen uns dabei immer wieder gerne von den zutraulichen Staren ablenken, die jeden unserer Handgriffe mit Adleraugen verfolgen. So ein gemächlicher Abschieds- und Packtag hat was!

Kleiner Punk
Liegt was auf dem Boden?
Ich kanns nicht lassen ...









Irgendwann jedoch, so gegen Mittag, ist alles getan, was getan werden konnte und unser Tatendrang erwacht erneut. Ach komm, lass uns doch nochmal zum Shop hochgehen und ein letztes Mal den Wasserfall besuchen. Gesagt, getan! Heinz und ich machen also eine Runde auf dem Catwalk entlang des Hauptfalls, bevor wir erneut dem Shop zustreben. Was wir da wollen? Keine Ahnung. Aber wir kommen auch gar nicht so weit, denn als wir soeben an der Terrasse des Restaurants vorbeischlendern, erblicken wir Ute, an einem Tisch sitzend und uns heftig winkend. „Hey, ich gönn mir einen Snack, wollt ihr mir nicht Gesellschaft leisten?“ Aber ja, gerne! Wohlig seufzend lassen wir uns nieder, durchforsten die reichhaltige Speisekarte, wählen einige Köstlichkeiten aus, geben diese in Auftrag und erfreuen uns anschließend an einem gemütlichen Ratsch mit Ute. Dabei entgeht uns natürlich nicht, dass uns offenbar alle Stare der Campsite hierher gefolgt sind – jeden einzelnen von ihnen erkenne ich wieder und amüsiere mich köstlich, wie die Vögelchen ordentlich aufgereiht hinter uns auf der Balustrade der Restaurantterrasse sitzen und hoffen, an unserem Snack teilhaben zu dürfen. Deutlich weniger amüsiert hingegen zeigt sich das Restaurantpersonal, das, bevor unser Essen serviert wird, mit Wasserzerstäubern anrückt, um die zudringlichen Stare von uns Gästen fernzuhalten. Mit einem fragenden Blick auf Ute (ich erhalte ihre lächelnde Freigabe) winke ich der Zerstäubergruppe ab. Leicht ungläubigen Blicks ziehen die staatsbediensteten Starenvertreiber daraufhin ab und unser Essen wird serviert. Natürlich unter den extrem wachsamen Blicken der Stare...

Klettermaxe
Recken nach dem Leckerbissen
Dassie-Kolonie










Nun sitzen wir also mampfend und mit den Vögeln teilend auf der schattigen Terrasse und genießen unser Dasein, als plötzlich Annette und Jochen auftauchen. Ihren für Sekunden irritierten Blicken entnehme ich deutlich, dass sie glauben, wir hätten uns heimlich verabredet, um uns hier ohne sie zu vergnügen. Auf die Hintergründe, die zu dieser offensichtlichen Vermutung seitens unserer Freunde führten, möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen, doch irgendwie kann ich ihren Verdacht durchaus nachvollziehen. Aber er ist völlig unbegründet. Eilig bemühe ich mich deshalb, die sich entwickelnde Missstimmung glaubhaft zu entkräften, was mir Gottseidank rasch gelingt. Erleichtert und mit der sich darbietenden Situation versöhnt, nehmen nun also auch Annette und Jochen an unserer Tafel Platz, bestellen ihrerseits und gemeinsam begehen wir dergestalt einen entspannten Nachmittag bei kühlen Getränken, köstlichem Essen und guten Gesprächen – und werden, so ganz nebenbei, auch noch gut von den zutraulichen Staren unterhalten. Doch nicht nur von diesen... Denn in der relativen Kühle der Nachmittagssonne haben sich auch die Dassies wieder auf den Weg nach Futter gemacht und ein paar von den eher schwerfälligen Schliefern klettern nun recht gewandt in den stärkeren Ästen der terrassennahen Büsche umher. Was heißt da eigentlich „recht“ gewandt?! Das ist reichlich untertrieben, denn die doch etwas moppelig wirkenden Schliefer outen sich auch auf dünnem Geäst als ausgezeichnete Kraxel- und Balancekünstler. Wir sind so beeindruckt von deren Fähigkeiten, dass wir kurz am zweifeln sind, ob wir hier wirklich Felshyraxe vor uns haben – schließlich gibt es ja noch zwei andere Spezies, nämlich die Busch- und die Baumschliefer. Aber nein, hier sind nur Fels-Dassies existent, das Verbreitungsgebiet der beiden anderen Spezies ist weit, weit entfernt. Also doppelt Hut ab vor den kleinen Klettermaxen, die sich so geübt in für sie ungewohntem Terrain bewegen – und uns dabei mit entzückenden Ausblicken auf kleine, runde Popöchen, mollig gerundete, pelzige Bäuchlein und schweißig-klebrige Fußballen verwöhnen. Wann sieht man so ein Tierchen schon mal von unten?! Ach, dieser Nachmittag ist doch wirklich ein Genuss auf ganzer Linie!

Nichtsdestotrotz machen sich Annette und Jochen nach dem Essen zu einem Rundgang am Wasserfall auf, während Heinz, Ute und ich noch eine ganze Weile sitzenbleiben und unseren Urlaub revue passieren lassen. Dabei kommen wir zu dem Ergebnis, dass wir alle, trotz unterschiedlicher Interessen, voll auf unsere Kosten gekommen sind, dass auch die kurzen Momente des Sichgenervtfühlens dem Ganzen keinen Abbruch taten und dass wir die Gesellschaft der jeweils anderen „Partei“ in weiten Zügen als Bereicherung empfunden haben. Besser kann es fast nicht laufen, das muss wohl nun auch unser Flüsterteufelchen Mark Twain, der uns im Vorfeld der Reise mit Zweifeln ziemlich gepiesackt hatte, so akzeptieren. Wir sind mit Ute auf Reisen gegangen – und wir mögen sie! Allerdings wird unsere Freude aneinander nicht mehr lange andauern, denn heute Abend ist Zapfenstreich für Ute und uns. Sie ist nämlich auf die Mittagsmaschine von Upington nach Johannesburg gebucht, wohingegen unser Flieger den Norden Südafrikas erst am späteren Nachmittag verlassen wird. Ohne diesen frühen Check-In-Zwang können wir uns also reichlich Zeit lassen, bevor wir mit Jochen nach Upington starten. Ute und Annette jedoch werden sich schon in der Morgendämmerung aus dem Staub machen, während wir anderen noch in den Federn liegen. Nun ja, auch die schönste Zeit hat eben mal ein Ende... Doch noch ist es nicht so weit.

Zusammen kehren wir also für die letzten gemeinsamen Stunden ins Lager zurück, machen es uns bei einem lukullischen Abendessen richtig schön und beschließen dann kurzerhand, nochmal zum beleuchteten Hauptfall aufzubrechen, dort mit einem Bier auf einen gelungenen Urlaub anzustoßen und diesen vom beruhigenden Rauschen des Wassers abrunden zu lassen, bevor wir uns endgültig voneinander verabschieden müssen. Gesagt, getan. Annette und Jochen, die wir frecherweise mit unserem Abmarsch auf dem Abwasch sitzen lassen, gucken etwas verdutzt und auch leicht konsterniert, wünschen uns dann aber doch viel Spaß, widmen sich den lästigen Spülarbeiten und lassen uns ziehen. Und dieser nächtliche Besuch am Wasserfall ist wirklich etwas Besonderes. Mittlerweile hatten wir ja alle reichlich Gelegenheit, uns mit den touristischen Komfort-Einrichtungen von Augrabies Falls ausreichend anzufreunden, sodass wir jetzt die Flutlichtanlage am Catwalk nicht mehr als befremdlich empfinden, sondern einfach und ausschließlich ihren Effekt genießen können: rings um uns herrscht Dunkelheit, ein fulminanter Sternenhimmel spannt sich über uns und das Licht der Scheinwerfer erleuchtet punktuell die einzelnen Katarakte des nach unten stürzenden Oranje. Nein, erleuchten ist das falsche Wort. Die Strahlen der kraftvollen Spots durchdringen das Wasser förmlich, lassen es in verschiedenen, intensiven Grüntönen geheimnisvoll erglühen, die Gischt gleißt wie spritzender Eischnee und im Kegel der Strahler tummeln sich Myriaden lichtgeiler Insekten, die sich Dutzende von lautlos gleitenden Fledermäusen aus der Luft in den Mund pflücken. Und außer uns ist kein Mensch zu sehen! Lange wohnen wir diesem Schauspiel bei, trinken wieder einen Schluck, wandern weiter, schauen erneut. Ein wirklich schöner, allerletzter Abschluss unseres Urlaubs, doch auch der neigt sich seinem Ende zu, denn Ute wird langsam hibbelig – sie muss ja noch zu Ende packen. So schlendern wir langsam ein letztes Mal zum Lager runter – uih, Annette und Jochen sind schon schlafen gegangen -, umarmen uns und lassen Ute schließlich in Ruhe ihre Siebensachen packen. Dann lassen Heinz und ich den Abend am verglühenden Lagerfeuer sachte ausklingen, bevor auch uns, beim vergeblichen Warten auf die Wildkatze, langsam das Sandmännchen heimsucht. Beim immer noch andauernden Packrascheln Utes ziehen auch wir uns schließlich in unsere Schlafsäcke zurück und begeben uns vertrauensvoll in die samtenen Hände unserer letzten Nacht in Afrika.


Weitere Impressionen des Tages:

Augrabies Plattechse
Dassie-Kolonie
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Hauptfall
























17. Oktober 2014; Augrabies Falls NP > Upington; Heimflug

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Ute und Annette sind schon eine ganze Weile weg, als wir im ersten Sonnenlicht erwachen. Von ihrer Abreise haben wir nichts mitbekommen, haben noch fest geschlafen. Jetzt aber weckt uns das betriebsame Geraschle Jochens, der schon emsig zugange ist, alles in seinen Augen Unnötige im Auto zu verstauen – und für ihn sind ganz viele Dinge nur unnützes Beiwerk... So kommt es, dass wir schließlich an einem recht übersichtlichen Frühstückstisch Platz nehmen und das, was noch zur Verfügung steht, zu uns nehmen - mit den Gerätschaften, die noch nicht verräumt wurden. Na ja, immerhin gibt es reichlich Kaffee und etwas zwischen die Zähne, und der Abwasch fällt auch spärlicher aus als sonst.

Nachdem wir schließlich unsere Kaffeegelüste befriedigt und uns ausreichend sattgegessen haben, geht es an finale Packen. Heinz und ich quetschen rasch unsere Schlafzimmereinrichtung ins Gepäck, säubern das Zelt von innen und von außen, reißen es ab und verpacken es sorgfältig, auf dass unsere Nachfolger heute Abend ein, nun ja, nicht ganz jungfräuliches Stoffhäuschen in Gebrauch nehmen können – die Gäste für die Folgetour werden wir nämlich schon mittags in Upington in Empfang nehmen. Dann assistieren wir Jochen beim Packen des Rest-Equipments, polieren das Auto auf Hochglanz, gehen schnell duschen und werfen uns zum Schluss in unsere Rückreiseklamotten. Zivilisiert duftend und reisefertig nehmen wir zu guter Letzt noch wehmütigen Abschied von unseren gefiederten Freunden, bevor wir uns Jochen zuwenden, der entspannt am Auto lehnt und raucht. „Fertig! Wir können!“. Jochen nickt, wir klettern in den Wagen – und staunen nicht schlecht, als Jochen diesen erst zum Waschhaus lenkt, dann auf dem Campgelände herumsteuert und schließlich bei einem Wasserhahn stehenbleibt.

Hä? „Wir müssen noch Wasser auffüllen, hab aber keinen Schlauch...“, brabbelt Jochen in seinen Bart. Doppel-Hä? „Muss das jetzt sein? Können wir das nicht in Upington an einer Tanke erledigen?“ „Nee, was ma ham, des hamma!“ Aha, fragt sich nur, wie wir das ohne Schlauch bewerkstelligen sollen... Jochen versucht es mit einer abenteuerlichen Konstruktion: eine abgeschnittene Wasserflasche fungiert als Trichter und soll nun das Wasser aus dem Hahn in den Tank leiten; leider aber liegt die Öffnung des Hahns viel zu tief. Seufzend machen wir uns auf dem umliegenden Gelände auf die Suche nach etwas Brauchbarerem und fluchen dabei insgeheim vor uns hin – warum muss so etwas immer auf den letzten Drücker erledigt werden? Schließlich finde ich ein längeres Stück eines alten Leerrohrs; normalerweise werden damit Kabel unter Putz verlegt und es ist wohl noch irgendwelchen Bauarbeiten übriggeblieben. Vorsichtig grabe ich das alte Teil aus dem staubig-harten Boden und bringe es zu Jochen, der glücklich lächelt.

Wir spülen es durch, dichten mit allen verfügbaren Händen den Übergang zum Hahn ab und schon gluckert das Wasser in den Tank. Nach zwanzig Minuten ist dieser endlich voll, Jochen zufrieden – und wir sehen aus wie die Schweine. Rückreiseklamotten, drei Wochen geruchs- und staubdicht durch den Urlaub gerettet, um wie ein zivilisierter Mensch heimfliegen zu können – warum? Achselzuckend sehen Heinz und ich uns an, klopfen losen Staub aus unserer ehemals sauberen Kleidung, hoffen, dass sich bis Upington auch noch der mit Wasser vermatschte Rest entfernen lässt und schlichten uns, etwas schief grinsend, ins Auto. Dann steht ja unserer Fahrt nach Upington nichts mehr im Wege – denken wir...

 Und tatsächlich fressen wir nach dem Verlassen des Augrabies Falls Nationalparks erst mal diverse stoppfreie Kilometer, bis wir, zirka auf halber Strecke, den Ort Keimoes erreichen, wo Jochen nun abermals mehr oder weniger zielgerichtet anhält. Mhm? „Wir brauchen noch Gas. Das sollte es hier geben.“ Sollte... Wir fragen uns durch. Und dann beginnt eine Odyssee, wie sie schöner nicht sein könnte: Laden A, der kein Gas auffüllt, aber so aussieht, schickt uns zurück an den Ortsausgang, zu Händler B. Wir wenden, fahren bis zum Ende des Kaffs, doch benanntes Geschäft existiert offenbar nicht mehr. Also wieder rein nach Keimoes, jemand anderen befragen. Wir werden an das andere Ortsende geschickt. Wieder Fehlanzeige. Erneutes Fragen. Unsere letzte Fahrt, denn auch Jochen verlässt nun allmählich die Geduld, führt uns in ein recht ominöses Viertel von Keimoes, halb Wohngebiet, halb Industriegelände. Kein Mensch auf der Straße, weit und breit kein Gas-Laden in Sicht. Das Ende vom Lied: nach fast einer Stunde der vergeblichen Suche nach einem Gas-Dealer in Keimoes kehren wir dem Ort den Rücken und fahren endlich weiter nach Upington. Hier könne man sicher auffüllen, sagt Jochen. Warum sind wir dann hier rumgekurvt?

Tja, who knows... Trotz unserer mehr oder weniger erheiternden Extrarunden kommen wir schließlich dennoch einigermaßen pünktlich am Flughafen in Upington an, wo Annette natürlich schon ungeduldig auf uns wartet. Sie hatte Ute rechtzeitig abgesetzt, war dann noch beim Einkaufen und harrt nun seit geraumer Zeit unserer Ankunft – gemeinsam mit Jochen wollte sie die getätigten Einkäufe auf beide Autos verteilen. Dazu ist jetzt aber keine Zeit mehr, denn der Mittagsflieger aus Johannesburg ist bereits gelandet und vier neue Gäste müssen in Empfang genommen werden. Heinz und ich, die wir ja Zeit haben, übernehmen die Bewachung beider Fahrzeuge, während Annette und Jochen ihren Pflichten als Veranstalter nachkommen und dem Empfangsterminal zustreben.

Eine halbe Stunde kehren sie wieder; mit Anke, Gabi, Simone und Karl-Heinz im Schlepptau. Ich freue mich sehr, denn Gabi und Anke kenne ich, über meine Arbeit, schon seit Jahren. Freudig umarmen wir uns, alle anderen stellen sich gegenseitig vor, Annette kramt einen Empfangsdrink aus dem Kühlschrank und schon sind wir vergangene und künftige Mitreisende fröhlich am Plaudern. Annette und Jochen kümmern sich währenddessen, wie üblich laut streitend, um die Verteilung der erworbenen Lebensmittel in den beiden Autos. Anke und Gabi sehen mich angesichts des hektischen Gezeters fragend an. „Passt scho, so sind die beiden halt. Aber es klappt alles meistens trotzdem wie am Schnürchen!“

Beruhigt vertiefen wir uns erneut in unsere Erwartungs- und Erlebnisschilderungen, als Annette mich plötzlich fragt: „Sag mal, Barbara, gibt es in Rietfontein eigentlich eine Tankstelle? Ich hab’s hier nämlich nimmer geschafft.“ „Was? Rietfontein? Ihr wollt doch über Twee Rivieren in den KTP, da liegt Rietfontein gar nicht auf der Strecke!“ „Stimmt...“, konstatiert Annette verwirrt, während sich Ankes Mund an mein Ohr bewegt und leise, aber dennoch hörbar flüstert: „Wer ist hier eigentlich der Guide? Das kann ja heiter werden...“ „Das wird es, im positivsten Sinne, ich verspreche es euch!“, versichere ich den neuen Gästen aus vollem Herzen. „So sind die beiden halt, sobald sie auf Zivilisation und Formalitäten treffen. Aber sie wissen genau, was sie tun!“ Mein Gott, jeder hat so seine Eigenheiten! Ich kann verstehen, dass das soeben Erlebte die Neuankömmlinge ein wenig verunsichert, dennoch lege ich meine Hand dafür ins Feuer, dass jede Tour mit Annette und Jochen ein ganz besonderes, eigenes, persönliches und ungewöhnliches Ereignis sein wird. Die beiden lieben den schwarzen Kontinent und nehmen dort, auf ihre eigene, bewundernswerte Art und Weise, ihren Weg - zuverlässig und extrem sympathisch.

 In diesem Sinne nehmen wir nun alle Abschied voneinander; die neue Truppe voller Hoffnungen und zu erfüllender Erwartungen, Heinz und ich voller Wehmut, bereits erfüllter und schon wieder neuer Erwartungen. Nächstes Jahr geht es nämlich nach Uganda, Ruanda und Tansania, und wir freuen uns jetzt schon wie wahnsinnig drauf! So sehr, dass wir auch nach der endgültigen Verabschiedung von unseren Freunden und der neuen Reisetruppe unsere vierstündige Wartezeit am Flughafen von Upington trotz alledem positiv erleben: es werden Dutzende von Mitarbeitern des Monats gewählt, der gesamte Betrieb ist für Stunden wie lahmgelegt, man kann nichts zu trinken erwerben, kein Gepäck aufgeben, keine Sicherheitskontrolle durchschreiten, geschweige denn irgendetwas anderes bewerkstelligen. Amüsiert grinsend beobachten Heinz und ich den Ehrungsrummel und das daraus resultierende Chaos – TIA – This Is Africa! Und trotzdem, auch das ist Afrika, startet der Flieger nach Johannesburg pünklich – mit uns und unserem Gepäck an Bord. Auf Wiedersehen, bis nächstes Jahr!

Reiseroute 2015 - LebensTraumPfade - Uganda, Ruanda, Tansania

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UGANDA 

19./20. September 2015
Anreise München > Entebbe via Dubai; Camping im Entebbe Backpackers

21. September 2015
Entebbe > Kampala > Murchison Falls NP, Campsite oberhalb der Fälle

22. September 2015
Besuch des Aussichtspunkts an den Fällen > Red Chili Camp, Bootsfahrt zu den Fällen

23. September 2015
Übersetzen mit der Fähre > Rundfahrt im Nordwestteil des Parks; Red Chili Camp

24. September 2015
Murchison Falls NP > Hoima, Kolping Hotel

25. September 2015
Hoima > Kibale NP, Primate Lodge, Camping bzw. Baumhaus

26. September 2015
Kibale NP, Schimpansen-Tracking; Primate Lodge, Camping

27. September 2015
Kibale NP > Queen Elizabeth NP; Mweya Campsite

28. September 2015
Queen Elizabeth NP; Bootstour Kazinga Channel; Mweya Campsite

29. September 2015
Queen Elizabeth NP; Mweya Campsite > Ishasha River Campsite Nr. 2

30. September 2015
Gamedrive im Park > Ishasha River Campsite > Bwindi Impenetrable NP, Buhoma Community Rest Camp, Mietzelt

1. Oktober 2015
Bwindi Impenetrable NP, Gorilla-Tracking; Buhoma Community Rest Camp, Mietzelt

2. Oktober 2015
Bwindi Impenetrable NP > Lake Bunyonyi, Bugombe Gateway Camp, Camping

UGANDA > RUANDA

3. Oktober 2015
Bugombe Gateway Camp > Grenze Katuna > Kigali > Kayonza, Women’s Opportunity Center, Camping

RUANDA > TANSANIA

4. Oktober 2015
Kayonza > Grenze Rusumo > Biharamulo, Old German Boma, Camping

5. Oktober 2015
Biharamulo > Kibondo, Autopanne > Camping „In the Middle of Nowhere“

6. Oktober 2015
Mitten aus der Pampa > Kigoma; Jakobsen Beach and Guest House, Camping

7. Oktober 2015
Kigoma > Sitalike

8. Oktober 2015
Sitalike > Katavi NP,  Gamedrive, Camping am Katuma River

9. Oktober 2015
Katavi NP, Gamedrive, Camping am Katuma River

10. Oktober 2015
Katavi NP > Mbeya, ICC Guest House

11. Oktober 2015
Geplanter Flug Mbeya > Dar es Salaam > Dubai > München; Flugausfall Mbeya > Dar es Salaam; ICC Guest House

12. Oktober 2015
Flug Mbeya > Dar es Salaam > Dubai > München




LebensTraumPfade - Prolog

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Unter uns Menschen gibt eine ganz besondere Subspezies, die ich, ihrem Gebaren entsprechend, als „Abhaker“ bezeichne. Sie verhalten sich, als würde eine ellenlange Liste in ihrem Gehirn implementiert sein, die es im Laufe eines Lebens abzuarbeiten gilt – möglichst bis zur letzten Position. Schon als Kind empfand ich diese Typen als recht befremdlich: ich war mit meinen Eltern fast jedes Wochenende in den Bergen unterwegs und wir wanderten, weil wir Spaß daran hatten, weil wir die Natur und so manchen Gipfelblick genossen, gerne in ein kaltes Gebirgsbächlein sprangen, Schnee- und Schotterfelder herabrutschten und Freude am Erlebnis Berg als solchem hatten. Auf unseren Touren aber begegneten wir immer wieder diesen Menschen, die mit Scheuklappen bergauf hasteten, blind für die Schönheit der Natur; sie hatten nur eines im Blick: das Gipfelbuch und den dazugehörigen Stempel, den sie sich in ihr mitgeführtes Beweis-Büchlein droschen. Stempel drin, umkehren, runter ins Tal, am nächsten Tag der nächste Berg, bis die Liste abgearbeitet war. Der Lohn des Ganzen bestand, zumindest in unseren Augen, wohl lediglich darin, dass man für all die hurtig gesammelten Stempel vom jeweiligen Tourismusverband eine Plakette erhielt, die man sich stolz an den Wanderstock oder den rustikalen Filzhut tackern konnte. Für mein Empfinden ein Entgelt, das den Aufwand, noch dazu unter derartigen Blindflug-Konditionen, nicht lohnt, für die Abhaker hingegen offenbar das Nonplusultra, den Himmel auf Erden darstellt.

Solche Menschen gibt es jedoch nicht nur in den Bergen, sondern in allen Lebensbereichen, unter anderem also auch im Reisesektor – und für diese Leute existiert sogar eine To-Do-Liste in Buchform: „1000 places to see before you die“. Ich hab da mal, als ich in einer Buchhandlung nach etwas ganz anderem suchte, reingeguckt und war erstaunt, was ich alles schon gesehen und „erledigt“ hatte, ohne zu wissen, dass es als abhakenswert gilt! Für das südliche und östliche Afrika werden beispielsweise ganze 46 Muss-Ziele genannt; fast die Hälfte davon habe ich bereits besucht, jedoch kein abschließendes Häkchen dahinter gemacht. Mann, bin ich doof; wie soll ich das jetzt beweisen und wer verleiht mir eigentlich meine Plakette?

Aber mal Ironie beiseite: so abwegig, wie ich das hier schildere, ist dieses Buch nicht, denn es zählt wirklich viele der absoluten Traumziele eines jeden Reisenden auf. „Tracking the Mountain Gorillas“ ist zum Beispiel etwas, was auf der Wunschliste vieler Afrikatraveller ganz oben steht. Als unsere Freunde Annette und Jochen nun heuer erstmals zwei Touren nach Uganda anbieten, Gorilla-Tracking inklusive, ist auch Heinz sofort Feuer und Flamme. „Da fahren wir mit, das ist schon lange einer meiner Lebensträume!“, seufzt er begeistert. Diesen Traum erfülle ich ihm natürlich gerne, auch wenn es nicht einer meiner eigenen, dringlichsten ist. Die mögliche Erfüllung des meinigen aber entdecke ich kurz darauf im Tourplan: den Katavi Nationalpark. Seit ich vor vielen Jahren ein Bild von Michael Poliza gesehen hatte, das unzählige, wie Kopfsteinplaster aneinandergereihte Nilpferdkörper zeigte, zählt dieser entlegene, auf dem Landweg schwer erreichbare Park zu meinen besonderen, persönlichen Traumzielen – auch wenn dieses nicht in besagtem Buch verzeichnet ist und auch, wenn dieser Park für seine zahlreichen Tsetses bekannt ist. Mit denen nämlich stehe ich auf echtem Kriegsfuß...

Trotzdem melden wir uns ohne große Diskussionen sofort für diese Tour an und freuen uns auf ein gemeinsames Beschreiten unserer ganz persönlichen Lebenstraum-Pfade, zusammen mit unseren langjährigen Freunden Annette und Jochen und zwei weiteren Tourteilnehmern: Erika, die wir letztes Jahr kurz am Flughafen in Upington kennengelernt hatten und Gabi, die ich über berufliche Kontakte schon seit ewigen Jahren kenne und sehr schätze.



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